Kurzer Nachtrag zum 70. Geburtstag von Rio Reiser: ein Feature über die beiden Konzerte, die Rio im Oktober 1988 in der Ostberliner Werner-Seelenbinder-Halle gegeben hat. Der einstige Ton Steine Scherben Frontmann in der DDR. Da wäre ich so was von gerne dabei gewesen, war aber schlichtweg noch zu jung, um abends auf Konzerte zu gehen. So blieb mir später nur das Doppelalbum, das bis heute zu den wichtigsten zählt, die ich je gekauft habe. Immer noch und immer wieder Gänsehaut. Was für unbeschreibliche Momente, die die Menschen dort geteilt haben dürften. Wahnsinn.
Einen Kommentar hinterlassenUnd dann, nach der Umbaupause, endlich: Grüner Nebel, blaue Scheinwerfer, und heraus tritt lächelnd ein schmaler Mann in Röhrenjeans und Sakko, eine Schiebermütze auf dem Kopf: Rio Reiser! Links neben ihm im weißen Hemd, Strohhut und Gitarre: Lanrue. Die beiden, die das Herz von „Ton, Steine, Scherben“ gewesen waren, die „Keine Macht für niemand“ und „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ gesungen hatten, hier in der piefigen Republik der alten Männer! Die Fans singen jede Zeile mit, tanzen, manche mit Tränen in den Augen, schwenken schwarz-rote Anarcho-Fahnen. Rio beginnt mit „Alles Lüge“. Ein Spaßsong, gewiss, aber in der DDR ist nichts nur Spaß, hier kann man nicht „Alles Lüge“ singen, ohne dass sich das Publikum seinen Teil dazu denkt.