Ich bin etwas erstaunt, dass nach dem Riesentheater um die Echo-Nomminierung von Frei.Wild im letzten Jahr, es in diesem so scheint, als wäre das für alle Beteiligten irgendwie okay und man irgendwie auch hofft, dass die Leute sich daran gewöhnen würden, was sie sicher ja auch tun. Drohten Bands wie MIA und Kraftklub im letzten Jahr noch damit, dieser Veranstaltung nicht beizuwohnen, sollten Frei.Wild tatsächlich eingeladen werden, geschieht in diesem Jahr genau gar nichts in diese Richtung. Für alle Nominierten scheint es klar zu gehen zu gehen, sich die Liste der Auszuzeichnenden mit den Patrioten-Rockern aus Südtirol zu teilen. Frei.Wild wurde im letzten Jahr dann wieder ausgeladen.
In diesem Jahr nun „hatten die Veranstalter einen Beirat gegründet. Das unabhängig besetzte Gremium soll künftig in Zweifelsfällen bei der Nominierung beziehungsweise Auszeichnung von Künstlern eingeschaltet werden.
In seiner ersten Entscheidung war der Beirat im Februar zu dem Schluss gekommen, das aktuelle Frei.Wild-Album „Still“ solle nicht von einer Nominierung ausgeschlossen werden, da „hier insgesamt die Grenze vom künstlerisch Vertretbaren zum gesellschaftlich völlig Unvertretbarem nicht überschritten sei“. (SZ) Damit hat man sich auch recht einfach aus der Verantwortung zu nehmen versucht. Nun sollte alles ruhig und gesittet ablaufen, Frei.Wild darf kommen.
Einigen allerdings ist das nicht ganz recht und so ruft Christoph Deckert, Basser von Jennifer Rostock, auf Facebook zu einem Boykott der Veranstaltung auf:
Vorsicht: Lang! Und: kein Hoeneß! Aber: Echo! Und: Frei.wild! Da steht ihr doch auch ein bisserl drauf!
Verehrte Musikanten und Musikantenwirtschaftende.
Was ist 2014 los mit euch?
Der Echo steht auf der Türschwelle und nahezu NIEMAND hat sich bis dato zu der Thematik geäußert, die noch letztes Jahr für einen Riesen#aufschrei sorgte. Weder Künstler noch Industrielle. Ja, es geht natürlich um die Nominierung unserer allseits beliebten blut- und bodenneutralen tiroler Partisanenkapelle.
Es ist mir bewusst, dass der Echo stumpfen und damit quasi wertneutralen Regularien gehorcht. Du verkaufst, du bist nominiert. Dementsprechend gewinnt im Normalfall die konsenstauglichste Belanglosigkeit. Wobei ich es generell für schlechtweg dumm halte, Verkaufszahlen als Maßstab zur qualitativen Bewertung von Musik heranzuziehen. Diese Praxis sollte dringend überdacht werden, damit „Deutschlands wichtigster Musikpreis“ tatsächlich irgendwann mal so etwas künstlerische Authentizität erlangen kann. Vielleicht könnte 2015 ein weiterer hochproduktiver Rat zu dieser Thematik tagen. Höhö. Ich schweife ab, zurück zum Thema: denn wie schon letztes Jahr gibt es auch 2014 eine Abweichung von Normalfall, nämlich Frei.wild. Das Argument, die Band käme aus Norditalien und sie in einer „nationalen“ Kategorie untergebracht zählt leider nicht, diverse Mitglieder sind wohl mittlerweile in Deutschland gemeldet. Also bleibt einem als logische Konsequenz nur der aus dem letzten Jahr antrainierte Usus: Man geht einfach nicht hin!
Wir, Jennifer Rostock, halten es für ausgeschlossen, einer Veranstaltung beizuwohnen, in der eine Band nominiert ist, die im letzten Jahr aus gutem Grunde ausgeschlossen wurde. Und zusätzlich den Preis verhöhnte, indem sie ihre -berechtigte- Absage zur Eigen-PR ausnutzte und es sich daraufhin in der ihr allseits beliebten Opfernische bequem machte. Es ist uns nicht nachvollziehbar, wie nach dem allgemeinen Aufruhr, der letztes Jahr im Zuge der Nominierung von Frei.wild herrschte, eine erneute Ernennung überhaupt in Betracht gezogen werden konnte.
Ist es euch das wert, euch stundenlang von einer schmierigen Laudatio zur nächsten zu quälen in der Hoffnung, dass euch die Kamera kurz beim Applaudieren einfängt? Das bisschen Aufmerksamkeit? Oder sind es Freigetränke? Oder weil eure „Freunde“ auch alle hingehen? Zeigt doch lieber Haltung! Nehmt der Veranstaltung ihre Relevanz! GEHT NICHT HIN!
Wir jedenfalls möchten in keiner medialen Berichterstattung rund um die Preisverleihung „auf Augenhöhe“ mit dieser Band erscheinen, nicht in die selben Kameras grinsen müssen und neutrale Miene zum bösen Spiel machen. Jeder andere Musiker sollte sich das ebenfalls ganz dringend durch den Kopf gehen lassen. Wir tolerieren nicht, dass diese Form von reaktionärer Nationaltümelei als ganz selbstverständlich in der Mitte der Gesellschaft akzeptiert wird.
Schade um den Freifusel auf der Party, aber ich wünsche allen anderen Beteiligten viel Spaß, ein dickes Fell oder einen Eingebung der Vernunft.
Shalömchen,
Christough // Jennifer Rostock
Gut, dass es manche ganz so still und leise dann doch nicht hinnehmen möchten. Ja.