Als ich heute mit einem 1989 geborenen jungen Mann über die DDR gesprochen habe, fiel mir auf, wie weit das alles weg ist. Damals. Beklemmend fand ich im selben Moment allerdings, wie nah das alles ist. Heute.
Natürlich wäre es dumm, einen generellen, einen totalen Vergleich aufzustellen, aber da sind diese kleinen Dinge, diese kleinen Parallelen, die sich mehr und mehr summieren in einem System, dass sich sich mal als Sieger über das Böse, das Falsche rühmte und immer noch gerne rühmt. Einige Methoden, die das Böse als solches nach Lesart des selbsternannten Siegers ausmachten, werden heute ganz offenbar gerne übernommen, auf ekelhafte Art perfektioniert gar. Das zu erläutern ist verdammt schwierig und auch frustrierend. Es stellt als Rückschluss die Frage, ob man das so gewollt haben könnte, damals.
Dazu kommt: ich nehme es den Menschen nicht übel, wenn sie das alles über sich ergehen lassen. Viele, zumindest im Osten, waren Schlimmeres gewohnt, haben sich damit arrangiert, ihr Leben in diesem ihnen möglichen Rahmen gelebt. Warum sollte das heute anders sein? „Weil sie es heute anders sein darf. Weil man heute etwas tun kann.“, wären sicher Argumente, keine schlechten sogar. Nur ich persönlich glaube nicht daran, dass das eine wirkliche Änderung der Verhältnisse schaffen kann. Weil es nicht sein soll. Keine 2 Millionen Deutsche, die dafür auf die Straße gehen würden, würden daran etwas ändern. Davon bin ich überzeugt und das frustriert mich zutiefst, denn ich würde mich so gerne vom Gegenteil überzeugen lassen.
Und: ich glaube, dass ein Großteil der jungen Menschen nicht im Geringsten verstehen, was man ihnen da wegzunehmen versucht. Auch weil sie das nicht zu schätzen wissen. Auch das kann ich ihnen nicht übel nehmen, es ist ihre Zeit. Sie haben ganz andere Dinge im Kopf, mit ganz anderen Dingen zu kämpfen. Man hat sie ja auch über einen langen Zeitraum stumpf gemacht. Wenigstens das hat gut funktioniert.
Es ist traurig, aber wenn ich eine Sache in Bezug auf die heutige Politik gelernt habe, dann, dass sie langsam und dumm ist. Ich fühle mich auch irgendwie so, als würde die jetzige Welt in näherer Zeit einfach zerbrechen und das normale Leben aufhören zu existieren. Ich weiß nicht, ich bin 1990 geboren, war das vorher anders?
So schnell zerbricht die Welt nicht. Es werden einem nur Dinge entzogen, die man bzw. ich – zumindest zeitweise – als Wert vertreten habe, für den zu kämpfen es sich durchaus lohnen würde. Ich bin in einem Land großgeworden, in dem Werte und Rechte, die sich heute Stück für Stück aufzulösen scheinen, ohnehin nicht existierten. Vielleicht weiß ich sie gerade deshalb so zu schätzen.
Die Jahreszahl bezieht sich nur auf das Gespräch über die DDR. Da war der junge Mann gerade geboren.
Keine 2 Millionen würden daran etwas ändern? Das kommt darauf an. Es stellt sich langsam die Frage nach der Legitimität einer Eskalation des Protestes. Faschingsumzüge wie letztens von ATTAC und einigen anderen Organisationen organisiert, helfen tatsächlich nicht. Wobei ich ausdrücklich nicht von Gewalt rede. Es gibt auch andere Formen des wirkungsvollen (Massen-)Protestes.
Nein, die Frage, ob es vorher anders war, bezog sich nicht auf die Person, mit der du gesprochen hast. Es ging mir nur darum, nachzufragen, ob dieses Gefühl, dass die alltägliche Welt bald zerbrechen würde, auch früher schon vorhanden gewesen ist.
Heutzutage ist es ja nicht nur die Einschränkung von Datenschutz und die Einführung von Internetzensur. Es sind Klimawandel, Wirtschaftskrise, Extremismus, Intoleranz, Energieproblem, Wasserkrise und Ressourcenknappheit.
Und trotzdem funktioniert das alles irgendwie und ich frage mich einfach nur, ob das mit dem Dritten Weltkrieg am Horizont von den Gefühlen her damals auch so schlimm war oder man sich da trotzdem irgendwie sicher gefühlt hat.
Achso.
Schwer zu sagen. Ich für meinen Teil war mit 13 noch etwas zu jung für diese Empfindungen. Und das obwohl uns täglich der Worst Case prophezeit wurde. Ich glaube schon, dass es Zeiten gab, in denen junge Menschen damals noch eher als heute das Gefühl hatten, dass die Welt auf irgendeine Weise auf ihr Ende zusteuert. Auch weil im Osten alles extrem politisiert wurde.
Ich glaube, ohne es zu wissen, dass sich die jungen Menschen heute eher weniger Gedanken um das machen, was „da draußen“ passiert. Ich nehme ihnen das, wie ich ja schon meinte, nicht übel. Allerdings stimmt es mich nachdenklich. Ich habe den Eindruck sie verstehen sich nicht als Teil dieser Welt, der die Kraft hätte etwas verändern zu können. Vielleicht sehen sie auch gar keine Notwendigkeit darin, etwas ändern zu müssen, sie haben derlei Ängste nicht, habe ich den Eindruck. Ich will das nicht verallgemeinern, kann das nur in meinem Umfeld beobachten und habe mit vielen Jugendlichen zu tun.