(Regionalbahnhof Borkheide, Endboss)
Ich habe eine ziemlich lange Nacht hinter mir. Ich ging gestern um 22:00 Uhr im Berliner Umland arbeiten. Aufpassen, dass die ortsansässige Jugend eine Techno-Party im Dorf gut übersteht. Um kurz vor 05:00 Uhr heute Morgen machte ich Feierabend und ging zum dortigen Regionalbahnhof. Das Kaff hat wenigstens einen Bahnhof, was 40 Kilometer vor Berlin schon als Privileg durchgeht. Währenddessen quatschte ich mit dem Kollegen und auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig fuhr ein Zug ein und wieder aus. Wir quatschten weiter – war ja der andere Bahnsteig. Der Kollege ging und ich wunderte mich, wo denn nun mein Zug blieb, der eigentlich schon hätte kommen sollen. Kam aber nicht. Ansagen gab es keine und ich dachte, der würde dann wohl ausfallen. Das passiert manchmal da draußen. Manchmal kommt ein Zug halt einfach nicht. Sagt auch keiner was durch. Es war kalt, so um die 0 C°. Fuck. Immerhin hatte ich noch 88% Akku auf dem Phone. Genug, um sich damit ablenken zu können. Ich lass ein paar Artikel zu Fidel Castro und fror. Ich hasste – mal wieder – die Deutsche Bahn, was ich immer tue, wenn im Winter Züge nicht fahren, und fragte mich – mal wieder – wo all die beheizten Wartehallen hin sind, die ich aus meiner Kindheit noch kenne. Die alten Bahnhofsgebäude stehen da neben den Bahnhöfen so rum und hätten solche Räume, weil die genau dafür mal gedacht waren, aber sie vergammeln, diese Bahnhöfe, sind verbarrikadiert und bieten keine wärmende Obhut mehr. Schon lange nicht mehr. Rechnet sich wohl nicht. Ein paar dunkelblaue Schilder, die du nachts ohne Licht kaum sehen kannst – und am Licht spart man auch – und diese Lautsprecher, über die Infos aus irgendeiner, irgendwo sitzenden Zentrale kommen, sollen die alten, damals Wärme schenkenden Bahnhöfe ersetzen. Da stand dann immer noch eine Person hinterm Schalter, verkaufte Fahrscheine und wusste zu informieren.
Kann nicht mal irgendwer eine Fotoserie davon machen, wie all diese Wartesäle von damals heute so aussehen?! Bitte für den Tipp, gerne geschehen.“
Ich lief so auf und ab, fror, hasste die Deutsche Bahn. Dann, eine Stunde später, kam endlich der Zug, mit dem ich dachte fahren zu müssen. Dummerweise musste ich feststellen, dass dieser in genau die andere Richtung fuhr und ich Idiot seit einer Stunde auf dem falschen Bahnsteig auf meinen Zug wartete. Als ich das realisierte, dachte ich so, na dann mal fix auf die andere Seite rüber, dort müsste mein Zug genau jetzt einfahren. Was dann auch passierte. Allerdings schaffte ich es nicht mehr, denn dieser Gedanke überschnitt sich mit dem Einfahren des Zuges, der der meinige gewesen wäre. Als ich auf dem anderen Bahnsteig ankam, war der schon weg. Also noch eine Stunde warten. Ich hatte noch Akku, ich hatte immer noch ungelesene Artikel zu Fidel Castro, die alle irgendwie interessant und auch durchaus kontrovers waren. Ich lief also wieder auf und ab, fror und hasste nicht nur die Deutsche Bahn, sondern in dem Moment irgendwie alles. Dachte über Trump und die AfD nach, was irgendwie auch nichts wärmer machte – es war scheiße kalt. Ich hasste auch kurz die Infrastruktur, die junge Menschen aus Käffern wie diesen treibt, weil dort im Winter um diese Zeit irgendwie alles scheiße ist. Vor allem, wenn du endlich in dein Bett willst!
„Einer der Gründe, warum Kids das Ländliche verlassen: die völlig im Arsch seihende Infrastruktur. Züge fallen einfach mal weg und du musst eine Stunde auf den nächsten Zug in die Stadt warten, der dann vielleicht auch mal nicht kommt. Ohne, dass der bekloppte Lautsprecher auf dem Bahndamm darauf hinweisen würde. Wenn Du Glück hast. Kein Wunder also, dass die alle das Ländliche verlassen wollen, sobald die 18 sind. Weil hier draußen so gar nichts funktioniert und deshalb alles scheiße ist. Es ist so kalt hier draußen gerade.“
40 Minuten später kam dann endlich der Zug, der mich in meine Stadt bringen würde. Landeshauptstadt von Brandenburg, in der um diese Zeit dann schon wieder ein bisschen was fährt. Und wenn nicht – und wenn du Glück hast – bekommst du vielleicht ein Taxi. Ich wähnte mich in weniger als einer Stunde im Bett, stieg in den Zug, laberte den Zugbegleiter bezüglich eines Anschlussfahrscheins voll, den er nicht bezahlt haben wollte, setzte mich auf einen leeren „Vierer“ und genoss die Wärme, die mein Körper dankend aufzunehmen begann. Nach zwei Stunden des Frierens und der Warterei würde ich in 17 Minuten aus dem Zug in eine Straßenbahn steigen, dann an derer Endstation für 7 Minuten in einen Bus und kurz darauf ins Bett gehen können. Sonntag, nichts tun, nicht frieren, arschlecken. Dachte ich.
Gut 50 Minuten später wachte ich auf, als der Zug gerade aus dem Bahnhof Zoo in Berlin rausfuhr. Am Berliner Hauptbahnhof stieg ich aus und hasste alles Alles noch viel mehr als Alles zuvor. Was für eine Scheiße!
Ich Ticket bis Potsdam gezogen, postwendend zurück in den Regio und nach dorthin gestiegen, wo mich die Frau des Hauses mit einer Wärmflasche und frischen Brötchen empfing. Beste Frau der Welt. Odyssee beendet, mal eben vier Stunden für 40 Kilometer gebraucht. „Doller Morgen“.
Und das alles, nachdem ich gestern erst las, dass eine Studentin in Mainz besoffenen in einen Bus Jusos aus dem Saarland gestiegen ist und erst in Erfurt wieder aufwachte. Ich lachte da sehr drüber und bin am Ende froh darüber, heute Morgen nicht erst in Wünsdorf aufgewacht zu sein, was die Endstation meines Zuges gewesen wäre.
„Morgens um halb acht, etwa vier Stunden später, steuerte der Busfahrer einen Rastplatz in Erfurt an. Hier wollten die Jusos frühstücken, bevor es weiter nach Dresden ging. „Fuck, wo bin ich hier?“, schallte es plötzlich durch den Bus. Die Mainzerin war aufgewacht und merkte, dass sie nicht in ihrem Bett lag, sondern in einem Reisebus, rund 300 Kilometer entfernt davon. „Sie war total verkatert und wusste nicht, was abgeht“, erzählt Brück.“
(via Karolin)
Dabei war ich nicht mal besoffen! Nur müde, halb erfroren und genervt von allem.