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„Der Klang der Familie“ als Doku: Party auf dem Todesstreifen

Den Namen hätte man sicher treffender und weniger catchy gestalten können, ansonsten aber ist das eine wirklich rundum gute Doku über den Techno in Berlin der 90er Jahre, die sich an der Techno-Fibel „Der Klang der Familie“ orientiert.

Felix Denk und Sven von Thülen haben mit ihrem Buch “Der Klang der Familie” vor zwei Jahren ein Must Read über die Zeit nach dem Mauerfall und den Techno in Berlin veröffentlicht. Dieses fasst so ziemlich all das zusammen, was meine Liebe zum Techno damals gebar und zum Teil heute noch ausmacht. Außerdem spiegeln sich darin ganz wunderbar die Wochenenden meiner Jugend.

Lief gerade auf arte, jetzt für sieben Tage auf arte+7. Und jeder, der wissen will, wie das damals mit dem Techno in der Hauptstadt war, sollte sich das ansehen. Junge deutsche Musikgeschichte.

2014 jährt sich zum 25. Mal der Fall der Mauer. Die Dokumentation zeigt, wie 1989 ost- und westdeutsche Jugendliche in Berlin im Schatten des politischen Umbruchs eine neue Kultur etablieren: den Techno. Auf illegalen Partys tanzen alle gemeinsam, Gegensätze zählen nicht mehr. DJs wie Laurent Garnier und Clubbetreiber wie Dimitri Hegemann teilen ihre Erinnerungen an diese Zeit.

Techno verstärkt das Freiheitsgefühl der Wendezeit und nirgends verdichtet sich das Gefühl grenzenloser Möglichkeiten stärker als in Berlin. Im schnellen Rhythmus des Techno verbindet der Film historisches Bildmaterial von Partys und Clubs mit den Erinnerungen von DJs wie Laurent Garnier, Tanith und Marc Redder, Clubbetreibern wie Dimitri Hegemann und Johnnie Stieler, Partygängern und Künstlern. Sie erzählen von der anarchischen Frühphase der Berliner Technoszene und vom Zusammenwachsen Ost-West. Techno ist nicht nur der Soundtrack der Wende, er ist auch der Antrieb für die erste gesamtdeutsche Jugendbewegung.

Dabei ist dies zunächst purer Zufall. Da entsteht diese neue, raue Maschinenmusik, und dann fällt die Mauer. In Ostberlin kollabiert die Verwaltung, die ehemalige Hauptstadt der DDR verwandelt sich in eine „Temporäre Autonome Zone“. Plötzlich gibt es all diese Räume zu entdecken: Keller im staubigen Niemandsland des ehemaligen Todesstreifens oder Bunkeranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Gefeiert wird in leerstehenden Heizkraftwerken und Fabrikhallen und natürlich: illegal.

Kaum Text, dafür Rhythmus – die Musik ist sowohl für die Kids aus dem Osten als auch aus dem Westen komplett neu. Dazu die scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten, die der politische Umbruch bietet. In den Ruinen und Brachen entsteht eine neue Kultur, die zur prägenden Jugendkultur der 90er Jahre wird. Während sich im Rest der wiedervereinten Bundesrepublik bald der Wendekater einstellt, scheinen in der entstehenden Technoszene für eine Weile Gegensätze nicht mehr zu zählen.


(Direktlink)

2 Kommentare

  1. We Are Family29. Juli 2014 at 02:14

    Als Ergänzung zum Thema evtl. ebenfalls interessant:

    Die arte-Doku ›Willkommen im Club! – 25 Jahre Techno‹ (http://www.arte.tv/guide/de/048896-000/willkommen-im-club) oder der Spiegel-Artikel ›Die Pioniertage des Techno – Ein Geheimzirkel erobert die Welt‹ von Mijk van Dijk (http://www.spiegel.de/einestages/die-pioniertage-des-techno-a-949509.html). Dank WolleXDPs Mixcloud-Beitrag ›Tekknoclassics Vinyl 1989-1991‹ (http://www.mixcloud.com/WolleXDP/wollexdp_tekknoclassics_vinyl_1989-1991/) oder einem bei Soundcloud auffindbaren Kid Paul-Mix von 1992 (https://soundcloud.com/hannes_1961/1992-05-02-omni-frankfurt-kid) kann man dann auch noch – stellvertretend – einen akustischen Eindruck davon gewinnen, worüber in den Dokumentationen im Zusammenhang mit dem Berliner Sound der damaligen Zeit gesprochen wird.

    Abschliessend noch ein WolleXDP-Zitat aus dem Zeit-Artikel ›Sambaschule für Mammuts‹ von Klemens Polatschek: »Rock ist reaktionär. Leute, die heute Rockmusik hören, sind reaktionär, leben in der Vergangenheit. Tekkno beendet diese Zeit endgültig.« Muhuha! B)

  2. We Are Family31. Juli 2014 at 20:57

    Nachtrag: Ein Kumpel wies mich im Zusammenhang mit der empfohlenen Doku auf 2 schöne Tanith-Sets vom Walfisch-Revival hin, welche das ehemalige Feeling noch einmal auferstehen lassen, weshalb ich’s hiermit für Interessierte weitergeben möchte:

    • Walfisch Reloaded 2013-06-07 (https://soundcloud.com/tanith/walfisch-reloaded-2013-06-07)
    • Walfisch Revival Party 2014-03-14 (https://soundcloud.com/tanith/tanith-walfisch-revival-party)

    Viel Spaß! :)

    P.S.: Von Marcos López fand ich noch seinen 1991 entstandenen Bedroom-Mix ›Te-Te-Tekkno‹ (http://www.mixcloud.com/marcoslopez/marcos-l%C3%B3pez-dj-mix-berlin-collection-dezember-1991-te-te-tekkno/). Er wollte mit dieser gelungenen Mix-Übung sein Erleben der Tresor-Nächte als Tänzer wiedergeben. Über seine damalige Rolle bei DT64 bzw. später Radio Fritz hatte Ronny hier (https://www.kraftfuttermischwerk.de/blogg/marcos-lopez-radioshow-archiv-online/) bereits einiges geschrieben.

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