tl;dr:
Geil ist ja auch immer, dass jene, deren fremdenfeindliches Geblubber nicht unwidersprochen von allen hingenommen wird, dann meinen, alle würden sie gleich ‚Nazi‘ nennen. Auch wenn das fast niemand tut. Da überholt das Selbstbild dann wohl immer das Metabild. Das ist lustig.
Und na klar kann man sagen, „Ich bin fremdenfeindlich und das ist meine Meinung!“, aber dann ist man halt ein Arschloch. Ganz einfache und klare Angelegenheit.
¯\_(ツ)_/¯
Ronny, du denkst immer, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus würde irgendwo in Dresden, MaHe, Dortmund, Hannover, Meck-Pomm oder Schneeberg oder überhaupt irgendwo anders stattfinden, obwohl du es eigentlich besser weißt. Du denkst dann trotz allem, aber doch nicht in deiner Stadt, die du schon seit langem für überwiegend antifaschistisch hältst. Weil du sie so kennen und lieben gelernt hast über die Jahre. Weil du so doof warst, dich überwiegend in den Kreisen aufzuhalten, in denen es selbstverständlich war, Menschen nichtdeutscher Herkunft, woher auch immer sie kamen, als das zu akzeptieren, was sie in erster Linie mal sind: Menschen. „Ey, hier in Potsdam doch nicht! Bei uns doch nicht. Diese Stadt ist bunt. War sie immer.“, redest du dir fälschlicher- und oberfläschlicherweise ein und unterschlägst dabei, dass die hier schon in den 90er Jahren Schutzgeld erpressende und Angst verbreitende Nazi-Hool-Clique das damals schon ganz anders gesehen hat. Obwohl du es besser wissen müsstest, nachdem sich dich gejagt und dir auf die Fresse angeboten haben.
Nach dem Angriff auf Ermyas M., den sie in B-West 2006 fast tot geprügelt haben.
Nachdem die dich in den späten 90ern jagenden Nazi-Hools nach der Jahrtausendwende zu Nazi-Rockern wurden und sich am Wochenende immer in der Rockerkneipe trafen, neben der genau deine Mietswohnung lag und wo du sie immer schön wieder erkennen konntest.
Nachdem du wusstest, dass die JN in Waldstadt weit vertreten war und sich an den Wochenenden auch „über die Brücken“ traute, um am Platz der Einheit junge Antifas aus der Tram zu schubsen und sie dort im schlimmsten Fall vermöbelten.
Nachdem du selber Psy-Partys machtest, auf denen du eigenhändig Nazis rausschmeißen musstest, weil sie, wie sie sich rechtfertigend sagten, „diese ekelhaften Zecken nicht ertragen würden“, die neben ihnen auf dem Dance kifften und ihnen ohne jegliche Vorwarnung auf die Fresse hauten, was dir mehr als nur unsagbar peinlich war.
Nachdem du wusstest, dass dunkelhäutige Freunde und Bekannte immer wieder darüber berichteten, dass sie sich in dieser Stadt abends und nachts alleine nicht ganz so wohl fühlen würden. Weil sie das Gefühl hatten, dass andere ihnen zumindest verbal übergriffig wurden, was ja eigentlich schon genug des Übels wäre.
Du hast es dir in den letzten Jahren ganz schön gemütlich gemacht. Erst im besetzten Archiv, wo du offensichtliche Nazis an der Tür einfach nicht auf deine Veranstaltungen gelassen hast. Und später dann hin und wieder im Spartacus, wo die junge Antifa das Sagen hat, was du seit jeher zu schätzen weißt. „Die kümmern sich schon darum.“, hast du so gedacht, „Sollen die mal jetzt unsere alten Kämpfe austragen, die machen das schon.“ Und irgendwie schien das ja auch zu laufen. Irgendwann würde das hier alles mal besser werden, hast du gehofft und vielleicht sogar tatsächlich geglaubt.
Du hast es dir mit deinem linkslastigen Umfeld immer schön einfach gemacht. Keine Rassisten dabei, keine Arschlöcher. Alle, die irgendwie glaubten, irgendwer anders würde sich schon darum kümmern. Obwohl du selber weißt, dass junge politisierte Menschen mittlerweile eine echte Minderheit geworden sind, weil alle anderen an wenig Arbeit für viel Geld interessiert sind und im Regelfall primär nur daran.
Obwohl du weißt, dass einige von denen extreme Vorurteile gegen Nichtdeutsche und überhaupt alles irgendwie anders wirkende in sich tragen. Und das sie diese auch nach außen kehren, ohne das sie sich jemals neben der in den letzten Jahren ach so alles irgendwie alles okay findenden Mitte „politischen Mitte“ eintakten würden. „Das wird man doch noch sagen dürfen.“ „Ich bin kein Nazi, aber…“ und diese ganze Scheiße, über die du dich auch ganz gerne schon mal lustig machst. Nur leider ist das so lustig gar nicht.
Du gehts immer schön arbeiten, betreust u.a. täglich eine Handvoll syrischer Flüchtlingskinder, die vor einem Jahr in die Gemeinde kamen, in der du halt arbeitest, hast ihre Wunden gesehen und bildest dir ein, jene erahnen zu können, die du nicht sehen kannst. Du Narr.
Du findest es gut, dass ein paar hundert Meter weiter demnächst ein Flüchtlingsheim entstehen wird. Na klar. Dass die dort Ankommenden in Containern hausen müssen, findest du total beschissen. Auch weil du weißt, dass diese „Integration“, die immer alle fordern, viel besser individualisiert funktionieren kann und auch weil du weißt, das es für alle dort endlich Frieden Suchenden nur zwei in Vollzeit bezahlte Sozialarbeiterstellen geben soll. Für 150 Menschen. Ein Betreuungsschlüssel von 1:80. Ein Betreuer für 80 Menschen. Und das auch nur von 09:00 bis 18:00 Uhr. „Den Rest übernimmt ein Sicherheitsdienst“. Wir erinnern uns…
Du siehts ja täglich, wie gut Integration funktionieren kann, wenn man ihren Ursprung nicht über Massenunterkünfte zu gebären versucht. Allein, dafür gibt unser Land nicht die Mittel aus. Obwohl die da wären. Das allerdings wäre mehr als nur sinnvoll – es wäre nötig – aber irgendwie scheint der ökonomische Gedanke da in den Amts- und Regierungsstuben Vorrang zu haben. Diese „Integration“, die paradoxerweise auch aus jenen gerne gefordert wird, wird eben aus diesen nicht sonderlich unterstützt. „Man tut dort halt, was man kann“, wird gesagt, was am Ende bedeutet, dass man nicht mehr tut, als für diese Menschen nötig ist. Aber immerhin können diese Menschen so überhaupt irgendwo hin und irgendwie exogenen Frieden finden, der endogene wird noch lange auf sich warten lassen, wenn er denn überhaupt irgendwann mal Einzug halten sollte. Wir haben keine Ahnung, was diese Menschen tatsächlich durchgemacht haben, um hier irgendwann in einem abgefuckten Containerdorf landen zu können.
Und du… Ausgerechnet du warst so blöde, zu glauben, dass es überall außer in ausgerechnet deiner Stadt so laufen würde, wie es in Dresden, MaHe, Dortmund, Hannover, Meck-Pomm oder Schneeberg oder überhaupt irgendwo anders halt so läuft. Dort, wo die von ausgemachten Fremdenfeinden Angeführten, ehemals ostdeutsche Parolen (Fickt euch dafür!) propagierend, auf die Straßen gehen und meinen, ja nur „besorgte Bürger“ sein zu wollen. „Sein zu wollen“ ist in diesem Kontext rhetorisch übrigens wichtig, weil sie es vielleicht auch wirklich gar nicht besser wissen. Weil sie davon ausgehen, ja nur Teil dieser „politischen Mitte“ zu sein, die man uns allen seit Jahren zu verkaufen versucht. Bei denen hat das halt gefruchtet. Dagegen hat ja aber leider auch kaum einer was zu tun versucht. Alle wollten schön bequem Teil der neuen „politischen Mitte“ sein. My ass.
Und so dachtest du halt, dass auch wenn es überall anders scheiße laufen würde, es in ausgerechnet „deiner Stadt“ aber irgendwie besser funktionieren würde. Weil du halt mal wieder davon ausgingst, dass in dieser Stadt fast alle so ticken würden, wie es eben du und deine Freunde so tun. Am Arsch. Fremdenfeindlichkeit und offener Rassismus kennt keine geographischen Grenzen, auch nicht in Potsdam. Und wenn du ehrlich bist, wusstest du genau das auch immer schon. Auf einmal aber verfliegt deine über die Jahre ach so schön eingerichtete Gemütlichkeit. Und es wird dir gar ein bisschen peinlich, weil du eigentlich ganz genau weißt, das es überall da draußen täglich genau so läuft. Dabei warst du mal einer derer, die bis vor kurzem noch meinten, „Seit den 90ern hat sich nichts geändert.“
Das alles, weil du die Facebook-Kommentare unter einer Gruppe gelesen hast, die sich primär um Fotos aus deiner Stadt bemüht und in der jemand ein Infoschreiben bzgl. eines geplanten Flüchtlingsheimes thematisierte und du kotzt dir nach diesen die Seele aus dem Leib.
Ein paar Auzüge:
Zum Glück gab es in dieser Gruppe auch viele der Gegenstimmen, die genau du in genau diesem Kontext erwartet hast. Aber es waren viel zu wenige.
Und trotzdem, Ronny, du warst in den letzten Monaten/Jahren ganz schön naiv, oder besser noch auch ganz schön doof. War ja bis hier auch irgendwie okay. Aber nun: Zeit, den Arsch mal wieder hochzukriegen. Für alle.
Arschlöcher reagieren auf den gewaltsamen Tod von Khalid Idress
In Dresden wird ein Flüchtling tot aufgefunden. Khalid war 20, stammte aus Eritrea, wollte arbeiten und deutsch lernen. Nachdem gestern noch davon ausgegangen wurde, dass es sich um einen natürlichen Tod ohne Fremdeinwirkung handelte, ermittelt mittlerweile die Dresdner Mordkommission.
Bisher ist völlig unklar, wie und durch wen es zu diesem Tötungsdelikt kam. Dass es in der Stadt geschah, in der wöchentlich Pegida demonstriert, kann natürlich schlichtweg ein Zufall sein.
Die Dresdener MOPO jedenfalls berichtete als eines der ersten Medien über den Tod des jungen Eritreers und teilte den Artikel dazu auf Facebook. Was dort dann mitunter an Kommentaren so einlief, holt einem ohne weiteres das Mittag und das Frühstück von heute Morgen hoch und gleich auch noch alles Gegessene der letzten 7 Tage. Diese wurden von der Reaktion mittlerweile gelöscht.
(Collage von No-Nazi.net)
Marcus Engert hat sich viele der Kommentare angetan und aus diesen diese Storify gemacht. Wie gesagt: nichts für schwache Nerven.
Ich finde die Formulierung mit „Pegida-Sympathisanten“ etwas unglücklich, denn ich weiß nicht, ob die das tatsächlich alle sind, auch wenn sich einige konkret auf Pegida beziehen. Viele dieser Menschen sind offenbar schlicht und einfach von Empathie freie oder/und/auch rasisstische Arschlöcher.