Irgendwann im Sommer Mitte der 1990er hörten wir an einem Samstagabend wie so oft Marushas „Rave Satellite“, um daraufhin darüber zu entscheiden, auf welcher der von ihr empfohlenen Partys wir die Nacht zum Sonntag machen und wo wir diesen dann verbringen würden. An dem Abend war es ein Open Air in auf dem alten Flughafen in Neustadt Glewe, die 4. VooV Expirience. Ich schrieb da hier schon mal drüber.
Was ich dort zu sehen und vor allem zu erleben bekam, war anders als alles, was ich bis dato über Techno wusste. Techno war ab da mehr als Keller und Raves in irgendwelchen alten Hallen. Techno hatte auf einmal sehr viel mehr Liebe und vor allem etwas, von dem ich bis dahin noch gar nichts wusste: Spiritualität.
Ich war von dieser Nacht so dermaßen geflasht, dass es mit dem Tanzen nicht weit her war. Ich saß bis in die Mittagsstunden neben dem unfassbar bunten Dancefloor und sah den unfassbar glücklich aussehenden Menschen beim Feiern zu.
Ich blieb diesem von mir damals so geliebten Sound über 10 Jahre treu, bevor ich mich musikalisch dann umorientierte. Es waren absolut großartige Jahre mit absolut großartigen Menschen. An die muss ich gerade denken wenn ich dieses Video eines Goa Open Airs aus dem Jahr 1999 sehe. Es war die Vaikunta, irgendwo in Mecklenburg Vorpommern mit einem recht feinem Line Up, wie die Goabase weiß.
Während ich vorhin gerade Pho kochte, räumte die FraudesHauses im Keller auf und befördert dabei bisschen lange im Dunkel gebliebenen Goldstaub ans Tageslicht. Dutzende vor 20 Jahren gebrannter CDs, die voll mit Psytrance jeglicher Couleur sind. Dem Sound, den ich damals liebte und auch spielte. Wusste gar nicht, dass die noch da sind, aber nun hab ich sie vor mir und schwelge bisschen in Erinnerungen.
Beatport und irgendwelche Streaming-Dienste waren damals nicht mehr als eine Zukunft, von der wir noch nicht mal die kleinste Ahnung haben konnten. Dieser Sound war zu der Zeit allerdings schon so perfekt digital, dass jeder Versuch, ihn auf Platte zu pressen, ihn kaputt gemacht hätte, weshalb es ihn eigentlich nur auf CD gab – und die waren teuer. Wir hatten kein Geld, aber wir hatten eMule und manchmal leere Festplatten. Die dann meistens nicht lange.
Controller waren noch kein Ding, USB-Sticks an CD-Playern eh nicht, weshalb wir dann alles alles auf CDs brannten, um es an den Wochenenden in irgendwelchen Clubs zu zocken. Wobei wir sie dafür sehr liebevoll beschrifteten. War geil, wild war es eh – und ich hoffe, dass keiner der Künstler*innen ob unserer sparsamen Download-Mentalität verhungern musste. Ernsthaft. Sorry dafür.
Vieles davon gibt es bis heute nicht im Streaming, was ich ganz geil finde, weil ich es in dieser Tasche dennoch für mich aufbewahren konnte. Ein paar damals gemachter Mixe sind auch bei. Ich weiß nicht, ob die Daten nach 20 Jahren überhaupt noch lesbar sind und habe eh keinen CD-Player mehr, der sie spielen könnte, aber ich werde einen finden. Und vielleicht (sehr wahrscheinlich gar) haue ich dann demnächst ein paar 20 Jahre alte Psytrance-Mixe von mir auf SoundCloud raus.
Und olle Pilze waren auch dabei. Traue ich mich allerdings auch nicht mehr ran. Wohl dem.
DJ „Kid“ Jonas, der heute als Goa Jonas immer noch hinter den Pulten dieser Welt steht, spielte hier auf einer Party im Disco Valley, Vagator, Goa, 1998. Bei Lauter.de haben sie unabhängig vom Video ein Interview mit dem heute 34-Jährigen.
Ich habe damals zuhause monatelang jeden Tag Mixen geübt – wohlgemerkt mit D.A.T. Kassetten, welche damals in Goa der DJ-Standard waren. Anfangs hatte ich mit ihm auch zusammen aufgelegt, bis ich meine eigenen Kassetten-Kollektion aufgebaut hatte. Mein erster Gig war mit Christian in der Shore Bar Ende 1995 am Strand in Goa. Kurz danach folgten dann auch meine ersten Partys, bei denen ich aber wegen meines Alters von zwölf Jahren immer nur ganz am Anfang oder früh am Morgen aufgelegt habe.
Psy-Trance im England der 90er Jahre. Channel 4 hatte versucht, das mal etwas näher zu beleuchten. Mit dabei: Simon Posford, Raja Ram, James Monro, Chris Deckker, Martin „Youth“ Glover, Dominic Lamb, George Barker und Ott. Ganz englisch eben und in Europa war England damals mit dem Sound halt initialzündend.
Bis Mitte der 90er schlug mein musikalisches Herz ganz für den Techno, den ich aus Kellern wie dem Tresor oder aus Hallen wie dem E-Werk kannte. Gerne auch größer, wie in denen der alten Hanomag-Hallen in Hanover. Wir verbrachten unsere Wochenenden damit quer durchs Land zu fahren, um auf irgendwelche Raves oder in irgendwelche Clubs zu gehen. Tanzen, tanzen, tanzen.
Im 1995 trafen wir uns abends und hatten noch keinen Plan, was wir mit der Nacht und dem folgenden Sonntag so anstellen würden. Im Radio lief Marushas „Rave Satellite“ und sie verlas die Veranstaltungshinweise. Nichts kickte uns so richtig, aber sie sprach von einem Open Air Festival auf dem alten Flughafen in Neustadt-Glewe, der VooV Experience 4. Wir entschlossen uns, dorthin zu fahren.
Was ich dort zu sehen und vor allem zu erleben bekam, war anders als alles, was ich bis dato über Techno wusste. Techno war ab da mehr als Keller und Raves in irgendwelchen alten Hallen. Techno hatte auf einmal sehr viel mehr Liebe und vor allem etwas, von dem ich bis dahin noch gar nichts wusste: Spiritualität.
Ich war von dieser Nacht so dermaßen geflasht, dass es mit dem Tanzen nicht weit her war. Ich saß bis in die Mittagsstunden neben dem unfassbar bunten Dancefloor und sah den unfassbar glücklich aussehenden Menschen beim Feiern zu.
Kurz darauf kaufte ich mir Electric Universes Album One Love, das 1995 auf Antaros Label Spirit Zone erschien. Mit diesem im MiniDisc Player lief ich eines Morgens mit Blick auf den S-Bahnhof Landsberger Allee über eine Brücke. Die Sonne ging gerade auf und ich hätte die ganze Welt umarmen können. Das, was ich da hörte, war für mich pures akustisches Glück. Mindestens. Von da an wusste ich, dass Techno noch sehr viel mehr für mich übrig haben würde, als ich bisher annahm. Dieses Album war eine echte Offenbarung und sorgte dafür, dass ich mich über 10 Jahre lang der Psytrance-Szene widmete. Alles, was wir ab dort taten, taten wir in irgendeinem Kontext zum Psytrance. Zeichnen, schreiben, malen, irgendwie anders künstlerisch tätig werden: alles war irgendwie Psytrance. Immer.
Die Sommer der folgenden Jahre verbrachten wir auf dutzenden Psytrance-Festivals. Jemand mit dem Namen Agonda Film hat einige Videos der großen Goa Open Airs zum Ende der 90er Jahre auf einen YouTube-Channel geladen, die mich ganz wunderbar nostalgisch machen. Die Qualität der Nachtaufnahmen ist natürlich nicht so der Knaller, aber wer konnte damals schon wissen, dass wir uns das 20 Jahre später auf einer Video-Plattform im Internet nochmal angucken könnten.
Das klang dann so – und ich habe locker hiervon die Hälfte der gespielten Tracks auf Vinyl im Keller stehen. Hach, so einen Mix könnte man auch mal wieder machen.
Über Goa in den frühen 90ern habe ich hier schon öfter mal geschrieben. Piers Ciappara hat jetzt Videomaterial von sich hochgeladen, welches er auf Parties in Goa im Jahr 1983 aufgenommen hat.
Kurzer Beitrag von arte Tracks, der sich dem aktuellen Partygeschehen in Goa widmet. Kaum noch was scheint übrig geblieben von der überdrehten Hippie-Ära und dem damit verbundenen Spirit. Aber so ganz tot bekommt man diesen dann doch nicht, auch wenn man ein wenig danach suchen muss.
Rund 3 Millionen Touristen kommen jährlich in den kleinsten Bundesstaat Indiens, wo in den 60er Jahren die ersten Hippies feierten und die Trancemusik erfanden. Heute landen in der ehemaligen Hochburg von Peace & Love nur noch internationale Privatjets. An Bord sind vor allem Russen, finanzstarke Investoren und die neue indische Oberschicht.
Doch nun versuchen ein paar junge indische DJs, Goas goldenes Zeitalter wieder aufleben zu lassen. Weil Open-Air-Konzerte nach 22 Uhr verboten sind, organisiert DJ Starling, wie schon sein Vater, nachmittägliche Ravepartys zwischen 16 und 21:55 Uhr; DJ Cacophonix wiederum pflegt die Tradition der Free-Partys im Wald.
So rückblickend ist das eines der wenigen Dinge, die ich neben Woodstock, einem Marley- und einem Ton Steine Scherben-Konzert gerne miterlebt hätte, was zum einen aufgrund meines Alters und zum anderen meiner damals anders gesetzten Prioritäten, nicht möglich war. So eine Strandparty in Goa während der frühen 90er wäre ganz sicher ein ganz besonderes Ereignis gewesen.
Und weil Adrian das weiß, schickte er mir eben eine Mail mit diesem Video, aufgenommen 1992 in Maharashtra, Goa.
When in Goa it was impossible to have a party, the tribes moved to Maharashtra. It did not work for long, soon also there the police was stopping the parties, but we had a few memorable ones. This is a video of the Holi Party (march 1992). Camera work by Hein. Editing by Iris.
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