Zum Inhalt springen

Der „dämonisch“ schreiende Junge auf einem 8-Stunden-Flug – und die Meinung einer Stewardess

[Update] 17.02.18, 00:03 Uhr: Die hier zitierte Flugbegleiterin hat mit einer Kollegin gesprochen, die auf dem Flug dabei war. Laut ihrer Aussage sei der im Netz geächtete Junge Autist.

Heute hatte ich mehrfach dieses Video im Reader, das von sich sagt, einen etwa drei bis vier Jahre alten Jungen zu zeigen, der auf dem Flug von Deutschland nach Newark, NJ, gut acht Stunden durch geschrien hätte. „Dämonisch“ im Sound, was dem aufgezeichneten Sound durchaus nahe kommt. Mich hat das irgendwie mitgenommen. Als Vater. Als Pädagoge.

Fliegen bedeutet für mich persönlich enormer Stress. Ich hasse es, weiß aber, dass es manchmal durch bestimmte und gesetzte Umstände keine andere Möglichkeit gibt. Dann nehme ich es notgedrungen hin, versuche durchzuhalten und irgendwie meinen Stress im Zaum zu halten.

Als ich dieses Video sah, das aus acht Stunden Flug auf nicht ganz fünf Minuten zusammengekürzt wurde, musste ich daran denken, wie sehr mich das ganz persönlich in meiner dortigen Situation fertig gemacht hätte. Zumal das Video vorgibt, dass der Bursche echt acht Stunden durch geschrien hat. Ob dem tatsächlich so war, lässt sich schwer nachvollziehen. Steht halt aber so da.

Wir sitzen hier dann abends im Pädagogen-Haushalt so und gucken uns das nochmal an. Ich wollte es schon mittags ins Blog packen, war mir aber nicht sicher. Der Junge ist irgendwann zu erkennen – und ich weiß halt auch nicht so genau, ob das alles genau so gewesen sein soll. Wenn ja, meine Fresse, da hilft auch kein Noise Cancelling und du bist halt acht Stunden in dieser Kiste gefangen. Aber wenn nicht?

Die Frau des Hauses sagt, „Krass!“ Wir reden darüber. Die Passagiere, die Flugbegleiter, die Mutter. Vor allem die Mutter! Irgendwer müsste da doch mal was sagen. Was machen! „Da wirste doch bekloppt!“, so unsere einhellige Meinung. Das will ja keiner.

Sie dann so: „Warte mal, ich schreibe mal eben der Stewardess, die ich kenne. Die begleitet regelmäßig Flüge in die USA. Mal sehen, was die davon hält.“

Ihre erste Antwort: „Das Video zeigt nicht mal fünf Minuten aus acht Stunden. Wenn ich den nicht kenne, der das Video gemacht hat, bin ich da erstmal skeptisch.“ Okay. Guter Hinweis, über den ich so, zugegeben, bisher nicht nachgedacht habe. Aber sie schreibt weiter:

„Soll so schon mal vorkommen, habe ich selber so aber noch nie erlebt.

Aber wir würden immer hingehen und versuchen uns ein Bild zu machen. Kind krank, Panik, paralysiert, Medikamente. Und auf alle Fälle mit den Eltern reden. Sowas geht gar nicht und das Kind hat auch auf den Rücklehnen so gar nichts zu suchen.“

Ob irgendwas davon versucht wurde, zeigt das Video nicht. Gibt auch kaum bis gar nicht Hinweise darauf. Sich ein echtes Bild zu machen, fällt deshalb schwer.

Sie weiter:

„Wenn das hier so krass war, dann haben die Kollegen bestimmt versucht, etwas zu unternehmen. Ist vor allem der Job vom Purser. Der ist extra nicht in den Service integriert, um sich um solche ‚Besonderheiten‘ zu kümmern.“

Auch davon sehen wir nichts.

Nun kann es sein, dass die Szenen davon in dem Video einfach keinen Platz gefunden haben. Es kann sein, dass es diese nicht gab. Oder doch. Ich weiß es halt nicht. Und darum mag ich mir kein Urteil darüber erlauben, was genau bei diesem Flug passiert ist.

Es ist nur so, dass das Netz den Jungen zu einem „Dämon“ und die Mutter zu einem Arschloch macht. Schwierige Kiste, ohne mal nachgefragt zu haben.

Das, was ich hier sehe, hätte mich als Vater, als Pädagogen und vor allem als vom Fliegen immens Gestresster total aufgeregt. Aber ich sehe halt nur fünf Minuten von einem Acht-Stunden-Flug. Und diese fünf Minuten bringen jegliche Bewertungen, jegliche Urteile gleich mit. Ich hätte sie fasst unterschrieben und mich empört. Dabei habe ich gar keine Ahnung, was genau an Bord da passiert ist.

Schön und auch wertvoll, da nochmal nachgefragt zu haben. Bei einer Stewardess. Einer, der täglich Brot solche Situationen sind, auch wenn das in dem Clip nicht ersichtlich ist. Danke dafür.

Aber wenn sich das so tatsächlich acht Stunden so zugetragen haben sollte, hätte sich das für mich absolut katastrophal angefühlt, um das mal gelinde auszudrücken.

Allein: diese fünf Minuten reichen halt nicht aus, um über tatsächlich acht geflogene Stunden urteilen zu können. Deshalb mag ich das nicht tun. Wollte ich nur eben mal loswerden.

12 Kommentare

  1. Bjoern13. Februar 2018 at 23:51

    Stellt sich mir immernoch die Frage: Warum dann posten? Ich hab zwei kleine Kinder und wir fliegen regelmäßig übern großen Teich, Familie hier, Familie da. jedesmal sind auch andere kleine Kinder an Bord, und ja, manchmal schreien die auch, ist eben ne lange, langweilige Zeit. Und dann geht es eben los mit der selektiven Wahrnehmung. Für dich als Vater ist es die Stunde nach dem Start bis zum Essen oder die zwei Stunden zwischen Schlaf und Landung. Für Passagiere ohne Kinder oder bei denen das schon ne Weile her war, wird daraus schnell der “ganze Flug, ungelogen!”. Andersrum könnte man auch n super Video von 5 min zusammenschneiden, in dem man nur genervte und kopfschüttelnde Reisende sieht, und drunter schreiben “Mein Kind hat im Flugzeug geschrien, danke für Ihr Verständnis”. Merkste selber, ne? Ich persönlich finde es nicht gut, dass Du dieses Video postest und Dich somit indirekt an der Hexenjagd beteiligst, zumal Du ja in Deiner langen Erläuterung dazu klar machst, dass Du Dich sehr kritisch damit auseinandergesetzt hast.

    • Ronny14. Februar 2018 at 00:07

      Ich habe das Video nur verlinkt, was für mich einen Unterschied zum „Posten“ macht. Mach ich aber, weil sonst alle eh wieder nach dem Link dorthin fragen.

      Warum ich darüber schreibe? Weil es mich bewegt. Egal in welche Richtung. Und dafür ist das hier immer noch da. Sollte es immer sein.

      Und ey: wenn du das Gefühl hast, dass jene selektive Wahrnehmung im Regelfall wichtiger sei, als das, was am Ende tatsächlich passiert ist, kann der Beitrag dem ja auch zuträglich sein. Darum ging es mir ja auch. Und dann will ich das halt hin und wieder auch sehr gerne mal loswerden. Vielleicht taugt es ja dazu, euren nächsten Flug irgendwie entspannter zu machen. Weil vielleicht der ein oder die andere anders darauf gucken. Und das mein ich ernst. Wirklich.

      • Bjoern14. Februar 2018 at 00:24

        Bewegung ist immer gut, hilft bei der Reflexion. Ich hab dieses Video auch über mehrere Kanäle wahrgenommen und mich über das Fehlen eben selbiger Reflexion gewundert, weil viele das Kind oder die Mutter an den Pranger stellen. Manchmal kann man eben nichts machen. Ich habe auch nur Fälle erlebt, bei denen die Eltern die entspanntesten Beteiligten sind. Die wissen halt wie es ist. Ich würde mich auch freuen, wenn der Post (und damit meine ich nicht den Link sondern Deinen Text dazu ;-)) und Deine Antwort dazu beträgt, dass einige Mitreisende in solchen Fällen gelassener sind. Das Video hat leider schon n riesen Shitrucksack auf. Dank Dir für Deine Antwort!

        • Ronny14. Februar 2018 at 00:29

          Darum ging es mir. Und leider gehört der Link zum Video dabei halt in den Kontext.

          Und klar fände ich es gut, wenn der Text dazu irgendwas macht. ;)

  2. Thomas14. Februar 2018 at 11:22

    Kannte das Video nicht. Dank dir aber vor allem für den Text.

  3. Georg14. Februar 2018 at 15:22

    Das Verhalten von Kindern ist immer Ausdruck der Erziehung der Eltern. Der Junge kann am wenigsten für sein Verhalten.

    Unabhängig davon, ob das Video nun authentisch ist oder nicht.

    • arno nyhm14. Februar 2018 at 16:16

      IMMER UND AUSSCHLIEßLICH lieber Georg!
      da gibt es keine ausnahme!

      alter -.-

    • Harry15. Februar 2018 at 15:40

      Klar. jedesmal,wWenn ich einem Kind auf dem Spielplatz eine reinhaue und das dann anfängt zu schreien, denk ich mir auch „was müssen das für Eltern sein, ey?“

  4. harthelm15. Februar 2018 at 11:45

    das arme dötzken.

  5. der Benni15. Februar 2018 at 21:07

    mal angenommen er hätte wirklich stundenlang geschrien… spätestens nach einer stunde hätte ich dem bengel nen grund zum schreien gegeben. und der hätte ihm nicht gefallen.

    • Banger16. Februar 2018 at 09:10

      Ein durch und durch überzeugendes pädagogisches und soziales Konzept. Hut ab.

  6. Banger16. Februar 2018 at 09:09

    In erster Linie muss man berücksichtigen, dass so ein Flugzeug mit vielen Menschen auf wenig Raum tendenziell hohen Stress bedeutet, mit dem ein Kleinkind nicht rational umgehen kann. Die Tage bin ich mit unserer zweijährigen Tochter Bus gefahren, das hat sie auch spürbar beeindruckt.
    Sie ist ganz still geworden und hat meine Hand gehalten – andere Kinder reagieren halt anders darauf.

    Natürlich ist so eine Situation für das gesamte Umfeld anstrengend, aber aus eigener Erfahrung weiß ich mittlerweile: Da, wo (bevorzugt) kinderlose mit „da muss man doch was machen“ reagieren, sind den Eltern meist schon Stunden vorher die Optionen ausgegangen. Und so ein Flug hat ja auch immer schon eine Vorgeschichte mit Check-In und so.

    Wenn die Eltern nicht gerade vom Planeten Arschloch kommen, werden auch die schon nervlich hinüber sein und natürlich mitbekommen, dass ihr gesamtes Umfeld sie gerade mitsamt Nachwuchs ins Feuer schmeißen will.

    Wenn es Ihr Nervenkostüm noch zulässt: Tragen Sie mit eigener Ruhe zur Deeskalation bei. Spenden Sie den Eltern ein aufmunterndes Lächeln.

    Sie können natürlich auch Videos mit erkennbaren Gesichtern und reißerischen Untertiteln teilen und sich selbst als Arschlochkind outen, wenn’s sein muss.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Entdecke mehr von Das Kraftfuttermischwerk

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen