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Das Kraftfuttermischwerk Beiträge

Als ich vor zwölf Wochen zum letzten Mal bei dem von mir bevorzugtem Dönermann war, hing dort so ein Zertifikat in einem dieser billigen vergoldeten Bilderrahmen, wie es sie in jedem Supermarkt gibt. Das Zertifikat war eigentlich kein richtiges, es sollte nur so aussehen. Eher war es ein offensichtlich schnell zusammengeschustertes Worddokument, das den Kunden davon überzeugen sollte, dass das Fleich im Spieß aus “sicherer” brandenburgischer Haltung stammt. Mit zweifelhafter Qualitätsgarantie in Form eines Stempels, der aber eigentlich auch keiner war. Eben auch so ein Fake, genau wie das ganze Dingen. Einzig die Unerschrift war echt, wenn auch nur schnell drunter gekliert. das sah man gut. Vertrauenserweckend war das allemal auch vor zwölf Wochen nicht und natürlich fühlte man sich ein wenig verschaukelt, verstand aber die Lage des Dönermannes, der ja etwas dafür tuen muss um den Kunden das Gefühl zu vermitteln, sie würden hier genau das Fleich kriegen, was von guter Qualität sei. Das kann man schon verstehen irgendwie.
Als ich heute mal wieder bei ihm war, gab es dieses Zertifikat nicht mehr. Alles was davon übrigblieb, war ein heller viereckiger Fleck an der Wand. Umrahmt von längst vergilbten Latex.
Ich habe woanders gegessen.

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IFA – Sommergarten Freundeskreis, Messe Berlin

Die Damen und Herren, die für das gesetzte Line Up im Sommergarten, verantwortlich waren, hatten sich im Vorfeld offenbar Mühe gegeben, eine Runde Sache auf die Bühne zu bekommen. Eingeladen waren Miss Platnum, Boundzound, Clueso, Freundeskreis, die für mich der eigentlich einzige Grund waren, sich auf den Weg dorthin zu machen. Irgendwie ist dann später noch der Kindergarten namens K.I.Z. da mit reingerutscht, was offenbar der geistigen Umnachtung des Bookers geschuldet war.

Klar war, dass wenn man schon um 17:00 Uhr das Gelände betritt, würde man lange auf Freundeskreis warten müssen. Nun gut, man war eh in Börlin unterwegs, das Wetter war in Ordnung und so ein Nachmittag im Garten mit Musik kann ja auch charmant sein, dachte man. Also hin da. Begonnen hatte dann Miss Platnum, die ich auch vor Seeed schon nicht so ganz mitbekommen hatte. Ich hatte nichts verpasst, wie ich gestern feststellen konnte. Das ist nicht meins. Boundszound fand ich dann auch eher entäuschend, was aber wohl auch daran liegen mag, dass der Sound nicht unbedingt, der von mir präverierte ist. Dann lieber noch ein Paar Worte zu K.I.Z. Was bitte war das denn? Welcher hirnamputierte Mensch, hat die denn dazwischen gesteckt? Ein wahr gewordener linguistischer Albtraum für all jene, die Hip-Hop noch in Neunzigern mochten, als es noch halbwegs um Inhalte ging, die transportiert werden sollten. Lange Messer, lange Schwänze, dicke Kassen. Man hatte das ja nun alles schon in den letzten paar Jahren. Miese Ryhmes aus Berlin, in den es immer so um Sachen ging, mit denen man sich in der Pubertät auseinandersetzt. Zumindest dann, wenn man da Minderwertigkeitskomplexe hatte. Im Grunde genommen ja auch in Ordnung, wenn man das nötig hat, seine Schulausbildung abgebrochen hat und nun auf der Suche nach etwas ist, das trotzdem zum Geld verdienen taugt. Nur warum bitte auf so einer Veranstaltung, die qualitativ gut besetzt war und jeder der Teilnehmer auch was für sein Geld zu tun bereit ist, wenn er sich auf die Bühne stellt. Warum bitte stellt man ausgerechnet da fünf Hampelmänner ab, die erst mal den Umgang mit dem Mic proben sollten, damit man überhaupt etwas versteht, von dem was sie der Welt mitteilen wollen. Nun gut, vielleicht ist es ganz gut so, dass man nur ein Minimum von dem verstanden hat, was sie für erzählwürdig halten. Denn schon das hat gereicht, um meinen Ohren kotzen zu lassen. Abturn total. Meines Erachtens sollten die da weiter machen, wo sie erst kürzlich noch für öffentliche Aufmerksamkeit sorgen konnten. Im U-Bahnhof nämlich. Da kann ich mir die Kids gut vorstellen. Besser noch wäre ein Tunnel für sie. Einer nämlich durch den alle fünf Minuten eine Bahn ballert. Man sagte mir zwischendrin: “Wenn die die Schule nicht geschmissen hätten, wären sie jetzt schon in der Neunten.” Ja, das passt.

Das Fritz durchaus in der Lage ist, Bands zu hypen, die dann später auch national gut abräumen hat die Vergangenheit schon öfter gezeigt. Wer nun aber, und vorallem warum, versucht wird solche Pfeifen zu hypen, ist mir ein absolutes Rätsel. Ist der Musikmarkt in Berlin denn wirklich so übel, dass man so 0815 Musik hypen muss? Ich glaube kaum. Lächerlich. Kindergeburtstagsniveau. Auch das gerne benutzte Argument, dass “zumindest die Beats fett sind” trifft hier nicht. Alles nur schlechter Durchschnitt. Mehr nicht. Und groß werden die trotzdem. Deutschland braucht ja alle paar Jahre so Hinterhof-Ghetto-Piepels, die sich als neue Stars fühlen dürfen. Und das wird sicher auch in diesem Fall klappen. Aber genug zu den Kleinen mit der großen Fresse, es sollte ja noch wirklich Großes passieren an diesem Abend, der langsam die Sonne hinter dem Horizont versteckte.

Nachdem sich der Sommergarten von dem Schock erholt hatte, sollte Clueso auf die Bühne kommen. Nicht mein Sound. Ganz und gar nicht mein Sound. Eher so Mädchenmusik. Aber gut, man kann ja auch objektiv bleiben mitunter. Versuche ich es doch gleich mal. Es bedurfte nun zum ersten Mal schon mal nicht einer extra Einpeitschrede des Moderators. Die Leute wollten den hören, von ganz allein sogar. Das verlieh dem Ganzen eine Natürlichkeit, die es bis vor dem Betreten der Bühne durch Clueso so noch nicht gab an diesem Abend. Das könnte noch was werden, dachte ich. Also begab auch ich mich mal in den Ring nach unten, was bedeutete, dass ich mich von meiner Decke erheben musste. Na immerhin. Simmung war dann auch unten sehr gut, was wohl auch daran gelegen hat, dass da ein absoluter Sympath auf der Bühne stand, der zu dem sein Handwerk auch noch bestens beherrscht. Die Mädchen waren entzückt und er punktete durch sein Schwiegersohnlächeln auch bei mir. Wie gesagt; nicht mein Sound und dennoch der bisher beste Auftritt an dem Tag. Lange spielen konnte er nicht, da aufgrund eines Krankheitsfalles in seiner Band, die selbige nicht mit am Start war. Also gab es eine Kurzvariante eines Konzertes mit Beats vom Band und zwei Nummern auf der Gitarre.

Ganz langsam kroch nun die Aufregung in mir hoch. Ich meine, es ist fast zehn Jahre her, dass ich Freundeskreis das letzte Mal live erleben konnte. Hören tue ich sie immer noch recht regelmäßig. Sie erinnern mich immer wieder an eine Zeit, in der ich daran dachte, das Hip-Hop doch was für mich sein konnte. Ich meine, so ganz. In den letzten Jahren hatte man die verstreut mal auf diversen Bühnen sehen können. Joy Denalane hier, Max Herre da und hin und wieder war auch Friction mal zu hören. Einzig Afrob ist gänzlich von meiner Bildfläche verschwunden. Bis gestern.
Als sie dann in geballter Kraft die Bühne betraten und die ersten Takte von “Esperanto” anspielten wurde klar, warum gut 80 % der Gäste hier waren. Sie kamen, um Freudeskreis hören. Den Rest könne man ja auch mal mitnehmen. Peinlich berührt musste ich feststellen, dass ich so gut wie jeden der Texte auswendig kann und die auch noch mitsang. Ach du Schreck, aber egal, macht hier ja jeder so, dachte ich. Der Kreis hat für mich nichts an Fazination verloren. Im Gegenteil; reifer sind sie geworden, auch enstspannter und vor allem frei von jeder Pose. Wozu auch? Das haben sie schon lange nicht mehr nötig. Sie wissen, das sie zu dem Kreis der Großen gehören, den sie einst mit eröffneten. Sie treten nicht mehr in die Richtung derjenigen, die ihnen ans Bein pissen wollen. Sie singen nur über sie. Und das so soverän, dass es einer sehr angenehm empfundenen Erhabenheit gleich kommt. Wer zum Teufel waren noch mal K.I.Z.?
Klar spielten sie alle Hits, die sich im Laufe der letzten zehn Jahre so angesammelt hatten. Geht ja auch nicht anders, denn ich kenne kaum Nummern von denen, die nicht zum Hit wurden. Es war so ziemlich alles dabei, was man mit Erinnerungen verbinden kann. Und so sangen 3000 Menschen jeden Song mit. Gespielt wurden auch die Solonummern von Max Herre, Joy und ein Duett von Herre und Clueso. Auch neue Songs kamen aus den Boxen. Ich habe so rein gar nichts vermisst. Ausser vielleicht “Exclusivinterview” von Max & Afrob. Den hätten sie nun ja auch noch… Aber eigentlich hat auch das nicht gefehlt. Es war absolut traumhaft. Flashbacks ohne Ende, meine schöne Frau an meiner Seite und A.N.N.A nicht nur auf der Bühne. Außerdem wurde der Abend mit “Halt dich an deiner Liebe fest” beendet. Runder kann man einen Kreis nicht machen.

Ich hatte große Erwartungen an diesen Abend und sie wurden bei weitem übertroffen. Sowas passiert mir verdammt selten. Es dauert sicher ein paar Tage, bis die Euphorie sich wieder legt. Aber! Ich hätte mir das aktuelle Album auf Vinyl mitnehmen sollen, verdammt. Hätte ich nur mal ein Prinzip von mir gebrochen und Geld am Merchandising-Stand gelassen.

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