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Schlagwort: R&S Records

Nils Frahm, Frederic Gmeiner und Sebastian Singwald bringen als Nonkeen ein Album auf R&S Records

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Tolle Neuigkeiten aus dem Hause Nils Frahm. Der hat sich mit Frederic Gmeiner und Sebastian Singwald zusammengetan und unter dem Namen Nonkeen Musik produiert, die am 05.02.2016 auf R&S Records als Debüt-Album „The Gamble“ erscheinen wird. Aber nicht nur diese Umstände sind schon mehrfach Grund zur Freude, auch die Geschichte der Band hat Einiges zu bieten.

Im Sommer ’89 verbringt der ostdeutsche Schuljunge Sebastian Singwald aufgrund eines Sportaustausches der Jungen DDR Athleten zwei Wochen in Frahms und Gmeiners’ Schule- um seinen Hals ein abgewetzter Kassettenrecorder. Fasziniert von der fremden DDR-Technologie bändeln Frahm und Gmeiner mit Singwald an. Geräte werden verglichen und die Mechanik hitzig diskutiert. Nach Singwalds’ Rückkehr nach Karlshorst, Berlin, wird er ihr „DDR Korrespondent für körperliche Betätigung“ indem er regelmäßig Mittels eigener Aufnahmen aus seinem Schul- und Sportleben berichtet. Bei Hamburg findet die Radiosendung immer mehr Anhänger, was Frahm und Gmeiner dazu bewegt, sich mehr auf die Musik zwischen den Schulreportagen zu konzentrieren. Das Resultat ist eine eklektische Mischung von Kindervolksliedern, Popmusik aus dem Radio, klassischen Kompositionen und improvisierten Stücken, die mit dem Grundgedanken, alles zu recyceln, was ihnen zu Ohren kam, selbst gespielt, gecovert und neu gemischt werden. Ergänzt werden die Kompositionen von Singwald mit eigenen Bassaufnahmen.

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(Foto: Studio Spektral)

Mit dem Fall der Mauer beschließen Gmeiner und Frahm, Singwald zu besuchen und endlich gemeinsam in einer Band zu spielen. In den Sommerferien lädt Singwalds’ Onkel sie ein, ihr eigenes Material auf seinem Rummelplatz im Plänterwald zu präsentieren. Bewegt von der deutschen Wiedervereinigung unterstützen ihre Eltern die Freundschaft und ihre langen Aufenthalte in Ostberlin. Fortan spielt die Band jeden Sommer zahlreiche Konzerte auf dem Rummelplatz. Bis zum Sommer ’97, in dem alle drei Bandmitglieder fünfzehn Jahre alt werden und ein Desaster ihre musikalische Karriere und Kollaboration beendet. Ihr Konzert wird plötzlich durch die losgelösten Sitze eines nahestehenden Kettenkarussels unterbrochen, die samt Passagieren auf die Bühne zurasen. Ein Opfer landet mit den Füßen zuerst in der Basstrommel, ein weiteres kracht in Singwalds’ Bassverstärker. Mit den quietschenden Reifen des Krankenwagens lassen Gmeiner, Frahm und Singwald die zerstörten Instrumente zurück, schwören der Musik ab und gehen getrennte Wege.

Ein gutes Jahrzehnt später treffen sich Gmeiner, Frahm und Singwald in Berlin wieder und entscheiden betrunken, ihre Vergangenheit nicht ihr Leben bestimmen zu lassen und sich ein für alle mal von den Schatten, die über ihnen als Band liegen, zu befreien. Langsam und vorsichtig fangen sie in Singwalds’ Keller an, wieder Musik zu spielen. Wie in alten Zeiten werden die langen experimentellen Stücke selbst mit dem Kassettenrekorder aufgenommen. Nostalgisch hören sie ihre Kindheitsaufnahmen und ergänzen und sampeln sie mit neuen Teilen. Im Zuge dieses organischen Prozesses entsteht nach acht Jahren ein Album.

Die Songs auf The Gambler wurden auf einem Vier-spur Kassettenrecorder aufgenommen, der an noch viel primitivere Stimmmikrophone angeschlossen wurde- wenn Frahm einen guten Take nicht aus Verwirrung mit einem schlechten überspielte. Die Band machte sich zum Credo, Stücke nicht einzuüben oder mehrmals aufzunehmen um sie zu verbessern oder zu verändern. Nur ein einziger Take wurde akzeptiert. Von diesen einmaligen Versuchen schafften es entsprechend wenige auf Band. Der Zufall wurde des Trios ständiger Begleiter. Die Tonbänder wurden von Zeit zu Zeit in Frahms’ Studio abgespielt, wo in Anwesenheit aller Bandmitglieder die besten Passagen rausgeschnitten, in den Computer übertragen und zum Processing oder Overdubbing weiter verwendet wurden. Für die nächste Session wurden die Tonbänder so recycelt.

Die Musik zu hören, die sie Jahre zuvor aufgenommen hatten, half der Band, ihren Sound in eine andere Richtung zu lenken. Nach den Anfängen als improvisiertes Musikkollektiv begannen sie ihre Arbeit immer ernster zu nehmen, obschon sie stets ihr minimalistisches Aufnahmeset beibehielten. So bewahrte der Zufall seine zentrale Rolle in der Band: durch die Unzuverlässigkeit der billigen Aufnahmegeräte wusste niemand, wie die Musik am Ende klingen würde. Ganz wie bei einem Bild, das sich erst langsam bei Entwicklung des Films enthüllt, wurden Aufnahmen ‚doppelbelichtet’ oder versehentlich rückwärts abgespielt. Andere fantastische Klänge wurden durch das hoch- und runterpitchen von Geräten erzeugt. Die Sounds, die so entstanden, waren vor allen Dingen eines: unerwartet. Diese unbeabsichtigten und doch unausweichlichen Unfälle konnten einen Song zum Leben bringen oder aber komplett zerstören.

Aber der Zufall meinte es auch gut, als Singwald, Gmeiner und Frahm mit Aufnahmen von Freunden wie Andrea Belfi im Overdubbing ergänzt wurden und an Orten wie Kopenhagen – den Nachbarn schulden sie noch eine Entschuldigung – fernab von Verpflichtungen ihren Improvisationen nachgehen konnten. Trotz der wenigen Zeit, die sie gemeinsam hatten um zu mischen, realisierten sie, dass nichts mehr übrig geblieben war, das an der Musik verändert werden musste. Kurz darauf wurden Frahm und Renaard Vandepapeliere in Mannheim zusammengebracht und binnen Kürze war die Tinte auf dem Plattenvertrag mit R&S Records getrocknet. nonkeen waren bereit, ihren Keller wieder zu verlassen.

Ich freue mich sehr darauf! Das Album kann auf Bandcamp schon jetzt als Vinyl- CD- oder Download-Variante vorbestellt werden.

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R&S Records haut zum 30-jährigen Jubiläum eine 30er Compi raus

Das erste Techno-Album, was ich jemals auf Platte kaufte war Kenny Larkins ‎“Metaphor. Ich liebe es bis heute, es ist absolut zeitlos. Auch wenn die Produktionstechnik der 90er heute alles andere als zeitgemäß klingt, was man eben auch hört. Das Album ist dennoch nach wie vor ein Meilenstein.

Ich kaufte auch vorher schon jede Menge Techno-Platten, aber nie zuvor ein Album und von dem belgischen Label R&S Records hatte ich bis dahin auch nichts gehört. Belgien war damals eher so „Happy Hardcore“-Müll, dachte ich.

Nach diesem Album aber kaufte ich massenhaft R&S Releases. Auch gerne nach. Auch weil die damals schon keinen Fick auf eine klanglich konstante Veröffentlichungspolitik gaben. Da gab es dann halt auch mal die, ich möchte fast meinen, sagenumwobenen In Order to Dance Compilations, die strikt Drum ’n‘ Bass versammelten, auch wenn, wie eben bei Larkin, gerne der Detroit Sound veröffentlicht wurde, oder wie mit den Golden Girls sogar Tracks mit Disco Anleihen. Und überhaupt: Jaydees „Plastic Dreams“ kam von dort. Wisst ihr noch? ❤

http://youtu.be/WRAxij_VrOE
(Direktlink)

Auch Ken Ishii releaste hier, Aphex Twins „Selected Ambient Works“ kam auf R&S. DJ Krush & Toshinori Kondo, Biosphere, John Beltran, Model 500, Cabaret Voltaire und was-weiß-ich-wer-noch-alles brachten ihren Platten auf R&S Records raus. Die Discographie von denen liest sich bis heute wie mindestens ein Drittel des internationales IDM-Zirkus‘. Sie zu lesen birgt ein bisschen das Risiko in Andacht zu versinken, aber das wollen wir hier ja nicht. Wie auch immer.

Irgendwann trennten sich unsere Wege. Aphex Twins „Selected Ambient Works“ hatte ich im Regal, Larkin begleitete mich immer noch und die Model 500 Platten waren ein liebgewonnener Spleen. Mein Weg ging woanders hin, ich hatte R&S nicht mehr auf dem Radar. Das war um die Jahrtausendwende. Psy-Trance fand ich da viel spannender. Und irgendwie gab es dann auch ein Loch. Die veröffentlichten zwar später weiterhin wieder Musik, aber zwischen den Jahren 2002 bis 2006 gab es erstmal kein Release. Danach wurden alte Sachen von Dave Angel, Joey Beltram und Derrick May als „Classics“ wiederauferlegt. Musik, die zu dem Zeitpunkt keine Sau brauchte. Wirklich nicht. 2008 lies, für mich erstmalig wieder interessant, dann Radioslave einen gucken. Die Sache mit dem Psy-Trance war für mich da auch wieder ein bisschen durch. Trotzdem dachte ich nicht, dass die jemals wieder an ihren Glanz der Mitte-90er anknüpfen könnten. Dann aber war es 2010, es kam ein junger trauriger Engländer mit dem Namen James Blake. Mit seiner EP „CMYK“ war R&S für viele da draußen, zumindest zu diesem Zeitpunkt, mindestens genau so groß wie für mich Mitte der 90er. Das räumte so ziemlich alles ab.

cmyk-james-blake

Wohl auch deshalb schob man gleich die „Klavierwerke“ von Blake hinterher. Aber ich will keinen langweilen…

Nun also feiert die olle Techno-Oma R&S ihren 30. Geburtstag (Auch wenn die erste VÖ 1984 kam und wir jetzt erst 2013 haben. Egal.) Dafür bringt man dann auch schon mal die wirklich dicksten Line-Ups in die europäischen Clubs.

Und man bringt zu seinem 30. eine 30er Compi auf den Markt, in der schon alleine die Tracklist all das versammelt, was ich oben angesprochen habe. Awesome! (Und das schreibe ich so gut wie nie.) Die nämlich liest sich wie folgt:

R&S Records – 30 Years Anniversary
01. 69 – Desire
02. Airhead – Pyramid Lake
03. Alex Smoke – Dust
04. Aphex Twin – Xtal
05. Biosphere – Cloud Walker II
06. Blawan – Shader
07. Capricorn – 20 Hz
08. Cloud Boat – Bastion
09. DJ Krush & Toshinori Kondo – Toh Sui
10. Egyptian Hip Hop – SYH
11. Jacob’s Optical Stairway – Solar Feelings
12. Jam & Spoon – Stella
13. James Blake – I Only Know (What I Know Now)
14. Jaydee – Plastic Dreams
15. Joey Beltram – Energy Flash
16. Ken Ishii – Extra
17. Lone – Airglow Fires
18. Model 500 – I Wanna Be There
19. Mundo Musique – Andromeda
20. Nadine Shah – Floating
21. Outlander – Vamp
22. Pariah – Prism
23. Robert Leiner- Dream Or Reality
24. Second Phase – Mentasm
25. Space Dimension Controller -The Love Quadrant
26. Sun Electric – O’Loco (Karma Sutra mix)
27. Synkro – Broken Promise
28. Tree – Demons
29. u-Ziq – phi*1700 (u/v)
30. Vondelpark – California Analog Dream

Da gratuliere ich doch mal ganz ungezwungen und sage, Danke R&S! Hoch die vollen Tassen! Ohne Dich wäre Techno für mich nie zu dem geworden, was er eben auch heute noch ist und klingen würde er vermutlich auch ganz anders. Ganz sicher sogar.

Jetzt sitze ich hier, höre die mir liebste „In Order to Dance“ Compi und schwelge. Wieder einmal. Hihi. Und Model 500 veröffentlichen da auch heute noch, auch wenn ich da kaum noch hinhöre.

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