Wir alle erinnern uns noch ziemlich lebhaft an die Diskussionen, die es im letzten Jahr gab, weil die Jammerpatrioten von Frei.Wild in der Kategorie “Rock / Alternative National” für den Echo nominiert und eingeladen wurden. Ich erinnere mich ziemlich genau daran, weil ich einen Artikel darüber und wohl nie vorher soviele Knüppel im Blog hatte, ja.
Die Hosenträgerrocker von „Kraftklub“ sagten damals ihre Teilnahme ab, weil die mit einer Band wie Frei.Wild nicht zusammen auf der Nominierungsbühne genannt, bzw. gesehen wollen wollten. Sie waren nicht die einzigen, andere Bands zogen nach. Mia oder Die Ärzte hatten auch keinen Bock mehr. Es gab allerhand mediale Kloppe für die Echo-Veranstalter – wir erinnern uns, ich weiß.
Aufgrund eben dieser Aufregung zogen die Veranstalter des Echos, „musikindustrie.de“ (sic!), die Reißleine und luden Frei.Wild kurzerhand wieder aus. Musikindustrie.de (sic!) kündigte daraufhin an, etwas am Regelwerk ändern zu wollen, um eben nicht noch einmal so dermaßen auf die Fresse fallen zu wollen. War ja aber auch alles furchtbar peinlich für fast alle Beteiligten. Auch wenn es Frei.Wild noch mehr Schub gegeben haben dürfte. Die „Wir hier unten – ihr da oben“-Fans mögen es, wenn das Geheule der von ihr favorisierten Band immer wieder medial ausgeschlachtet wird. Das bestätigt nur die kruden Thesen, die ihre Band aus den Verstärkern zu pumpen nicht müde wird.
Ende letzten Jahres veröffentlichte die Südtiroler „wir sind nur ‚Patrioten‘-Combo“ dann ihr Album „Still“. Ich erinnere mich im Bus gesessen zu haben, als einer mit der gerade frisch gekauften Deluxe-Edition Box sich vor mich setzte, und ich dachte, „Ja, wenn sie nur das endlich mal auch wären, still.“ Aber so war wohl ihr Plan nicht. Die Platte verkaufte sich bombig und platzierte sich für eine Woche auf Platz 1 der Deutschen Charts (Musikindustrie.de und so). Frei.Wild machte mit einem Song noch eine auf die Tränendrüse drückende Charity Nummer und das Ding lief. Sehr gut sogar. Es war zu erwarten, dass musikindustrie.de sich auch in diesem Jahr wieder einmal mit dem Thema auseinander setzen müsste. Und das taten sie. Vorsorglich hatten sie nun einen „externen Beirat“ in ihrem Regelwerk verankert, der dafür sorgen sollte so derartige Problem-Fälle wie eben Frei.Wild genauer zu beleuchten, bevor die Nominierungen dann auch offiziell öffentlich gemacht werden sollten. Dieser setzte sich letzte Woche zusammen und beratschlagte sich „sachlich“ fünf Tage lang darüber, wie es denn jetzt im Fall Frei.Wild (so haben die das natürlich nicht gesagt) perspektivisch laufen sollte.
Prof. Dieter Gorny, Vorstandvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie:
„In der sehr emotionalen Debatte des vergangenen Jahres haben wir erlebt, dass die Grenzen zwischen gesellschaftlichen Normen und künstlerischer Freiheit fließend verlaufen und wir uns in einem Spannungsfeld bewegen, das für einen Musikpreis eine große Herausforderung und Verantwortung bedeutet. Aus diesem Grund haben wir in unserem Regelwerk nunmehr einen ECHO-Beirat verankert und damit eine außenstehende Instanz, die uns in Zweifelsfragen berät und mit dazu beitragen wird, dass kritische Diskussionen auf einer sachlichen Ebene geführt werden können.“
Man könnte fast meinen, die haben die Verantwortlichkeit dafür jetzt nicht mehr bei sich lassen, sondern auf eben jenen Beirat abschieben wollen, aber so haben die das sicher nicht gemeint. *hust*
Und der Beirat hat entschieden: Frei.Wilds Patrioten-Gejammer darf nun im Jahr 2014 ganz offiziell für den Echo nominiert sein.
Nach der Gründung eines neutralen und unabhängigen Beirats, der in Zweifelsfällen hinsichtlich der Nominierung bzw. Auszeichnung von Künstlern beim Musikpreis ECHO vom Vorstand des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) eingeschaltet werden kann, hat der neue ECHO Beirat im Zuge der aktuellen Prüfung des Albums „Still“ der Band Frei.Wild folgenden Entschluss gefasst:
„Der ECHO Beirat hat nach langer und intensiver Diskussion und Abwägung aller Gesichtspunkte in seiner Sitzung am 19. Februar 2014 einstimmig beschlossen, dass die Künstler „Frei.Wild“ mit dem Album „Still“ nicht von einer Nominierung im Rahmen des „ECHO – Deutscher Musikpreis“ ausgeschlossen werden sollen.
Der ECHO Beirat hat die Künstler „Frei.Wild“ mit ihrem Tonträger „Still“ im aktuellen Gesamtkontext bewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass hier insgesamt die Grenze vom künstlerisch Vertretbaren zum gesellschaftlich völlig Unvertretbarem nicht überschritten sei. Er findet sich in seiner Auffassung bestätigt, da die aktuellen Tonaufnahmen der Künstler von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nicht indiziert sind und auch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft für die Filmanteile des Produkts „Still“ eine Altersfreigabe ab 12 Jahren erteilt hat.“
Helene Fischer wird nun das moderieren, was der Deutsche im Jahr 2013 zu kaufen bereit war (Helene Fischer!) und was musikindustrie.de genau deshalb als auszeichnungswürdig ansieht. Weitere Nominierungen sind bisher nicht bekannt, aber das Frei.Wild in diesem Jahr dabei sein soll haben die Echo-Macher hiermit schon mal klar gemacht. Mal gucken, wer sich dann dort neben denen auf der von musikindustrie.de gestellten Bühne noch verheizen lassen mag. Ich mach mal Popcorn warm, da gibt es ganz sicher auch in diesem Jahr wieder Gegenwind in die Echo-Segel.
Und vielleicht kaufen wir einfach nur gute Musik ohne Gejammer und patriotische Attitüde, denn:
Finden die Fans auch doof: Frei.Wild wollen jetzt endgültig und in echt ganz wirklich nicht mehr für Nazis spielen
Ich mag Frei.Wild nicht. Mir geht das patriotische Gejammer auf den Saque und ich finde die Musik beschissen. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.
Allerdings mag ich die Debatte, die sich seit Jahren um Frei.Wild aufgebaut hat und habe diese hier auch gerne begleitet. Da kam so einiges an lustigen Kommentaren zusammen. Besonders bei dem Theater um die Echo-Verleihungen.
Aktuell nahm ich wahr, das ausgerechnet Klaus Farin, den ich mal schätzte, ein Buch über die Südtiroler geschrieben hat, in dem er sie als „konservative Antifaschisten“ zu verkaufen versucht. Ging offenbar ein wenig nach hinten los – und nachdem, was ich dazu gelesen hatte, wohl das auch zurecht. Da war der angesetzte Gig auf dem Reeperbahn Festival, der dann gecancelt wurde. Und so weiter und so weiter.
Vielleicht haben die Freiwildernden endgültig genug von derlei Eskapaden und veröffentlichten heute ein Statement, das „klare Kante“ gegen AfDler und Pegidioten rüberbringen will, und sich solidarisch für Flüchtlinge ausspricht.
Wie fast immer in jenen Kreisen mit der klemmenden Taste des Ausrufezeichens !!! Inklusive Leerzeichen davor, versteht sich. Nun gut.
Ja, man kann das als Marketing-Move verstehen wollen. Ich habe keine Ahnung, was genau Frei.Wild zu diesem Schritt bewegt hat. Ich werde die Musik dennoch beschissen finden und das patriotische Gejammer wird mir auch weiterhin gepflegt auf den Saque gehen. Genau wie ich Til Schweiger trotz seines ganz persönlichen Einsatzes für ein Flüchtlingsheim trotzdem noch voll blöde finden kann.
Schön hieran allerdings ist die sich daraus jetzt ergebende Facebook-Debatte der Frei.Wild Fans, von denen mir manche seit Jahren in den Ohren liegen, dass die Südtiroler Patridioten ja keine Nazis wären. Jetzt, wo es um eine ziemlich deutliche Distanzierung von den Fremdenfeinden geht, finden die das auch wieder nicht richtig und irgendwie alles doof. Sogar „Dislikes“ wurden als Sanktion darauf umgesetzt. Haha!
Ich habe das heute nur am Rande mitbekommen und nur wenige der noch verbleibenden Kommentare screenshoten können – die ganz krassen Hater-Comments werden wohl gelöscht. Schneller als bei mir, ey!
Hier ein kleine Auswahl von Kommentaren, die das Statement jetzt auch irgendwie doof finden. „Wir waren ja nie Nazis, aber wenn wir jetzt sagen, dass wir keine sind, ist das auch irgendwie blöde!“ Oder so ähnlich. Im Hinblick auf die Kommentare der letzten Jahre ist das pures Internet-Debatten-Gold.
Aber es gibt tatsächlich so etwas wie vernünftige Stimmen.