Man kann viel lernen in der Bahn. Zumindest kann man viel darüber erfahren, wie sich andere Menschen so mit dem Leben arrangieren und was sie generell davon halten. So auch heute Nacht. Drei Ladys, ein junger Mann. Allesamt über dem Zustand, den man weitläufig als „beschwippst“ benutzen würde. Allesamt auf dem Weg nach Potsdam. Während er über seine physiotherapeutische Ausbildung lammentierte und den Ladys dabei ununterbrochen an den Gliedmaßen rumdrückte, um ihnen nun auch anschaulich zu machen, wie das mit den Muskeln so läuft, bevorzugten diese es, mal darüber zu reden, wie es denn mit dem richtigen Alter einer Frau für Nachwuchs wäre. 32, so konnte ich hören, „wäre schon viel zu alt“, hingegen 20 noch viel zu früh wäre. Gut, nicht das etwas Neues wäre. Es ist nur so, dass ich die Damen nicht um ihre Meinung gefragt hatte und sie diese, dennoch, für jederman deutlich hörbar in die Welt krakelen. Eine, ich nenn sie jetzt mal Petra, meinte sie sei „jetzt 26 und eigentlich im besten Alter, nur sie hätte keinen Mann.“ „Das sei ein Problem“, meinte ihr Gegenüber, „weil ohne Mann wäre es ja schlecht mit Kindern und so.“ Bingo, dachte ich, dass wäre zumindest schonmal keine schlechte Konstellation um ein Kind zu zeugen. Petra aber meinte, „dass das gar nicht so einfach wäre mit den Männern und Beziehungen ja auch so eine Sache sind.“ Diese sind nämlich „generell sowieso nur von den finanziellen Umständen abhängig.“ Aha, Petra. Da hatte ich dann offenbar bisher was verpasst. Mag ja sein, dass ich da etwas zu romantisch bin, aber eigentlich dachte ich bisher, es ginge eher um sowas wie die Liebe. Gut, wieder was gelernt. Dannach allerdings habe ich, dass Zuhören konsequent eingestellt. Ich hatte ein wenig Angst, die Bahn als Intellektueller verlassen zu müssen, wenn da noch mehr derlei Erkenntnisse Petras in meinem Kopf ankommen würden. Ein wenig Wissensvermittlung tut es ja auch des Nächtens in der Bahn, dachte ich. Nur eines hätte mich noch interessiert. Und zwar: ob der junge Mann es tatsächlich noch geschafft hat, nach seiner sehr engagierten Art und Weise, wie er den Ladys das mit den Muskeln erläutert und gezeigt hat, noch in die Gelegenheit kam, dass Alter der Damen für die Geburt ihrer Kinder zu fixen, ohne darüber zu reden, wenn ihr versteht. Es sah gut für ihn aus. Sehr gut sogar. Die Vier stiegen in Babelsberg aus und verschwanden in der Nacht. Wahrscheinlich in einer 3er Mädchen- WG.
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