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81 Suchergebnisse für "Berlin, Stadt der Liebe"

Adventskalender 2018, Türchen #09: Das Kraftfutterhitwerk – Hitgarage

Neulich haben zwei sehr liebe Menschen ihren 10. Hochzeitstag in einem alten, in der DDR gebauten Bungalowdorf in Berlin gefeiert. Sie fragten mich vorher, ob ich was der Musik für sie tun könnte. Anlagen, DJs, diesdas. Ich sagte sofort ja. Und weil die beiden so lieb sind, habe ich ihnen etwas angeboten, was ich vorher noch nie tat: wir könnten bei ihnen die Musik für alle spielen.

Ich sage so etwas immer ab, weil ich nie Musik für alle gespielt habe, das eigentlich auch nie wollte, nicht kann und immer sehr Genre-orientiert auflege. Nur: nur House, Techno, Dub oder Downbeats funktioniert nun mal nicht, wenn man Eltern, Familie und Freunde einlädt. Habe ich leider schon erfahren müssen. War nicht ganz so geil. Die mögen halt alle unterschiedliche Musik. Irgendwie alles eben. Samt der kleinen Peinlichkeiten, die man der „Credibility“ wegen und so sonst nicht spielt. Sie wissen schon.

Weil ich Jörg aber schon lange sehr gerne mag, habe ich die „Credibility“ mal außen vor gelassen, zwei PAs eingepackt und eine Playlist voller – mitunter – peinlicher Popschweinereien, die mein Leben begleitet haben und die ich dennoch nie auf einem Dancefloor gespielt habe. Und den Rudi natürlich. Weil, wenn man so eine Nummer macht, dann nur mit den Besten. Und deren Popschweinereien.Die Frau des Hauses war mit, beide Kinder und überhaupt sollte für alle und jeden was dabei sein.

Und so spielten Rudi und ich fast sechs Stunden lang mal mehr, mal weniger Poppiges. Und Trettmann. Den nicht nur für die Große. Wir nahmen sogar(!) Wünsche entgegen und erfüllten diese (Phil Collins). Wie so Dorfdisko-DJs! (Nichts gegen Dorfdisko-DJs! Die machen einen guten Job, wie ich seit dieser Nacht weiß.) Nur eines gab es nicht: Schlager. Weil da hört der Spaß nun wirklich auf.

Das ist kein Mix im klassischen Sinne, eher ein Mixtape, wie man es früher mal aufgenommen hat, um die Mädels mit seinem Musikgeschmack zu beeindrucken. Mit Höhen und Tiefen. Und mit akustischen Löchern, die dabei entstehen, wenn man den Fader runterzieht, um all die Mitsingenden sich selber zu überlassen. Wie so Dorfdisko-DJs! Hihi.

Und so haben wir hier über fünf Stunden Musik, die Rudi und mich irgendwie sozialisiert haben, ohne dabei allumfassend zu sein. Was sind bei all den Jahren schon fünf Stunden. Und einen Mix, den wir so nie wieder spielen, geschweige denn so aufnehmen werden. Ein definitives Unikat.

Rudis Fazit am Morgen danach:

Und ja, das machen wir wirklich nie wieder. Genießt es.


(Direkt-Playlist)

Style: Hitgarage
Length: 05:30 +
Quality: 256 kBit/s

Tracklist: (Danke Marc, danke, Martin!)
Part 1

Belinda Carlisle – heaven is a place on earth
INXS – Mystify
Beasty Boys – fight for your right
Queen – under pressure
Midnight oil – beds are burning
Marius Müller Westernhagen – sexy
The Clash – rock the casbah
Blondie – call me
Madness – our house
Cindy Lauper – she bop
Anne Clark – our darkness
The B-52‘s – love shack
New Order – blue Monday
Phil Collins – in the air tonight
The Jackson 5 – i want you back
ZZ Top – gimme all your lovin‘
Mikolas Josef – lie to me
MC Hammer – can‘t touch this
Run DMC vs. Jason Nevins – it‘s like that
Whitney Houston – i wanna dance with somebody
Pat Benatar – love is a battlefield
Christina Aguilera & Lil‘ Kim & Mya & P!nk – Lady Marmalade
TLC – creep
Donna Summer – i feel love
Gianna Nannini – i maschi
The Cure – Friday i‘m in love
Seed – ding
Prince – sexy m.f.
Mark Ronson ft. Bruno Mars – uptown funk
Blondie – maria
Foschmob – susanne zur freiheit
Audio88 & Yassin – schellen
Trettmann – knöcheltief
Nirvana – come as you are
Blur – somg2
Foto Fighters – these days
The Clash – should I stay or should I go
Ramones – sheena is a punk rocker
Earth, wind and fire – september
Kohl & the Gang – jungle boogie
Dusty Springfield – son of a preacher man
Rio Reiser – für immer und Dich
Radiohead – creep
Pixies – where is my mind
Joy Division – love will tear us apart
Kim Wilde – kids in america
The Police – sos
France Gall – ella, ella
4 non Blondes – what‘s up?
No Doubt – don‘t speak
The Smashing Pumpkins – 1979
Kettcar – Sommer ‚89

Part 2

Prince – 1999
Dow’s ft. Sio – forbidden
Twill & Mr. Maiki – Beuzz (Bastian Schuster Remix)
The Ground & Florian Kruse & Hendrik Burkhard – kingdom of Crumbling Walls
Talking Heads – burning down the house
Don Henley – the boys of summer
Roxy Music – Virginia plain
Paul Simon – you can call me al
David Bowie – modern love
Fischmob – du, (äh, du)
Fettes Brot – jein
Die Fantastischen Vier – hammer
Warren G. – regulate
Die Fantastischen Vier – tag am meer
Goldroger – mk ultra
Goldroger – zauberberg
Goldroger – bemale den mond
OK Kid – bombay calling
OK Kid – ich kann alles
Feine Sahne Fischfilet – ich glaube dir
Feine Sahne Fischfilet – zurück in unserer stadt
Feine Sahne Fischfilet – komplett im arsch
K.I.Z. – amg mercedes
K.I.Z. – hurra die welt geht unter
VSK – keine angst
House of Pain – jump around
Bob Marley – could you be loved
Drake – hotline bling
Disclosure & Eliza Doolittle – you & me
Gorillaz – stylo
U2 – lemon
The Streets – on the edge of a cliff
The Streets – I love you more

Alle der diesjährigen Kalendermixe finden sich hier. Das Cover-Foto ist von jplenio.

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Arte-Doku: Reparieren wird belohnt – Weiternutzen statt wegwerfen

Als Kinder im Osten wussten wir von Berlin-nahen Müllkippen, die die Berliner Stadtreinigung des Westens nutzte, um ihren Müll gegen Devisen im Osten abladen zu können. Die Plätze waren gut gesichert, denn dort sollten sich lieber keine Bürger der DDR rumtreiben, um vielleicht noch Brauchbares aus dem Westen für sich mitzunehmen. Hin und wieder gelang es doch irgendwem, sich nachts Zugang zu verschaffen und für unsere Verhältnisse wahrhafte Schätze bergen zu können. Gerade technische Exponate waren sehr gefragt, den einiges davon funktionierte uneingeschränkt. Wir fragten uns damals, warum Leute etwas wegschmeißen würden, was noch funktionieren würde. „Wegwerfgesellschaft und so“, damit beantworteten wir uns diese Frage und waren alle davon überzeugt, dass uns so etwas nie widerfahren würde. Zumal im Osten immer alles irgendwie repariert wurde – auch weil es halt einfach weniger gab.

Heute erwische ich mich dann doch schon mal dabei, etwas wegzuwerfen, was eigentlich noch einwandfrei funktioniert, aber durch Neues ersetzt wird. Eigentlich grundfalsch, wie ich ja weiß. Ein bewusster Umgang damit, der in der Summe natürlich ein viel größeres Problem als nur das in der eigenen Tonne darstellt, tut dringend Not – und da gibt es aktuell ganz gute Ansätze, wie diese Arte-Doku zeigt.

Lieber kaufen statt reparieren? Elektrogeräte sind reine Wegwerfartikel geworden. Gegen diesen Trend stemmen sich immer mehr Menschen. Sie fordern das Recht auf Reparatur. Detlef Vangerow weiß aus Erfahrung: Viele Geräte könnte man reparieren und weiter benutzen.

Detlef Vangerow aus Reutlingen ist sauer. In einem Wertstoff-Container findet er statt Schrott häufig Elektrogeräte, die funktionieren oder nur leicht beschädigt sind: Staubsauger, Küchenmixer, Radios. „Wie weit ist es gekommen, dass wir so etwas wegwerfen?“, fragt er. Deshalb hat er ein Unternehmen gegründet, das „Reparateure“ ausbildet und mithilft, den alten Geräten zu mehr Lebenszeit zu verhelfen – oder sie sogar „besser als neu“ zu machen. Röhrenradios aus grauer Vorzeit mit Musik-WLAN, Waschmaschinen mit Handysteuerung – alles ist denkbar. Von einer „Reparatur-Revolution“ würde auch die Wirtschaft profitieren. Laut einer Studie von 2016, die von der Unternehmensberatung Mc Kinsey miterstellt wurde, könnte die Wirtschaft bis 2030 jährlich um 0,3 Prozent schneller wachsen, wenn Rohstoffe möglichst lange genutzt werden. Eine längere Nutzungsdauer von Elektrogeräten hätte auch positive Auswirkungen auf die Umwelt: Viele Rohstoffe, die in den Geräten verbaut werden, sind knapp, die Entsorgung ist schwierig.

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Das Land Brandenburg hat jetzt einen Imagefilm

(Einfach leben – nackt und mit Ente)

Das Land Brandenburg mag sich von dem Image lösen, das nicht nur Rainald Grebe für es gezimmert hat. Dafür sind natürlich auch die Brandenburger selbst verantwortlich, die laut Studie die zweitunglücklichsten Bundesbürger sind. Noch unglücklicher ist man wohl nur in Sachsen-Anhalt, was mich nicht sonderlich überrascht. Beides nicht.

Nun will sich Brandenburg als Land der Einfachheit präsentieren und macht das erstmal damit, in dem es sich als Gegenentwurf zur stressigen Hauptstadt darstellt. Keine Ahnung, ob das jetzt noch mehr Berliner davon überzeugen kann, doch lieber nach Brandenburg zu ziehen. Genug Ex-Berliner sind ja schon hier. Ich weiß auch nicht, ob mich das als Berliner irgendwie anmachen würde, aber muss auch nicht – ich bin ja schon hier und fühle mich hier sehr wohl.

Es ist Zeit für mehr einfach. Für einfach genug Platz, die eigene Zukunft zu gestalten. Für einfach gut leben, wohnen, aufwachsen, lernen und arbeiten. Ohne Enge, einfach fern von Hektik und Stress. Einfach nah an der Natur und enger verbunden mit den Menschen, die einem wichtig sind. Die einfachsten Dinge im Leben sind oft die wichtigsten. Warum woanders wohnen? Ab Mai zeigt Brandenburg neue Seiten.

Na da bin ich mal gespannt.


(Direktlink)

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Von einem, der zum ersten Mal da war: Ganesh über das Burning Man

Jens und seine Spacebar, die er als „Ganesh“ betreibt, kennt man hier in Berlin mindestens seit der Hirschbar. Das ist gut 20 Jahre her. Aber auch außerhalb Berlins dürfte er uns seine Bar zumindest den Goaheads ein Begriff sein.

Wir sind uns in den letzten 20 Jahren, ohne uns zu kennen, locker 200 Mal über den Weg gelaufen und haben das vor zwei Jahren dann mal nachgeholt, dieses Kennenlernen. Seitdem sind wir sozial vernetzwerkt und lesen uns dort.

Ganesh war in diesem Jahr nun zum ersten Mal auf dem Burning Man und hat auf FB darüber geschrieben. Ich mag den Text sehr, weil so schön euphorisch ist. So alles Neue in sich aufnehmen wollend. So wie das hier halt früher mal war, wenn man ein neues Psy-Festival besucht hat, das man vorher nicht kannte. Und weil ich den Text so mag, habe ich Ganesh gefragt, ob ich den hier in seinem Namen veröffentlichen darf. Darf ich.

So kann es sich lesen, wenn jemand zum ersten Mal Gast auf dem Burning Man war. Ich glaube, er hatte Spaß. Und ich weiß, dass er schon verdammt viele Festivals gesehen hat.

Ganesh:

Ohne Frage habe ich das tollste und wahnsinnigste und nachhaltigste und schönste und aufregendste Ereignis meines Lebens gehabt. Zumindest bis jetzt. Ich habs bei ’nem Campmeeting schon gesagt und finde das trifft’s ganz gut: Das ich auf dem Burning Man endlich gelandet bin, fühlt sich für mich wie die logische Konsequenz meines Lebens an. Vom Kirchen und Schlösser restaurieren, über Salesman zu Spacebar und Clubbetreiber komme ich endlich heim. So intensiv und so passend hat sich das nur 1999 mit der Goafamily in Berlin angefühlt.

Schon in Reno waren die Burner zu erkennen und auch das Feedback in der Bevölkerung (z.B. Securitymann in der Bank) war überaus positiv. Mit Verlassen der Stadt wird es nach und nach weniger zersiedelt und man fragt sich, warum man noch soviel weiter fahren muss, da ist doch schon das ein oder andere Plätzchen. Man kommt dem Sehnsuchtsort allmählich näher und muss schmunzeln wenn auf der einzigen Strasse ca. 70 Meilen vor den Gates bereits der Hinweis kommt: „Weiterfahrt nur mit Ticket!“ Und obwohl wir im Genuss von early arrival-Tickets sind und somit vor dem großen Anreisechaos aufschlagen, stehen wir fünf Stunden im Einlassstau. Aber was für ein Stau! Da stehen die irrsinnigsten Wohnmobile und phantasievollsten Fahrzeuge, die einem bislang begegnet sind. Ein PKW-Anhänger in Form eines liegenden Banjos dient als Bühne und prompt setzt sich einer drauf und spielt für alle Geige. Ein mittelgroßer Bus ist über und über mit fein ausgeschnittenen Holzplatten versehen die ihm das Aussehen eines balinesischen Tempels verleihen. Und und und.

Zur Ankunft im Camp setzt dann bereits die Dämmerung ein und nach Aufbau meines Zeltes (wann hab ich das letzte Mal in so einem kleinen Zelt geschlafen und das in der Wüste?!) bleibt dann noch etwas Kraft um eine erste Begehung der Playa zu machen. Die Playa ist der große Kreis um den die verschiedenen Camps angeordnet sind und auf dem neben dem namensgebenen Man und dem bekannten Tempel zahlreiche Kunstobjekte, Installationen, Lichtkreationen, Feuerspiele und vieles mehr verteilt sind. Ein Kreis von ca. 1,5km Durchmesser! Zur besseren Vorstellung: das entspricht der Entfernung zwischen Brandenburger Tor und Berliner Dom. Das Burning Man Festival mit Camps würde grade so aufs Tempelhofer Feld passen.

Erste Station ist natürlich das noch nicht ganz fertige Kunstprojekt, zu dessen Verwirklichung wir im Background etwas beisteuern durften. Der BLACK CUBE. Mit Sicherheit eines der ungewöhnlicheren Projekte in der Geschichte des BM. Drei Künstler – federführend der in Holland und darüber hinaus bekannte Maler und Aktionskünstler Dadara – lassen sich bereits in der letzten kleinen Ortschaft schwarze Würfel auf die Köpfe setzen und sehen so nichts von dem Spektakel um sie herum; für die weitere Woche verbleiben sie in der BlackBox, erleben nicht selbst was um sie herum geschieht und sind dabei kräftezerrenden Entbehrungen ausgesetzt. Es ist irrsinnig heiß in der Box, Essen, Getränke, Klo – alles muss irgendwie vom Team organisiert werden und die Künstler können sich nicht mal eben die Beine vertreten. Die Burner sind dann aufgefordert sich mittels eines Formulars zu ihrer Wahrnehmung, ihrer Realität zu äußern und die Künstler erschaffen den BM aus diesen Beschreibung auf einem 360 Grad Wandgemälde. Das Ganze ist dann noch mit Virtual-Realitybrillen gekoppelt – wie genau habe ich selbst leider nicht erlebt, der Andrang war zu groß.

Einer der absoluten Gänsehautmomente (von so vielen) war, als wir während der feierlichen Prozession bei der die Künstler – blind – zum Cube geführt wurden am Man vorbeikamen und sich die Erbauer des Man, also die Jungs die den echt coolen Shit, den Hotspot und Namensgeber der Veranstaltung erschaffen haben, auf die Knie gingen, sich in den Wüstenstaub warfen, wieder und wieder die Arme hochrissen und dabei laut riefen „BlackBox, Blackbox!“ riefen.

Zurück auf Anfang: In der ersten Nacht der Burning Week fuhr ich auf meinem stilecht bunt-beleuchteten Fahrrad meine erste Runde über das Areal. Erstmal durch die Strassen, die die Camps begrenzen. Ich bekam ein breites Grinsen als an der ersten Kreuzung gleich eine Vielzahl von Fahrrädern meine Weg kreuzte – ALIENS ARE EVERYWHERE. Alle blinken und leuchten, oft sind die Räder markiert so das rote, grüne, gelbe Kreise über die Wege rollen. Mein Grinsen wurde ich nicht mehr los. Ich passierte liebevoll gestaltete Camps anderer Festivalteilnehmer und JEDES ist dazu gedacht das du, ja DU, da mal anhälst, Hallo sagst, ’nen Drink nimmst und Leute kennenlernst. Phantasievolle Namen und Konstruktionen. Etliches geht schon über „kleines Freunde Open Air“ hinaus, teilweise gilt es Aufgaben zu erfüllen, um teilhaben zu können. Irgendwann lande ich am Ziel meines Ausflugs.

Ich hatte während der Prozession Omar aus Seattle kennengelernt und wollte in sein Camp, das Firehouse. Das Firehouse entpuppte sich als vierstöckiges Baugerüst, dem eine Hausfassade mit LED-umrandeten Fenstern vorgesetzt war. Davor eine freie Fläche zum Tanzen mit DJ vom Balkon und mit feuerspeienden Installationen und das Gerüst/Haus selber zum Begehen. Im ersten Stock ne gemütliche Bar mir Sofas, Teppichen und jeder Menge Kissen. Die nächste Etage eine große nach oben offene Liegewiese und dann ging es noch zwei weitere – nun nur noch rüstungsbreite (ca1m) Etagen hinauf, man konnte aus den Fenstern gucken und oben schließlich vom Dach das Areal überblicken. Was für ein Anblick! Soweit das Auge reicht leuchten bunte Lichter, man sieht Kuppeldome, gigantische Zelte, irrwitzige Konstruktionen und jedes Licht sagt: „Hey komm mal rum„. Und das was ich überblickte waren nur die Camps! In weiter Ferne war der Man zu erahnen, die riesige Playa verschwand in all dem Licht – Las Vegas und Disneyland sind Kinderzirkus dagegen. Ich hab dann dort lange und geschmeidig wie lange nicht getanzt und war Omar dankbar für die Einladung in dieses Camp – ich wollte unbedingt daran teilnehmen, was für ne tolle Nummer.

Nun ja, irgendwann entscheidet man sich fürs Heimradeln und der kürzeste Weg führt über die Playa UND dann realisierst du, dass du zwar eine grandiose Nacht hattest, aber das ganze Wunderland liegt noch vor dir. Ich war nicht auf ’nem anderen Stern, das war eine komplett neue Galaxie. Leuchtende Artcars schippern durch die Nacht – da wird dann auch mal nen dreimastiges Segelschiff zum Fahrzeug umgebaut und ein riesiger leuchtend rot umrandeter Hai fährt vorbei. Eine kleine Sandinsel mit Palmen verfügt genauso über einen fahrbaren Unterbau wie ein galaktischer Sternenkreuzer und alle spielen Musik und bei Bedarf hüpfst du auf und drehst mit denen eine Runde zum anderen Ende der Welt. Es gab noch soviel mehr zu sehen und zu erleben und es lässt kaum in Worte fassen.

Pünktlich um 09:00 Uhr fragt dich die Sonne: „Hey, wie hälst du es bei den Temperaturen im Zelt aus?“ „Gar nicht“, lautet die Antwort. Man schleppt sich spätestens von 11 bis ca. 17 Uhr durch den Schatten und trinkt literweise Eistee oder Wasser. Laut Aussage erfahrener Burner hatten wir „record-breaking temperatures“ von bis zu 45° C. Die vielbeschworenen Sandstürme fielen bisher bescheiden aus – waren mehr so ein Ding, das man aus der Ferne betrachtet. Mitte der Woche gings aber dann doch mal richtig los und „the best reisebuudy of all times“ Ingo P. und meinereiner hielten dies für einen guten Zeitpunkt, auf die Playa zu gehen. Oha… Gott sei Dank waren wir mit guten, dichten Brillen und vernünftigem Atemschutz unterwegs. Bei Gang in Richtung Man verschwand das riesige Gebilde hin und wieder vor unseren Augen und auf dem Weg zurück zum Camp verloren wir etwas die Orientierung. Ich konnte ja nicht mal mehr die Hände am Ende meiner Arme sehen. Was für ein Schauspiel, welch eine Naturgewalt – grandios.

Dass das Ganze Burning Man heißt macht auf so vielen Ebenen Sinn. Da verbrennt nicht „nur“ der Man oder (juchu) das Fett, deine Haut braucht Betreuung (Essigwasser ist DER Hit!) und die Sonne brennt und auch das ständige Erleben brennt. Am Anfang verzweifelt man noch an dem Wunsch, doch möglichst alles mal gesehen zu haben, aber irgendwann weiß man mit Kopf und Körper, es reicht – Satisfaction. Und so ist es ein lautes, ausgelassenes Fest wenn mit Feuerwerk und in gewaltigen Flammen, umringt von zahllosen Artcars und den schönsten Menschen die, ich in meinem Leben getroffen habe, der berühmte Man in Flammen aufgeht. Die Figur stand in diesem Jahr in einem beeindruckenden Tempel. Man konnte hineingehen, den Man berühren, dem wundervollen Gongspielwerk lauschen und auf einer Empore den Tempel hinaufsteigen. Wundervoll – und in Flammen aufgegangen.

Ein anderer, auch für mich sehr wichtiger, Bau ist der Tempel (nicht der vom Man). Was für ein beeindruckendes Bauwerk, ZEN-Athmosphäre beschreibt es sehr gut. Das Ganze erbaut zu dem Zweck von geliebten Menschen oder auch Tieren Abschied nehmen zu können. Ein sehr ruhiger Platz, wo Fremde dir zur Zeit stehen, spontan Umarmungen gegeben werden und Menschen oft bitterlich über ihren Verlust weinen. Ganz nebenbei; ich habe noch so viele Erwachsene Menschen – gerade auch Männer – weinen sehen. Nicht nur da, nicht nur aus Trauer, auch aus Glück, Lebensfreude und machtvollen Gefühlen. Gänsehaut pur.

Nach dem eine Nacht nach dem Man auch der Tempel brannte, realisierten wir unsere schwindende Kräfte -fraglos noch immer voller Energie – und reisten einen Tag früher ab als geplant. Um nicht im hässlichen Reno zu verrotten entschieden wir uns, für etwas mehr Wegstrecke und fuhren an den malerischen Lake Tahoe. Endlich auch wieder ein echtes Bett, eine laaaaange heisse Dusche und – YEAH – eine Waschmaschine. Lake Tahoe könnte ich mir ja zum Wohnen/Leben vorstellen. Fehlen leider ein paar Millionen für.

Was für unglaublich tolle Holzhäuser mit grüner Natur und herrlichem See. Wir verbrachten dann noch einen Tag bei Freunden in Santa Rosa, nördlich von San Francisco, besuchten die gigantischen Redwoodbäume und wählten als letztes Ziel unserer Etappe Monterey 7 Carmel-by-the-sea. Okay… Vielleicht zieh ich auch hierher. Brauche ich aber noch mal ein paar Millionen mehr als am Lake Tahoe. Carmel ist ein wunderschönes Küstenstädtchen mit sehr individuellen Bebauungen. Bekannt wurde der Ort vor allem auch weil Clint Eastwood hier eine Weile Bürgermeister war.

Irgendwann geht’s dann doch mal Heim, der Rückflug ist gebucht und ausser feinstem Wüstenstaub und Fotos hast du einmalige Erinnerungen im Gepäck, so vielfältig und zahlreich, dass zwei Wochen wie zwei Monate erscheinen. VERDAMMT, ICH MUSS DA JETZT JEDES JAHR HIN.

Ein Kommentar

Pommes-Frites-Schneider: Foron Typ 474

Ich kann mich genau genommen nur an eine Situation meiner Kindheit erinnern, in der ich – ich war damals 10 oder 11- an einer Imbissbude im Ostes Pommes kaufen konnte. Das war irgendwo bei einer Regatta in Köpenick. Wir fuhren damals sehr früh los, um vorher noch in einer Kaufhalle der Ostberliner Hauptstadt H-Milch in pyramidenförmigen Tetrapacks, die da natürlich nicht so hießen, und Werder-Ketchup in kleinen Flaschen kaufen zu können. Außerdem brauchte mein Alter einen Kotflügel für seinen Trabant, den es so eben unkompliziert nur in Ostberlin gab. Keine Ahnung, was der gekostet hatte, aber wenig war es nicht. Sonst hätten wir dafür nicht extra nach Berlin fahren müssen. Bei uns auf dem Land nämlich gab es so etwas nicht ohne B-vitaminliche Beziehungen.

Danach standen wir dort an der Regatta-Strecke und konnten Pommes in dreieckigen Papiertütchen kaufen. Mit dem Ketchup, für den wir extra nach Berlin gefahren sind. Pommes! An irgendeinem Imbiss!

Ich war sofort verliebt und verklickerte meinen Eltern, dass wir jetzt auch zu Hause endlich mal hin und wieder Pommes essen müssten. Kurz darauf kaufte meine Mum den Pommes-Frites-Schneider vom Typ 474. Von Foron. Made in GDR.

Ab dort gab es dann öfter mal Pommes, die ich sehr gerne höchstpersönlich durch das neu erstandene Schneidewerkzeug aus der Kartoffel drückte. Fast schon vergessen, bis ich eben dieses Bild sah.

Für den Werder-Ketchup aus kleinen Flaschen fuhren wir dennoch alle paar Monate nach Ostberlin. Bei uns gab es den eben nie wirklich zuverlässig. Dort schon. Ebenso wie die H-Milch in pyramidenförmigen Tetrapacks, die da natürlich nicht so hießen. Einen neuen Kotflügel für seinen Trabbi musste mein Alter seitdem nicht mehr kaufen. Die Mauer fiel vor dem nächsten Crash, der die Kiste direkt in die Schrottpresse bugsierte.

Heute schneide ich meine Pommes total selbstverständlich und total okay mit dem Messer, bevor sie in heißes Fett kommen. Aber jedes verdammte Mal muss ich beim Schneiden an den Pommes-Frites-Schneider Typ 474 denken. Und ich frage mich dann halt immer: wo genau ist dieses Dingen eigentlich abgeblieben? Ich komm‘ einfach nicht drauf.

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Trainspotting 2

Vor zwanzig Jahren gingen wir beide in Trainspotting. Wir hatten gerade eine kleine und schöne Zwei-Zimmerbude in Schöneberg für uns wohnlich gemacht, um die Ecke gab es ein Kino. Eines Abends gingen wir so pärchenmäßig in den Film. Wir hatten mal keinen Besuch – und wir hatten eigentlich immer Besuch. Wir wohnten in Berlin, alle unsere Freunde immer noch im Umland. In Brandenburg. Also kamen sie uns besuchen. Eigentlich fast immer.

Wir saßen mitunter tagelang mit 10-20 Leuten in der Bude. Zogen die Jalousien runter, machten die Lava- und UV-Lampen an, die unsere fluoreszierende Tücher ausleuchten sollten und hörten Musik. Manchmal sahen wir Filme auf Premiere, aber eigentlich hörten wir immer nur Musik. Manche nahmen dazu dies und das. Rauchten, zogen. Nur gesoffen hat damals keiner von uns. Nicht mal Bier. Draußen gab es die, die kifften oder die, die soffen – und die, die soffen, waren uncool. Wir holten für uns das Hippie-Ding in die 90er. So ganz individualisiert, so ganz für uns. Dann kam Trainspotting.

Während wir uns jedes Wochenende in irgendwelchen Clubs der Hauptstadt oder auf irgendwelchen Raves in der Republik um die Ohren schlugen, zeigte der Film, wo für uns alle im besten Fall eine Grenze liegen sollte: „Kein Heroin und nicht schwanger werden!“ wurde für ein paar Jahre zur Prämisse unseres sprunghaft verballerten Lebens. Auch wenn wir beide auch von so manchen Rauschmitteln stets die Finger ließen. Trotzdem liebten wir den Film. Für mich damals der wichtigste Anti-Drogenfilm, den ich je gesehen hatte. Dass ihm mitunter vorgeworfen wurde, H und das Junkietum zu glorifizieren, konnte ich nie nachvollziehen.

Der Film war auf komische Weise der Soundtrack zu unserem damaligen Leben, was ja eigentlich Blödsinn war, denn der Film an sich war schon Film und hatte seinen ganz eigenen Soundtrack. Born slippy. Außerdem war unser Leben lange nicht so kaputt, wie das der gezeigten Protagonisten. Wir sagten alle irgendwie schon „Ja zum Leben“. Zumindest vorerst. Wir wussten, dass das nicht ganz richtig war, aber irgendwie musste diese ganze Feierei ja auch bezahlt werden und „krumme Dinger“ drehen war nicht so das Unsere. Wir arbeiten so wenig wie das eben möglich war und feierten so oft es nur ging. Mitunter Tage am Stück.

Später sahen wir Trainspotting immer und immer wieder mal. Quasi so als Erinnerung an unsere extra derben Jahre, aus denen wir am Ende doch ziemlich glimpflich rausgekommen waren. Also die meisten von uns. Und – und vor allem – wir beide. Manche hatten weniger Glück, erfuhren wir erst später, aber das ist eine andere Geschichte.

Heute waren wir beide in Trainspotting 2. So wie damals. Nicht mehr in Berlin und mit zwei Kindern, die sich zu Hause selber organisieren, wobei die Große die Kleine ins Bett bringt. 20 Jahre später. „Kein Heroin“ blieb immer Prämisse, „nicht schwanger werden“ fühlte sich irgendwann überholt und „schwanger werden“ hingegen auch ganz okay an.

Trainspotting 2 ist ein verdammt guter Film, weil er einen so wunderbar ehrlich die letzten 20 Jahre Revue passieren lässt. Die passieren im Film ja nicht im Zeitraffer oder so. Es ist 20 Jahre her, als wir den ersten Teil sahen. 20 Jahre!

Ich bin kein Filmkritiker und habe auch gar nicht vor, zu spoilern. Nur: wem Trainspotting was gegeben hat, muss sich nicht dagegen wehren, Trainspotting 2 zu sehen. Das passt. Alles. Vor allem, wenn ihr selber schon so alte Säcke seid, dass ihr den ersten Teil im Kino sehen konntet.

Dass heute kaum einer der jungen Menschen Trainspotting gesehen hat: schade, aber geschenkt. Der Zeitgeist war damals eben einer, der uns sehr viel näher war, als das er ihnen heute kommen könnte. Dass ich Trainspotting dennoch für einen dieser Filme halte, den jeder mal gesehen haben muss, scheint da eher nostalgischer Natur. Muss ich vielleicht wohl auch mal neu sortieren, diese Liste der Filme, die in diese Schublade gehören.

Der Saal heute war für einen Kinostart ziemlich leer. Also sehr leer, um genau zu sein. Das Publikum, was sich an zwei Händen abzählen lies, war durchweg 40+. Na klar! Zeitgeist und so.

Und dennoch war es gut, dass T2 gemacht wurde und wir ihn sehen konnten. Finden wir beide – und sprechen intensiv drüber, wenn wir das Kino verlassen haben. So wie damals. Vor 20 Jahren. Das ist geblieben.

Ein paar Plätze neben uns saßen zwei Tüpen (40+), die vor dem Film ganz offensichtlich eine ordentliche Line Speed geballert haben und verdammt viel Spaß hatten. Sie redeten viel zu viel und viel zu laut. So, wie sie das noch von damals zu kennen scheinen. Vor 20 Jahren.

Der „Sag ja zum Leben!“-Monolog in T2 dürfte die stärkste Szene des Films sein. Weil wir alle 20 Jahre lang Zeit hatten, den Bausparvertrag scheiße zu finden und heute noch ganz andere Probleme haben, an die vor 20 Jahren kaum einer zu glauben gedachte.

Vielleicht können wir beide ja auch noch in 20 Jahren zu T3 gehen und säßen dann dabei ganz alleine im Kinosaal. Die Kinder dürften dann ausgezogen sein. Das wäre schön. Sag ja zum Leben, aber ironisch – und so.

Es ist gleichsam gut und konsequent, „Born slippy“ von damals nicht zum Teil des heutigen Soundtracks gemacht zu haben. Manchmal reichen halt auch zwei veralterte verhallte Akkorde aus, um Gänsehaut zu erzeugen.

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Was Chucky, die Mörderpuppe, vielleicht mit meiner Jugend zu tun hat

Als wir damals 1990 eines Tages, ein Jahr nachdem die Mauer gefallen war, in die von uns gewählte Schule gekommen waren und dort keiner so genau wusste, was genau diese neue „Freiheit“ denn sein sollte, reizten wir den Versuch, das herauszufinden, voll aus. Natürlich.

In der DDR gab es keine Schulen, wie der des uns heute völlig vertrautem Schema der Grund- und Oberschule. Wir kamen mit sechs Jahren auf eine Polytechnische Schule und blieben dann dort bis zum Abschluss der 10. Klasse. Bis dahin erstmal alle. Mit Fahnenappell, Klassenwimpel, Gruppenrat und Freundschaftspionierleiterin. Für einige wenige ging es dann noch weiter auf eine Erweiterte allgemeinbildende polytechnische Oberschule (EOS). Die Bezeichnung Gymnasium war in der DDR nicht üblich. Der Besuch einer EOS war nur wenigen vorbehalten. Die Eltern mussten politisch gefestigt sein und sollten im besten Fall nicht aus kirchlichen Kreisen kommen. Das war dann schon immer ein wenig problematisch.

Wir gingen einfach zur Schule und irgendwann kamen dann halt irgendwelche alten Männer in Mänteln und erklärten uns, wie unsere, für jeden individuell, Zukunft am besten aussehen könnte. Sören, Thomas und Ronny sollten wohl am besten für den Rest ihres gerade noch jungen Lebens zur Armee gehen. NVA ginge, die Grenztruppen auch. Alternativ dazu Sport. Sören spielte Tischtennis – und das verdammt gut. Thomas war Fußballer – und der Beste im Sturm. Ronny stand für den „großen BSG“ beim Handball im Tor und wurde damit Bezirksmeister. Schule fertigmachen, irgendwas lernen, was dich dann für den Rest deines Lebens festgenagelt hätte. Oder zur Armee gehen. Oder sich für den Sport entscheiden, was im Osten zwangsläufig bedeutet hätte, sich über Umwege für die Armee zu entscheiden. Weil es nirgendwo anders so viel Förderung für Sport gab, als eben bei der Armee. Schach wäre noch eine Option gewesen. Aber auch die hätte bei irgendwas mit Armee geendet.

Wenn das alles sportlich nicht drin war, dann eben Ausbildung zum „Facharbeiter“. In irgendeinem VEB. Fürs Leben lang. Oder halt Soldat.

Die Idee, dass die Mauer irgendwann mal fallen würde, gab es für mich in jungen Jahren nicht. Natürlich nicht. Die stand bis dahin ja mein Leben lang. Ich war verdammt gut im Tor. Aber ich war auch verdammt gut im Chor. Der einzige Junge, frische 13, nur Mädels um sich. Und dann die Frage, wohin es denn nun gehen sollte. Ich wollte Panzerkommandat werden. Wirklich. Der einfachste Weg. Mein Alter war Feldwebel und hätte da sicher irgendwas drehen können. „Vitamin B“ und so. Das Ding mit dem Sport hatte sich recht schnell erledigt. Vier mal die Woche Training. Am Wochenende Punkt- und wenn keine Saison war, Testspiele. In den Ferien Trainingslager fernab der Familie. Das war schon fast Arbeit und so hatte ich keine Lust, mich beim ASV Frankfurt zum Leistungssportler ausbilden zu lassen. Schon damals fast alles gewonnen und ob dessen dennoch beide Knie komplett im Arsch.

Viel lieber wäre ich damals zum Thomanerchor gegangen, zu dem mich meine Musiklehrerin schicken wollte, was meine Mutter untersagte. Weil: „Wer Mathe nicht richtig kann, muss es auch mit dem Singen nicht versuchen. Singen hat keine Zukunft, Junge!“ Okay und danke. Womöglich wäre ich dann einer der Prinzen geworden und das konnte ja keiner wollen.

Dann fiel die Mauer. Alles war anders. Alles war neu. Alles zurück auf Start.

Es ging auf einmal um so was wie „weiterführende Schulen“. Von einem Jahr auf das nächste. Wovon wir damals alle keine Ahnung hatten. „Abitur? Fürn Arsch! Was soll das schon bringen?“ Lass uns mal lieber dort auf die Schule gehen, wo die besten Kumpels der Stadt auf die Schule gehen würden. Von etwaiger Zukunft und etwaigen Perspektiven hatten wir damals eh keine Ahnung. Primär sollte jeder Tag aufs Neue Spaß machen. Also sammelten sich die damals Beklopptesten auf der vermeintlich schlecht gewähltesten Schule der Stadt. Der Ruf der selbigen ist bis heute nicht gänzlich rehabilitiert. Ich bilde mir ein, dass wir dafür bis heute nicht ganz unverantwortlich sind. Gesamtschule.

Die Lehrer dort setzten sich aus denen zusammen, die im Osten irgendwie politisch „Dreck“ am Stecken hatten, und jenen, die in Westberlin keiner mehr auf Kinder loslassen wollte. Aus dem Osten welche, die zweifelsohne Stasivergangenheiten aufzuarbeiten hatten. Aus dem Westen, Altlinke, die mit ihrem Marxismus oder gar Kommunismus an dortigen Schulen schon länger Probleme hatten. Nun konnte man sie von dort aus auch einfach mal ganz offiziell in den Osten abschieben.

Und so trafen wir uns dort alle. Manche jung, manche alt. Die Alten satt, die Jungen verdammt hungrig. Alle die, die keine Ahnung hatten, wie genau es für jeden von uns nun weitergehen würde. Wir versuchten das Beste daraus zu machen. Die Lehrer, die es noch über die ein oder andere „Überprüfung“ schaffen mussten. Oder jene, die eh nur noch auf ihre Rente warteten. Wir, die Schüler, denen nichts wichtiger war, als herauszufinden, was genau denn diese neu gewonnene „Freiheit“ für uns bereithalten würde. Wir als Schüler haben alles übertrieben. Wirklich alles. Ich hätte damals kein Lehrer von uns sein wollen. Aber es war halt schon wichtig, herauszufinden, wo genau diese neue Freiheit ihre Grenzen haben sollte. Unsere Schule hat das zu erfahren, nicht geschafft. Dafür haben wir damals viel geschafft. Die Grenzen für dortige Lehrer damals zu zeichnen, zum Beispiel.

Wenn wir dann mal Freistunde hatten, brachte Kramer VHS-Kassetten mit, die wir dann aus dem „Medienschrank“ heraus der Klasse vorführen konnten. Ohne Lehrer. Die hatten ja auch keine Ahnung. Und so kam es, dass ich Chucky – die Mörderpuppe zum allerersten Mal in einer Freistunde in der Schule sah. Irgendwann gegen 10:30 Uhr. Die Lehrer wussten noch weniger darüber als wir selber und waren froh, wenn ihnen mal keiner gesellschaftlich zukunftsorientiert auf den Sack ging.

Danach warfen wir das komplette Klassenzimmer inklusive des Lehrertischs aus den Fenstern. Wissen wollend, wie weit diese neue Freiheit gehen darf. Es geschah: nichts. Keine Konsequenzen.

Ein paar Wochen später bekamen alle Schüler der Schule in dem Viertel tagsüber Hausverbot in dem benachbarten Rewe. Wir hatten das mit der neuen Freiheit dort wohl doch etwas überreizt – und der Supermarkt reagierte. Ganz anders als die Schule. Aber das ist nochmal eine andere Geschichte.

Das alles fiel mir gerade ein, als ich den Trailer für das Remake von Chucky sah. Chucky hat so etwas nie erleben können. Die Pfeife!


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09.12.2016 im Spartacus Potsdam: Doppelgeburtstag – 40 Jahre icke, 20 Jahre das Kraftfuttermischwerk

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-> Facebook-Veranstaltung

Eigentlich lege ich nicht sonderlich viel Wert auf meine eigenen Geburtstagsfeierlichkeiten, aber wenn man nullt, kann man das schon etwas ausgiebiger feiern. Wenn man, wie in diesem Fall, doppelt nullt, kann man das sogar auch mal sehr ausgelassen feiern. Und so machen wir das in diesem Jahr.

Ich werde am 09.12.2016 40 Jahre – geschenkt. Aber, und was viel wichtiger ist: mein heutiges Solo-Projekt, das hier, feiert in diesem Jahr sein zwanzigstes Jubiläum. Was damals mal als Musikprojekt von drei-vier noch jungen Burschen begann, ist mittlerweile mehr Blog als Musikprojekt, auch wenn Musik dabei noch immer eine Rolle spielt und das Blog selber erst 11 Jahre auf dem Latz hat. Ich kam letztens auf die 20, als ich auf einen Flyer aus dem Jahr 2006 stieß, der zum Feiern der 10 einlud ,und dachte, „Mensch, die 20 könnte man ja eigentlich auch feiern.“ Also machen wir das jetzt einfach mal. Am 09.12.2016 im Spartacus Potsdam.

Man hätte da jetzt ein Über-Line Up buchen können, aber die Nacht ist kurz und ich wollte schon jene mit dabei haben, die ich musikalisch und auch privat besonders gerne mag. So wird das keine reine Techno-Sause, sondern eher ein buntes Potpourri an zu schätzender Musik. Vom Ambient über Singer-Songwriting zu Funk und Soul nach dem Rudi dann gemeinsam mit mir den Laden in von uns gewohnter Tanzschuppen-Manier abreißen werden.

Los geht es um 22:00 Uhr und der Eintritt wird sich auf einen schmalen Taler begrenzen. Wir sind ja nicht in Berlin, wa.

Für Musik sorgen werden an diesem Abend:

  • Zuurb, der Ambient verschmelzen lässt, wie es sonst kaum ein anderer vermag. Hier regelmäßig mit seinen immer überguten Mixen im Blog.
  • Daniel Decker, der auch als Kotzendes Einhorn bekannt sein dürfte und schon gefühlte Ewigkeiten mit seiner Gitarre auf den Bühnen unterwegs ist.
  • Janina ist im Regen geboren und kommt aus Hamburg. Sie hat nicht nur Rudi und mich vor ein paar Jahren auf dem Weltkongress der Hedonistischen Internationale geradezu verzaubert. Ich wollte sie danach immer wieder mal live sehen, was dann aber doch mal wieder nicht klappte. Jetzt dachte ich, ich frage sie einfach mal und – HURRA! – sie packt ihre Gitarre Fritzi ein und kommt aus Hamburg ins heimelige Potsdam. Ein Fest!
  • MoGreens, Karl und Jozsef. MoGreens kenne ich tatsächlich noch länger als ich das KFMW mache. Als Teenies waren wir in der selben Clique und hingen in Kleinmachnow rum. Musik mögen wir schon seitdem. Die Leidenschaft fürs Auflegen kam dann auch bei beiden später hinzu. Auch wenn wir völlig unterschiedliche Stile mögen und er nach wie vor dem Vinyl treugeblieben ist. Wenn er mit Karl und Joszef den guten alten Soul auf den Plattentellern mit dem Funk vermischt, bleibt im Regelfall kein Tanzbein stehen.
  • Rudi Stöher und Das Kraftfuttermischwerk. Wir sind über die Jahre ein gutes Team geworden und mögen trotz des Altersunterschiedes den selben Scheiß. Meistens zumindest. Aber dann brennt es auch.

Wer Bock hat, kommt da dann einfach mal lang. Ob mit oder ohne Geschenke. Ich würde mich freuen, Euch alle dort zu sehen! Also fast alle. Und Zeit für ’nen Schnack findet sich sicher auch. Hotels und Pensionen gibt es in dieser Stadt für alle – und nach Potsdam wolltet ihr eh alle schon immer mal. Hier stehen sogar ein paar Schlafplätze zur Verfügung. Wer davon einen in Anspruch nehmen möchte, bitte in den Kommentaren Bescheid geben.

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Im Stream: Deutschboden

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In der Mediathek des rbb gibt es noch bis zum 21.06. André Schäfers Film Deutschboden, welcher auf Moritz von Uslars gleichnamiger Langzeit-Beobachtung und dem dazu veröffentlichtem Buch basiert. Dafür hat er sich drei Monate in Zehdenick eingemietet. Für mich als Brandenburger ergeben sich dabei so einige Déjà-vu. Der Film spiegelt nicht bierenst und dennoch ernstnehmend den Alltag in Brandenburg. Er beobachtet und dokumentiert weit verbreitete Klischees, ohne sich über diese lustig zu machen, oder die Leute belehren zu wollen und schafft so ein Bild des gemeinen Brandenburgers. Ob das Deutschland zu einem „feinen Kerl“ macht, lass ich mal dahin gesellt, denn so supersympathisch sind die gezeigten Charaktere dann doch nicht alle. Wie das halt so ist in Brandenburg.

„Raus aus dem hippen West-Berlin, rein in den wilden Osten. Dort will Moritz von Uslar ihn finden: den Superproll. Springerstiefel, Bier, Kippe, Spuckefaden – das volle Programm. Doch der Großstädter lernt Land und Leute kennen, die Mitglieder der Rock-Band „5 Teeth less“ werden seine Jungs, Hackepeterbrötchen seine Leidenschaft. Und während wir erfahren, dass Körper-Tuning wie Waxing, Tätowierungen und Augenbrauen trimmen eine ernste Sache sind, stellt der Reporter fest:
Deutschland ist ein feiner Kerl!

„Deutschboden“ leuchtet – es ist das Licht der Tankstelle
an der Ausfallstraße nachts um halb eins. „

Hier der Trailer, hier der Link zur Mediathek.

https://youtu.be/krfkIRnp7Kw
(Direktlink, via FernSehErsatz)

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Fotos und Recap: Telekom Electronic Beats Festival Budapest 2015

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Ich war letztes Wochenende auf dem Telekom Electronic Beats Festival in Budapest. Es war nicht mein erstes EB Festival, so war ich vor zwei Jahren schon mit in Podgorica, Montenegro und im Frühjahr dieses Jahres in Köln. Und dennoch war Budapest anders, weil irgendwie neu.

Hatte man beim EB Festival bisher den Fokus auf einen Festivalabend gelegt, an dem verschiedene Acts ihre Livequalitäten zentral in einer Location unter Beweis stellen konnten, hat man das in Budapest nicht nur auf zwei Abende ausgeweitet, sondern auch noch diverse Partner mit ins Boot geholt, die verteilt über die ganze Stadt ein Rahmenprogramm für das Festival gestalteten. Insgesamt waren das hier über 50. Mit an Board für dieses Wochenende: Galerien, Clubs, Workshops, Ausstellungen, Restaurants, alles. So wurde ein Schmelztiegel kreativen Schaffens ermöglicht, der all das mit einbezog, wofür Electronic Beats weitgehend bekannt ist. Eine überzeugende Idee, bieten eben auch Städte im ehemaligen Ostblock viel kreatives Potenzial, das bei solch einer Fokussierung einen erlebenswerten Kontext schafft.

Ich hätte mir gerne die Native Sessions angesehen, was aber leider nicht in den Zeitplan passte. Deshalb konzentrierte ich mich auf die Electronic Beats Exhibition, bei der es in einer alten Location, die den Charme der 90er in Berlin zu versprühen wusste, Installationen gab. Auf die eigentlichen Festival-Gigs im A38, einem alten Schiff, in dessen Bauch sich ein Floor befindet, und auf die Acts im Akwarium, einem der wohl populärsten Clubs in Budapest.

Regen.

Die Electronic Beats Exhibition bot primär die Möglichkeit, das Floating Soundsystem von Flora & Faunavisions auch mal selber bespielen zu können. So nimmt man sich eine Art Lochkarte, markiert auf dieser verschiedene Pattern für verschiedene Musikstile, legt diese Karte in ein Lesegerät, welches aus den Pattern dann Musik macht. Dazu gibt es dann passende Visuals, die auf dünne mehrdimensionale Stoffe in einen Raum projiziert werden. Zur Auswahl stand Techno, Ambient und Drum ’n‘ Bass, wobei ich mich für letzteres entschied. Klar. Das ganze sieht dann so aus:


(Direktlink)

Noch mehr Regen.

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Nachdem wir uns irgendwie trocken bekommen haben, ging es ins A38, dem oben schon erwähnten Boot. Musikalisch stand dort einiges an. Auch einiges, von dem ich mich überraschen lassen wollte, da ich nicht alle der angekündigten Acts kannte. Da war mir Fatima schon mal eine durchaus gelungene Überraschung, die mit ihrer Band astreinen Soul aus den Boxen bringt, der immer im elektronischen Rahmen durch den Raum gleitet. An den Tasten ein Mann, der das Rhodes nicht weniger zu lieben scheint als ich das tue. Er allerdings kann das – im Gegensatz zu mir – auch noch nahezu perfekt spielen, was ihm eine sichtliche Freude bereitet. Fatima fetzt.

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Danach enterte Omar Souleyman die Bühne, der nicht nur deshalb in den letzten Jahren an Popularität gewonnen hat, weil ihn Künstler wie Gilles Peterson und Four Tet produzierten, sondern auch, weil im Auftreten und im Sound deutliche Eigenheiten mitbringt. Syrische Folklore, unterlegt mit scheppernden Casio-Beats und einem Delay auf den Vocals, für das sie ihn in den Dub-Studios Jamaikas hochpreisen würden. Nicht wirklich mein Sound, aber die Menge hatte sichtlich Spaß an diesem außergewöhnlichen Auftritt.

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Den Abschluss und definitiv das Highlight des Abend machten dann Hercules and Love Affair, die vom Grundsatz auch nicht so ganz meinen Sound machen, aber den Kahn auf jeden Fall zum schwappen brachten. Fette Show, Spaß an der Sache und House, wie er housiger kaum sein kann. Discoiger auch nicht. Finale des Abends auf dem Kahn.

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Regen. Taxi. Bett.

Derweil spielte Nina Kraviz im Akvarium ein grandioses Set, wie einen Morgen später gemunkelt wurde. Ich habs dann wohl verpasst. Aber man kann nicht alles haben. Und zumindest hatten wir ab genau da keinen Regen mehr. Etwas Sonne gar und ein bisschen Zeit für Sightseeing.

Nachmittags dann ein durchaus interessantes Panel, in dem erläutert wurde, wo genau der Ansatz dafür liegt, dass Festival jetzt in diesem Rahmen zu machen. Das kreative Potenzial bündeln, netzwerken, darüber künstlerisch wachsen.

Abends dann wieder A38, wo die aus UK stammenden Ten Fé den Auftakt machten. „Electronic Rock ’n‘ Roll“ haben sie sich auf die Fahnen geschrieben – und dem werden sie gerecht. Englische, leicht angekitschte Riffs, die aber nie ölig wirken. Etwas melancholisch, aber ich mag das ja. Und laut, was ich nicht weniger mag.

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Leider habe ich irgendwie an dem Abend Kiasmos nicht recht mitbekommen, was mich im Nachhinein ein wenig traurig machte. Nun steht Ólafur Arnalds schonmal auf der Bühne und ich hampel irgendwo anders rum. Ronny, ey!

Das Spezial an dem Abend war dann Mister Nozinja, der dem Shangaan Electro nicht nur ein Gesicht sondern auch den Sound gibt. Da gibt’s dann auch schonmal krachende, afrikanische Rhythmen auf 190BPM mitten ins Gesicht. Dazu schütteln auf der Bühne dann zwei Tänzerinnen und ein Tänzer so ziemlich alles was sie haben. Imposant, auch wenn das nicht so meins ist. Aber wenn der Mann vor einer Crowd von 2000-3000 Leuten spielt, brennt der alles ab. Ganz sicher.

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Und zum Abschluss dann die, auf die ich mich eh immer und hier ganz besonders gefreut habe: Howling, deren Sound ich wirklich liebe. Ich hatte sie im Frühjahr schon in Köln live erleben können, was aber eine ganz andere Baustelle war. Die Location dort war groß, hoch, weitläufig und nicht sehr persönlich. Hier war alles kleiner, intim fast.

Sie ließen ihre reduzierte Bühnenshow aufbauen, ertranken den Raum in Nebel und begannen zu spielen, ohne das man vorher wahrnehmen konnte, dass sie überhaupt schon auf der Bühne stehen würden. Hin und wieder ein zurückhaltender Lichtstrahl, eine Kerze, Dunkelheit. Und genau darum scheint es zu gehen, alles soweit runter zu reduzieren, dass am Ende nicht mehr bleibt als nur die Musik. Dann beginnt es tief nach unten gefiltert irgendwo in diesem Nichts zu wummern bis der Bass einsetzt und diese elfenartige Stimme ihre Harmonie über all das legt. Das alles schuf in der Raumgröße eine Intimität, die zu erfahren es eher selten Gelegenheiten geben dürfte. Gänsehautmomente im Minutentakt Für mich _das_ Highlight des letzten Wochenendes und einer der besten Gigs, die ich in diesem Jahr gesehen habe. Wenn die mal in eurer Nähe sind, geht dort hin.
Absolut großartig!

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Zum Abschluss des Festivalwochenendes ging es dann noch ins Akvarium, in dem es noch ein Set von Âme von Frank Wiedemann, der auch Teil von Howling ist, geben, auf das ich dann aber doch nicht warten wollte. Zumal es nach dem Howling-Auftritt nicht mehr besser werden konnte und ich mich nicht aus dieser Blase holen lassen wollte.

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Am nächsten Morgen war ich dann kurz auf ein paar Fotos in der Stadt unterwegs, die wirklich schwerstens zu empfehlen ist. Nicht nur für Pärchen. Ein Paar Fotos mache ich dazu noch gesondert. Hier mein Flickr-Album mit jeder Menge Fotos des oben Beschriebenen.

[Disclaimer] Telekom Electronic Beats hat mich zu dieser Reise eingeladen, um später darüber zu schreiben zu können.

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