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La repubblica napoletana

Als ich damals™ in dieser kleinen mittelitalienischen Provinzuni ein wenig Heidegger und Futurismus studierte, hatte ich nicht viele Freunde.
Das lag unter anderem an dem Umstand, dass die Mammoni von Freitagmittag bis Montagfrüh in die kleinen Käffer im Süden fuhren, aus denen sie stammten. Ein anderer Grund war, dass die Uni vor allem Wirtschaftswissenschaftler ausbildete. Und die waren meist wie mein einer Mitbewohner die Kinder von Kleinunternehmern und damit qua Geburt Berlusconi-Anhänger und das hält ja keine Freundschaft aus. Genausowenig wie die kulinarische Ignoranz der küchentechnisch an sich begnadeten Stiefelbewohner.
Als ich einmal ein heimisches Carepaket mit Schwarzbrot und Maultaschen bekommen hatte, wollte ich letztere mit meinen Kommilitonen teilen, doch die fanden Teig, der nicht Pasta ist, widerlich.

Aber es gab Ausnahmen. Und das waren alles sympathische Typen.

Mein anderer Mitbewohner beispielsweise. Auf dem Papier war er Psychologiestudent, im täglichen Leben hatte er hauptsächlich drei Interessensfelder: 1. Mit mir das von mir regelmäßig importierte deutsche Bier zu trinken und über Bier zu philosphieren. 2. Am Wochenende nach Rom fahren, mit seiner Freundin vögeln. 3. Unter der Woche tat er (abgesehen von Interessensfeld Nr. 1) alles, um mit seiner Mannschaft, die uniinterne Meisterschaft im Fußball zu fünft zu gewinnen.

Der Sohn eines örtlichen Carbinieri-Offiziers. Er war groß, schlank, schön. Ein Frauenheld. Und Anarchist. Er kannte die besten Weinclubs (die anders als die regulären Kneipen keine Sperrstunde hatten). Er hatte immer Gras am Start, in seinem Autoradio liefen immer die Doors. Apropos Auto: Er fuhr nachts immer die kürzesten Wege, Einbahnstraßenschilder und ähnliches waren ihm egal. Den Polizeistreifen war es egal, dass es ihm egal war.

Und dann war da Roberto. Roberto fuhr im gleichen Bus wie ich und wurde mir von der aus einem kleinen apulischen Dorf stammenden Kommilitonin mit den vielen Haaren im Gesicht und auf den Armen vorgestellt. Er sei ein wenig verrückt, sagten die Jungs mit dem Parteibuch der Forza Italia und die Mädchen mit den Heiligenbildchen im Geldbeutel. Man solle ihn besser meiden, sagten sie.
Naja, er wusch sich nicht so oft und er sah keinen Sinn darin, nicht im napoletanischen Dialekt zu sprechen. Er bezeichnete sich als Kommunist, obwohl er die italienischen Kommunisten blöd fand. Zu allererst aber war er glühender Lokalpatriot und als solcher hatte er eine angenehme Abneigung gegen Norditaliener, war aber genauso besorgt um den Ruf seiner Heimatstadt. Als Gegenprogramm zur Camorra-Tristesse wollte er eine Art Hippie-Kleinstaat gründen:
Die Republik von Neapel.
Essen und Singen sollten Staatsbürgerpflicht sein, außer Kochen sollte es so wenig Arbeit wie möglich zu erledigen geben. Als Nationalflagge hatte er ein großes weißes Tuch mit einer Riesenpizza entworfen. Eine Hymne hatte er auch schon:


Direktcantare

2 Kommentare

  1. Vertreten - Graubrot6. Februar 2010 at 23:26

    […] kleine Anekdote aus meiner Jugend habe ich vorhin für das wunderbare Kraftfuttermischwerk aufgeschrieben. Der Hausherr hatte in […]

  2. Ronny7. Februar 2010 at 01:12

    „napoletanisch“…

    Eine Form der Beugung,um die ich die Neapolitaner fast beneiden möchte.

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