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Warum ich Maradona mag

Es war Sommer, Sommer 1986, Sommer in der DDR. Es war Fußballweltmeisterschaft und es herrschte eine wahre Euphorie. Eine Euphorie, wie an sie ich mich nur selten in meiner Kindheit kann. Klar, wir hatten jede Menge Schwimmer, Radfahrer, Kugelstoßer und Eisschnelllauf-Sportler die regelmäßig in jeder Medaillen-Statistik der Olympiaden für Aufsehen sorgten, weil sie das kleine graue Land DDR irgendwie unter die Top 5 bekamen. Mit jeder Menge Doping, wie man heute munkelt. Aber Fußball… mit Fußball hatte die DDR seit Sparwasser nichts mehr zu tun. Also waren alle Ossis in der Kleingartensparte, die damals nicht so hieß, weil die Gärten gut vier Mal so groß waren, wie die, die man heute in den Kleingartensparten verbucht, völlig auf die „deutsche Mannschaft“, die damals BRD hieß, fixiert. Es war Finale: BRD-Argentinien. Und deshalb waren ausnahmslos alle völlig bekloppt und aus ihren Häuschen Bungalows.

Was heute Public Viewing genannt wird, war damals Schwarz-Weiß-Fernseher mit langwieriger Antennenausrichtung auf die bescheidene Terrasse des alten Herren, so dass gut 40 Mann dieses Spiel sehen konnten. Und sie kamen. Sie soffen und beschwörten einen Sieg der Deutschen, der BRD.

Da ich, wie mir heute immer noch attestiert wird, damals schon zu einer affektierten Oppositionshaltung neigte, entschied ich mich, den Alten den Abend zu versauen und behauptete, bevor die Antenne richtig stand, das Argentinien das Ding mit nach Hause nehmen würde. Ich war schließlich Jungpionier und hatte mit dem Anliegen der BRD nur wenig gemein. Wie konnten die nur.

Alle lachten über mich. Alle, außer Hubi, der direkte Grundstücks-Nachbar, er wollte wetten. Er auf die BRD, ich auf Argentinien. Sein Einsatz: eine Kiste Doppel-Karamell. Der meinige: eine Kiste Bären Pils, die dann im Falle dessen wohl mein alter Herr zu bezahlen hätte, was er nicht wusste, was aber egal war, das musste jetzt sein.

Jeder weiß, wie es ausging – ich bekam meinen Kasten Doppel-Karamell, denn Wettschulden und so. Ich denke bis heute daran, immer wenn ich Diego, den Handball spielenden Fußballer sehe, der 1986 den Cup nach Argentinien holte, als er gegen die BRD traf.

Der Abend war danach übrigens ziemlich im Arsch und alle spürten schnell, dass die DDR nicht zum Weltmeister feiern taugte.

Maradona sorgte dafür, dass ich die erste gewonnene Wette, an die ich mich erinnern kann, auch genießen konnte. Er schmeckt, der Kasten Doppel-Karamell. Sehr sogar.

Und das bisschen Koks, was der sich durch die Nase zog, macht ihn kein bisschen unsympathischer – im Gegenteil.

12 Kommentare

  1. jens23. Juni 2010 at 08:32

    maradona mag ich nicht. koksender pygmäe, der.

    aber DOPPEL KARAMELL – Yeah! :D

  2. Mmmatze23. Juni 2010 at 08:41

    Das mit dem Koks ist nicht das Problem (eben, im Gegenteil). Das Problem, das ich mit Maradó habe, ist, wenn er sich politisch äußert. Wer sich mit Diktatoren und Despoten umgibt, Massenmördern huldigt und einen (zugegebenermaßen kritikwürdigen) Präsidenten eines mächtigen amerikanischen Staates mit Hitler vergleicht, der sollte wirklich besser den Mund halten. (Nichtsdestotrotz habe ich großen Respekt vor ihm als Sportler und davor, dass er überhaupt noch lebt und wünsche Argentinien unbedingt den Titel.)

  3. zag ter23. Juni 2010 at 09:47

    heute:

    irreparable gehirnschäden durch jahrzehntelangen konsum, rund 30mio-steuerschulden … ein hilfloser mann, der vergöttert wird und nach seiner karriere keinen ort wußte, wohin. die höchstform der erbärmlichkeit, wie ich finde!

    damals

    ich habe 1986 ebenfalls als kleiner junge für argentinien die fahnen geschwenkt, mich von maradona verzaubern lassen und wollte selbst auf dem fußballplatz beim tz-friedrichshain immer maradona sein.

    ##

    direkt bei den spielen denke ich eher an „damals“. auch wenn man seine freude sieht, wenn er mal den ball an der linie bekommt.

    vor und nach den spielen denke ich eher an „heute“ … keine ahnung warum.

    und im grunde ist er mir auch egal.

  4. […] aber auf Augenhöhe präsentieren. Wirklich verdient hat das Weiterkommen in dieser Gruppe nur Diegos Argentinien. Südkorea gelingt nach der Halbzeit der erste Treffer und treibt Rehhagel angesichts […]

  5. toba23. Juni 2010 at 11:17

    Ich glaube, die Geschichte hast du dir ausgedacht. Niemand hatte damals einen Bungalow. Statt dessen standen überall Datschen!!!!! Ha! Überführt! ;)

  6. Ronny23. Juni 2010 at 11:21

    hey, ich komme aus der DDR, nicht aus der UdSSR! ;)

  7. toba23. Juni 2010 at 11:33

    Wo genau war da der Unterschied, Genosse? ;)

    Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich nach der Wende nicht wusste, was das Wort „Bungalow“ bedeutet, bis man es mir übersetzt hat.

  8. Dcat23. Juni 2010 at 15:16

    дача —> Land- oder Wochendhaus *klugscheissmodusoff*
    Du weisst ja was ein Bungalow ist, von daher…..

  9. oqpie23. Juni 2010 at 19:28

    Sehr schöner Artikel. Du solltest mehr aus den alten Zeiten schreiben.

  10. Markus30323. Juni 2010 at 23:17

    Das sind so Artikel die in der letzten Zeit hier etwas vermisse. Die Geschichten aus dem Bus und so. Bitte mehr, die sind immer klasse.

  11. Thomas23. Juni 2010 at 23:20

    Wunderbare Geschichte. Ich war leider noch zu klein zur WM86. Meine erste richtige WM war 94 als die Deutschen gegen die Bulgaren rausgeflogen sind und sich über die Wärme und den Platz beschwert haben. Da fiel es einem echt schwer, sich für Deutschland zu begeistern.

  12. Ronny23. Juni 2010 at 23:36

    @Markus303

    Ich weiß! Ich hatte so was hier lange sehr oft und auch gerne. Es fällt mir aber nicht mehr so leicht, so was zu schreiben. Zum einen, weil man sich für bestimmte Sachen unnötigerweise rechtfertigen muss, zum anderen, weil es auch immer wieder strunzdumme Kommentare auf derlei Storys gab. Außerdem lesen hier mittlerweile so viele Leute mit, dass bestimmte Sachen einfach leider nicht mehr gehen, ohne mich selber in die Bredouille zu bringen. Mit Drogen, mit Sex, mit jugendlicher Gewalt und all dem, was das Leben so interessant macht.

    Ich habe soviel davon im Kopf und weiß gar nicht wohin damit.

    Ich hänge da gerade selber etwas im Unreinen und versuche, da eine Lösung für mich zu finden.

    Schön aber, dass Du mich darauf hinweist. Ich weiß von einigen da draußen, dass die das ähnlich sehen, wie Du. Danke dafür. ;)

    Das Paradoxe: Ich habe vor langer Zeit – ähnlich wie du jetzt – das selbe bei Nerdcore beanstandet. Heute verstehe ich ihn.

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