Ich war 13 als die Mauer fiel und wuchs in einem Kaff in Brandenburg auf. Um mich herum mutierten sehr, sehr viel Menschen innerhalb von ein paar Jahren zu strammen Faschos. Rechtsradikalismus war _die_ Jugendkultur im Osten. Jene, die nicht daran teilnehmen wollen, lebten in Angst, kassierten Schläge und mussten im besten Fall schneller rennen können, als die Gangs in Bomberjacken und Martens. Mir gelang das meistens. Die Tage, Wochen, Monate, Jahre waren geprägt von Angst. Mit 17 hatte ich die Fresse voll und zog nach Berlin Schöneberg. Ab dort fühlte sich das alles deutlich besser an. Es sei denn ich musste mit meinen bunten Haaren mal nach Marzahn, Hellersdorf oder wieder in irgendein Kaff im Osten. Da blieb die Angst. Und ich kann sie auch heute hin und wieder nochmal fühlen, wenn ich im Antifa-Shirt in Sachsen unterwegs bin. So richtig wird das wohl nie ganz weggehen.
Die Doku „Aufgewachsen unter Glatzen“ zeigt, dass es mir nicht allein so ging. Es war im Osten schlicht Normalität. Und irgendwie guckten alle weg. Die Nachbarn, die Cops, die Politik.
3sat hat die zweitteilige Doku im Stream und ich finde die verdammt sehenswert.
Aufgewachsen unter Glatzen (1/2) – Landschaften der Angst
30 Jahre nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen im August 1992 widmet sich eine zweiteilige TV-Dokumentation der Nachwendegewalt und dem eklatanten Staatsversagen, das die „Baseballschlägerjahre“ möglich gemacht hat.
Aufgewachsen unter Glatzen (2/2) – Das Erbe der Baseballschlägerjahre
Ob Opfer, Täter oder Mitläufer damals – die Protagonisten dieser Doku wollen alle das Gleiche: Sie alle wollen, dass endlich Klartext darüber geredet wird, was in den sogenannten Baseballschlägerjahren wirklich passierte. Damals als sie groß wurden.