Kurz: die Presseabteilung der Bundesregierung veröffentlicht auf Facebook einen Beitrag zum Thema Fluchtbewegungen nach Europa.
Ich warte seit Wochen, wenn nicht gar seit Monaten auf ein echtes Statement der uns Regierenden zur Flüchtlingsdebatte. Das geht soweit, dass ich mir irgendwelche beschissenen Talk-Shows im TV ansehe, nur um endlich mal einen handfesten Kommentar dazu hören zu können. Kommt nicht.
Da sitzt dann höchstens mal der lackaffige CSU-General Andreas Scheuer und zündelt in konservativer Tradition mit dem Terminus „Wirtschaftsflüchtlingen, die es nicht geben dürfte“, obwohl er ganz genau wissen muss, dass es die geben darf, weil unser Recht es erstmal allen Flüchtlingen erlaubt, einen Asyl-Antrag zu stellen – ganz egal aus welchen Gründen. Dass diese von jenen, die er „Wirtschaftsflüchtlinge“ nennt, zu 99% Prozent ohnehin abgelehnt werden, erwähnt er nicht. Er würde sie nur gerne schon vor den Grenzen der EU abfertigen wollen. Vor einem Zaun, den sie gerade an der ungarischen Grenze hochziehen. Ausgerechnet Ungarn, dort wo der Zaun für flüchtende Ostler ’89 aufgeschnitten wurde.
Antrag -> Abweisung. Weil es schneller geht und uns hier nicht weiter belastet. Und weil es hier dann keiner sieht. Weil wenigstens das dann hier den uns Regierenden weniger Zugzwang bereitet. Weil Zugzwang, den mögen die nicht so. Deshalb haben sie sich ja auch einst auf eine Koalition mit der SPD eingelassen, die mittlerweile darüber nachdenkt, auf eine eigene Kanzlerkandidatur zu verzichten, weil das mit Angela für sie ja auch ganz gut funktioniert, irgendwie.
Ja, dieses Statement ist wichtig. Keine Frage.
Erlauben Sie uns eine persönliche Bitte: Vergessen wir nie, dass wir über Menschen sprechen. Menschen, die – so oder so – in einer für die meisten von uns unvorstellbar schwierigen Lebenssituation sind.
Aber es reicht keineswegs, dieses von der PR-Bude auf Facebook veröffentlichen zu lassen. Nein. Statements wie diese brauchen den Klang einer Stimme, die das von sich gibt, brauchen Gesichter und keine Rauten. Bis dahin bleiben sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der in der Sommersonne nichts abzukühlen vermag. Johnny findet das okay, und irgendwie hat er auch Recht, weil es endlich auf den Stein, den heißen, tröpfelt. Aber das reicht noch lange nicht zum Klatschen. Wir bräuchten gerade viel mehr. Sehr viel mehr. Und die Regierung schifft, so wie immer in den letzten Jahren, auch hier seicht durchs Gewässer und freut sich womöglich gar, dass der gesellschaftliche Blick ob dessen gerade von anderen, für ihn nicht weniger wichtigen Themen abgelenkt wird: „NSA, NSU, Griechenland, #Landesverrat, ALG2, BGE… war da noch was?“ Bis dahin zündeln Regierungsmitglieder wider besseren Wissens munter weiter und versuchen die erhitzen Gemüter auf ausgerechnet Facebook ein wenig abzukühlen. Eine klare Kante mit Gesicht fehlt nach wie vor. Weil Facebook eben nicht der Bundestag ist, in dem jene, die für FB-Beiträge wie diese bezahlen, ihre Gewissen beruhigen könnten, ohne wirklich Stellung beziehen zu müssen. Wenn dann mal einer wie Gysi nachfragt, verziehen sich jene, die FB-Beiträge wie diese in Auftrag geben, in die hinteren Reihen. Um irgendwelche vermeintlichen, wichtigeren Dinge zu besprechen.
Wenn wir uns hiermit wirklich zufrieden geben sollten, könnten wir alle auch einfach CDSU wählen. Aber wer will das schon? Ich nicht. Beides nicht. Mittelfinger hoch! Beide.
Ein Besuch bei den Hasspredigern aus Freital
Spiegel TV hat mal welche besucht, die ihre unterirdisch rassistischen Kommentare auf Facebook absondern und sie offline damit konfrontiert. Finde ich einen guten Move. Die eher nicht so.
https://youtu.be/SC13vKuRIjk
(Direktlink)
Passend dazu:
Aber auch die vermeintlich gefühlte Anonymität schützt Facebook-User nicht vor Konsequenzen. So wurde eine Altenpflegerin, die auf Facebook öffentlich damit gedroht hat, hilfsbedürftige Alte unter ihren Händen sterben zu lassen, aktuell von ihrem Arbeitgeber, der AWO Thüringen, gekündigt. Und kommt mir in dem Fall nicht mit „Meinung“!