Tag 1: Der Zug kommt pünktlich, das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Die Stimmung ist gut. Die Zehn Jungs wissen noch nicht, wo genau das Floss zusammengebaut werden soll, ebenso wenig. Ich auch nicht. Nach knapp zwei Stunden Fahrt verlassen wir in Hangelsberg den Zug. Im Umkreis von 50 Metern um den Bahnhof soll nun ein Hinweis versteckt sein, wie es zu der Stelle geht, die es nun zu ereichen gibt. Nach ca. 15 Minuten wird eine Karte gefunden, die uns den ca. 2 Kilometer langen Fussweg offenbart. Die Kids dachten, sie würden, wie im letzten Jahr, von Autos abgeholt und sind nicht wirklich amüsiert darüber, Nach vier Stunden quält uns Betreuer der Hunger und wir versuchen zu erfragen, ob es denn angedacht sei, auch irgendwo einen Stop zu machen, um zu vespern. „Ja“ es sei angedacht. Nur bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ein sehr weiter Weg. Sobald Menschen am Ufer auftauchen, fragen die Kids wie weit es noch bis Neu Zittau sei. Da nämlich planen sie den dass sie das nun laufen müssen. Einige von ihnen haben viel zu viel Gepäck in so Reisetaschen, wie sie in den 90gern mal aufkamen. Die Dinger sind nicht nur potthässlich, sondern auch alles andere als praktisch. Sie qäulen sich nun also 20 Minuten über den neuen Berliner Umland Asphalt und bemerken rasch, dass man hier nur allzu wenig Menschen trifft. Mittlerweile ballert die Sonne regelrecht. Die Stimmung ist dennoch gut.
Wir kommen an dem Platz an, an dem mein Kollege das Material zum Bau des Flosses abgelegt hat und an dem er uns erwartet. Kurze Vorstell-Begrüßungs-
Grundsätzliches-Runde. Die Kids bekommen etwas Materiel, auf dem zu erkunden ist, wie man denn nun so ein Floss baut und vertiefen sich dann in die Planungsphase. Wir stehen für Fragen zur Verfügung, bauen aber, dass müssen sie selber. Nach circa 4 Stunden geht das bzw. die Flösse zu Wasser. Man entschied sich in der Gruppe für ein Floss was die Kids trägt und ein Beifloss, auf dem das Gepäck schwimmen soll.
Es wird ziemlich schnell und für die Kids ziemlich intensiv klar, dass ein Floss seine Geschwindigkeit selber bestimmt oder sich diese eher an der Strömung orientiert. Die zehn Paddel sehen zwar gut aus, helfen aber so gut wie nichts, um schneller zu fahren. Auf die Idee, anstatt der Paddel sich Staken zu nehmen kamen sie vorerst nicht. Wir werden erst später einen Hinweis diesbezüglich geben. Nach dem Wassern des Flosses sind die Kids in jedem Fall euphorisiert und bester Dinge. Das wird sich all zu bald ändern. Wir Betreuer fahren in einem furchtbar wackeligen Kanadier hinterher. Ab hier ist das nun ihr Weg.
Nach drei Stunden Fahrt wird den meisten klar, dass das hier kein Ich-leg-die-Beine-hoch-und-mache-mal-eben-einen-Erholungstrip wird, sondern mitunter richtig harte Arbeit. Die Bauherren verzichten im Vorfeld darauf, die Plastiktonnen dicht zu kleben. Fatal, wie sich nun rausstellt. Die Tonnen lecken und es läuft in einige Wasser hinein. Viel Wasser. Das Floss bekommt eine unangenehme Seitenlage und steht fast komplett 10 Zentimeter unter Wasser. Das Gepäckfloss droht gänzlich abzusaufen und wird während der Fahrt it den Händen und einer Schüssel entwassert. Die Stimmung beginnt rapide zu sinken. Es kommt die Erkenntnis hoch, dass die Tour nicht umsonst „Flossimo Extremo“ heißt.
Zugegebenermaßen haben auch wir uns ein wenig verkalkuliert was die Tragkraft der sechzehn 60-Liter Tonnen betrifft. Wir hätten nicht gedacht, dass die zehn Fahrenden das Floss dermassen belasten könnte. Wir bestellen auf dem nicht offiziellen Wege zum nächsten Nachmittag noch zwei Fässer a 200 Liter. Das sollte reichen.
Die Stimmung ist im Arsch. Die Kids wollen an Land und ein Lager bauen. Sie wollen essen, sie wollen schlafen. Nur kann man eben nicht wahllos überall anlanden. Schon gar nicht mit einem Floss dieser Größenordnung.
Ein erster Versuch wird schnell wieder verworfen. Nicht nur, weil das Anlandemanöver in einem Busch landet, sondern auch, weil der eigentlich ganz nette Lagerplatz, voller Schwanexkrementen ist. Wir Betreuer wissen um eine nette Stelle in Mönchwinkel. Bis zu dieser wollen sie noch fahren, obwohl die Motivation in diesem Moment alles andere als hoch ist. Das haben sie sich doch ein wenig einfacher vorgestellt. Auf dem Floss kommt es zu ersten Konflikten, die es auszutragen gibt. Meinem Kollegen und mir kommt der Gedanke, dass wenn es bei diesem Tempo bleibt, es schwierig wird, noch im Hellen die angedachte Lagerstelle zu erreichen. Wir entscheiden uns dafür, meinen Kollegen an Land gehen zu lassen, so das er per Fuss vorgeht um schonmal Feuerholz zu sammeln und ein feuer zu machen. Als wir den Lagerplatz erreichen ist die Stimmung ziemlich weit unten. Alle haben Hunger und sind müde. Nachdem Essen steigt die Stimmung wieder. Als allesamt am Fuer sitzen, machen wir einen Befindlichkeitscheck. Auf einer Skala von 10 – für: „Mir geht es prima.“ bis 1 – für: „Ich will nach Hause. Und zwar sofort!“ gibt es einen Schnitt von 7. Nach Aussagen der Kids war dieser Wert beim Ende der heutigen Flossfahrt bei 1-3. Ulala. Das überrascht auch uns ein wenig. Der Himmel ist sternenklar und wir verzichten darauf ein Biwak zu bauen, legen uns ums Feuer und schlafen ein.
Tag 2: Die Kids haben sich dazu entschieden, heute nicht weiter zu fahren. Sie wollen auf die 400 Liter Tragkraft warten, die in Form von zwei 200 Liter-Fässern heute geliefert werden sollen. Außerdem wolle sie sämtliche Fässer verkleben und den Rest des Tages „chillen“, wie sie es nennen. Da jedem von uns nur einen Euro pro Tag an Verpflegungsgeld zu Verfügung steht,müssen sie sich Gedanken darum machen, wie wir alle satt werden können über den Tag lang. Das heißt: Frühstück, Mittag, Vesper und Abendbrot. Da das nicht mit 12 Euro zu bewerkställigen ist, werden sie ihre Arbeit im Tausch gegen etwas zu Essen anbieten. Trinkwasser wird auch über diesen Weg besorgt. Davon brauchen wir bei 36°C jede Menge. Eine Grundlage an Essen haben wir zwar eintstecken, aber reichen tut das nicht. Ein Teil der Gruppe macht sich also auf den Weg durch das anliegende Dorf. Der Rest geht baden und liegt in der Sonne. Ich auch.
Wir bekommen einen Anruf, dass es hier keinen Laden und somit keine Einkaufsmöglichkeit gäbe, sie aber die Möglichkeit hätten, ein lebendes Huhn zu bekommen. Das solle 15 Euro kosten. Es gäbe aber auch noch jede Menge Gemüse dazu. Okay. Wir sagen ihnen, dass sie das Huhn dann selber schlachten, rupfen, und ausnehmen müssten. Beim kochen wären wir behilflich. Eine andere Gruppe kommt mit zwanzig Litern Trinkwasser und vier Konserven aus dem Dorf zurück. Schlechte Ausbeute. Wir warten auf das Huhn.
Die ziehen das jetzt echt durch. Sie kommen mit einem lebendigem Huhn in einem Pappkarton und kiloweise Gemüse. In der Gruppe wird aufgeteilt, wem nun welche Tätigkeit zukommen wird. Schlachten, ausnehmen und so weiter. Ich bin raus ab hier und gehe baden. Nicht das mir die Sache unangenehm wäre. Im Gegenteil: wer Fleisch essen will, sollte auch wissen, dass dieses nicht in den Kunststoffpackungen wächst, in denen es im Supermarkt in der Kühltruhe pfeilgeboten wird. Dennoch, der Tag ist zu schön, um ihn mit Blut zu beflecken. Ich fahre mit dem Kanadier ein Stück die Spree runter, suche mir eine Badestelle und „chille“, so wie sie es nennen. Das Wasser ist angenehm kühlend und ich genieße den urwüchsigen Flair der Müggelspree.Nach einer halben Stunde kehre ich zurück und das Schlimmste ist offenbar schon geschehen. Das Huhn sieht aus, als wäre es frisch aus der real-Kühltheke entflogen. Die Stimmung ist bestens. Es tut der Gruppe gut, solche Dinge in Kooperation zu tätigen. Wir machen eine deftige Hühnersuppe. Währenddessen kommen die zwei Fässer und werden gleich mit den übrigen bearbeitet. Die Deckel werden verklebt, so das kein Wasser mehr hineinlaufen kann. Ob das wirklich dafür sorgt, dass das Floss 20-30 Zentimeter mehr an Höhe gewinnt und vor allem, dass in die Tonnen kein Wasser mehr läuft wird sich erst Morgen zeigen wenn der Kleber getrocknet ist und das Floss erneut zu Wasser geht.
Wir essen ein äusserst wohlschmeckende Hühnersuppe. Auch die, die erst nicht bereit waren diese zu essen, ergeben sich der Gruppendynamik und kosten wenigstens. Wir brauchen nochmal Wasser und es gehen wieder welche los und holen welches. Abends gibt es Tee und Espresso, der ohnehin die ganze Woche für Energie gesorgt hat. Rund um die Uhr. Die Stimmung in der Gruppe ist großartig. Kein Wunder, heute wurde auch nicht mit dem Floss gefangen. Der Tag neigt sich dem Ende. Die Kids erfreuen sich an einer Affenschaukel, die fünfzig Meter flussabwärts einsam vor sich hinhängt. Ich gehe mit meinem tensidefreiem Duschbad in der Spree baden und es wird dunkel. Der Himmel ist ganz nach Vorhersagen wieder sternenklar und wir sparen uns erneut das Biwak. Uns kommt der Gedanke mit dem ganzen Gedöns, was im Camp so rumliegt eine Percussion-Session zu machen. Die großen Stahlfässer eignen sich bestens zu sowas. Die kleinen Plastiktonnen auch. Es dauert eine halbe Stunde, bis zwei Polizeibeamte auftauchen und uns sagen, dass es Beschwerden aus dem Dorf gab. Wir sagen, „wir hätten nur gesungen“ und versprechen, dass das nicht mehr vorkommen würde. Sie fahren wieder. Das Feuer wärmt und wir legen uns schlafen.
Die Mücken sind eine Qual, der Schlafsack für das Klima viel zu dick und irgendwo da hinten jagt ein Gewitter durch den Himmel. Wir überlegen kurz eine Plane zu ziehen, aber ergeben uns der eigenen Trägheit, legen uns eine Plane unter, um diese im Falle eines Regens einfach überzuziehen. Später dann hat uns das Gewitter eingekreist. Es müssen mehrere sein, denn es blitzt und donnert überall um uns herrum. Ich schlafe ein und wir bleiben auch in dieser Nacht trocken.
Tag 3: Aufgrund der Tatsache, dass gestern nicht geflosst wurde ist die Stimmung gut. Das große Floss muss nach dem Trocknen des Klebers nun wieder zusammengebaut werden und das Gepäckfloss komplett neu aufgebaut werden. Dann wird sich zeigen, ob wir die erhofften 20-30 Zentimeter an Höhe gewinnen können, so das das Floss auch als ein solches zu erkennen ist und vor allem das man auf dem Floss auch sitzen kann, ohne im Wasser sitzen zu müssen. Es klappt.Das Floss ist nun baulich bestens präpariert um den Rest der Woche auf diesem verbringen zu können. Die Kids haben unseren Hinweis, dass man mit Staken vielleicht besser vorankommen würde angenommen und zur Umsetzung zwei vier Meter lange Knüppel besorgt, die ab jetzt zum staken dienen. Das es aber auch dann nicht mit der Geschwindkeit eines Kanus vorangehen wird ist ihnen noch nicht ganz klar. Kommt aber bald schon. Da das Dorf zwecks der Essensbeschaffung gestern schon erfolgreich abgegrast wurde, belassen wir es bei dem Versuch der Trinkwassergewinnung, was nach dieser Nacht schon unangenehm genug sein dürfte. Aber es funktioniert ohne weiteres und wir machen uns wieder auf den Weg um in Hartmannsdorf Essen zu besorgen. Die mitgebrachten Grundnahrungsmittel gehen langsam der Neige zu und wir brauchen unbedingt Neue. Auch unabhängig davon, was man für die täglichen 12 Euro kaufen kann. Es sind wieder um die 35°C und die Sonne knallt erbarmungslos auf uns hernieder. Wir Betreuer im Kanadier überlegen, ob das so gut sein kann, stellen aber ganz pragmatisch fest, dass wenn wir stoppen, wir zu wenig zum Essen haben und die 20 Liter Trinkwasser gerade bei der Hitze nicht lange reichen werden. Wir entscheiden, weiter zu fahren und instruieren die Kids: Kopfbedeckung. Sonnenschutzcreme. Trinken, trinken, trinken! Die Stimmung auf dem Floss sagt wieder ab. Kein Wunder. Das Floss hat circa 8 m² auf denen zehn Leute zwangsläufig ihren Tag verbringen müssen. Die Vorstellungen von Geschwindigkeit, Arbeitsteilung und den zu erreichenden Zielen varieren stark. Es gibt jene, die sich auch aus wohlmeinenden Gründen in eine Führungsrolle drängen und es gibt jene, die froh darüber sind, dass genau dieses von ihnen nicht erwartet wird. Der Rest hängt irgendwo dazwischen und ist ziemlich frustriert, dass ihm niemand zuhören will oder kann. es brodelt ganz schön und zwischenmenschlich Diskrepanzen werden auch für uns, die wir immer um die 10 Meter Abstand zum Floss haben, nur all zu deutlich. Pädagogisch betrachtet eine traumhafte Situation, denn die Dinge auf dem Floss müssen in Eigenregie organisiert werden. Wir greifen nur ein, wenn wir das Gefühl haben, dass irgend etwas zu sehr aus dem Ruder zu laufen droht.
Nach vier Stunden erreichen wir Hartmannsdorf. Wir haben vor, nur etwas zum Essen zu besorgen, Trinkwasser auch und dann weiter zu fahren, auch wenn die Kids hier bleiben wollen. Es wurde Gewitter angesagt und wenn wir hier bleiben gibt es vor uns nur Wasser und hiter uns nur hohe Bäume. Denkbar schlechte Vorraussetzungen also um sich bei Gewitter schützen zu können. Es kann nicht mehr lange dauern und wir erreichen eine der Wohl schönsten Lagerplätze an der gesamten Müggelspree. „Die vier alten Eichen“ nämlich. Die Stelle hat eine ganz spezielle, ja fast mystische Aura. Da wollen wir nächtigen. Daran kann man nicht einfach so vorbei fahren und es gibt auch bei Gewitter die Möglichkeit, den Eichen zu entlfiehen.
Die Kids schaffen es in zwei Stunden massenhaft Essen zusammen zu bekommen und wir können ausgelassen vespern. Sie sind selber überrascht, wie viele Menschen zu geben bereit sind und natürlich auch ein wenig stolz auf das von ihnen Geschaffte. Sobald alle das Floss verlassen können, steigt die Stimmung unter ihnen immer akut an, wenn es was zu essen gibt sowieso noch mehr. Die Stunden auf dem Floss müssen für einige ziemlich anstrengend sein, was uns Sorgen macht aber eben auch ein Teil der Tour ist. Nach dem Essen machen wir uns auf den Weg zu den Eichen. Die Sonne kündigt an, als bald hinter dem Horizont verschwinden zu wollen und wir müssen uns ein wenig beeilen. Es gibt nichts unangenehmeres als ein lager in dieser Größenordnung zu bauen, wenn es schon dunkel ist. Nach knapp einer Stunde müssen wir feststellen, das die angedachte Stelle für diese Nacht schon besetzt ist. Verdammt! Wir fahren 300 Meter zurück und finden etwas nettes zum nächtigen. Die Gruppe hat sich gespalten, was sich auch darin äussert, dass sie sich im Lager nicht mehr zusammenlegen. Wir, als die Betreuer, liegen in der Mitte am Feuer und je links und rechts von uns zwei Gruppen. Das ganze macht uns Sorgen und wir versuchen zu vermitteln, was sich als schwierig herrausstellt. Aufgrund der Stimmung beschließen wir heute mal für die Gruppe zu kochen, was dankbar angenommen wird. Es gibt Nudeln mit Tomatensosse, wie man sie aus der DDR-Schulspeisung kennt. Die zieht immer. Nachdem Essen enspannt sich die Gruppe zusehendst, was uns freut. Es beginnt ganz leicht zu nieseln, was ich nicht wahr haben will. Ich möchte einfach nicht unter einer Plane schlaffen. ich will die Sterne sehen, wenn mich der Schlaf holen kommt. Es bleibt bei den paar Tropfen und wir bauen wieder kein Biwak. Nur drei der Kids ziehen es vor sich eine Plane zu spannen, um darunter zu schlafen. Der Platz ist auch ohne Regen ekelhaft nass und schon am Abend wird alles mit einer Reifschicht überzogen sein, so dass über den Schlafsack nach schon zwei Stunden die Wassertropfen laufen. Es wird furchtbar feucht in dieser Nacht und am nächsten Morgen ist mein Schlafsack schon von innen feucht sein, worauf ich gar nicht kann. Aber was soll es. Das ist nun mal so. Dazu kommen die tausenden von Mücken, die die wahren Terrornetzwerke sein dürften. Sobald auch nur ein Stück Haut rausguckt lassen sie sich darauf nieder und stechen erbarmungslos zu. Immer wieder. Einigen macht das sehr zu schaffen. Die Anti-Mücken-Creme hält genau sechs Stunden und man weiß vor dem Einschlafen schon, dass man am nächsten Morgen mindestens wieder zwanzig Stiche kassiert hat. Wir legen uns ans Feuer und während wir über Sternbilder reden schlafe ich ein. Eine unruhige, nasse und allgemein unangenehme Nacht. Unter den Eichen wäre das nicht passiert.
Noch vor dem Essen, was allen bestens geschmeckt und ihre Laune beflügelt hat, beschliessen wir Betreuer, aufgrund der nicht ausgewogenen Gruppensituation, den Kids am nächsten Tag komplett die Regie zu übertragen. Wir hoffen, dass sich daraus ein Bindungsprozess entwickelt, der allen auf dem Floss Fahrenden zu Gute käme.
Tag 4:Wie erwähnt haben wir in der Hoffnung darauf, dass sie die Gruppensituation bessern würde, haben wir die komplette Regie an die Gruppe übergeben.Sie sollen ihre Ziele, ihre Pausen, ihren Weg, das Essen und alles weitere in Kommunikation mit sich selber organisieren. Wir stehen für Fragen, die sie sich nicht selber erschließen können zur Verfügung. Das ist alles. Es wird wieder abartig warm und wir müssen sie immer wieder darauf hinweisen, dass sie sich den Kopf bedecken, sich eincremen und trinken. Viel trinken. Wir erwarten, dass sie bei dem Wetter nicht länger als 3-4 Stunden fahren werden. Aber wir täuschen uns. Wir werden an diesem Tag fast acht Stunden im Kanu sitzen und die Kids auf dem Floss. Sie haben sich ein Ziel gesetzt, dass wir für unrealistisch halten. Sie wissen weder, wie weit das ist, noch wissen sie, wo man dort zwischendurch anlanden können, um einkaufen zu können und Essen und Trinkwasser holen zu können. Sie wollen dieses Ziel erreichen um dort den Rest der Woche verbringen zu können. Die Lust darauf, weiter mit dem Floss zu fahren ist gering. Dennoch ist es notwendig wenigstens in die Nähe eines Bahnhofs zu kommen um mit dem Gepäck nicht all zu weit laufen zu müssen, wenn am Freitag die Tour enden wird. Sie haben sich in den Kopf gesetzt noch heute da anzukommen, um die letzten zwei Tage „chillen“ zu können, wie sie es nennen.
Sie hoffen auf einen nächsten Stop um einzukaufen und zu essen. Danach wollen sie dann weiter, um das von ihnen gesteckte endgültige Ziel zu erreichen. Ein Wahnsinn, wie wir finden. Aber wir lassen sie gewähren, vorerst, denn es ist ein Entscheidung, die die ganze Gruppe getroffen hat. Das war uns wichtig und es ist ligitim, sie das dann auch versuchen zu lassen, auch wenn wir dermassen Hunger haben, das auch unsere Laune zu sinken beginnt. Die Sonne will sich heute Feinde machen und knallt ohne Gnade. Der wohl relativste Satz der Woche, den die Kids gehört haben ist: „Ist nicht mehr weit. Ihr seid gleich da.“ Das nämlich sagt ihnen ein jeder, den sie nach dem Weg fragen.
Noch bevor wir in die Nähe Neu Zittaus kommen, fällt uns auf, dass sich einer der Kids nicht an die Vorgabe gehalten hat, dass sie nur mit Kopfbedeckung zu fahren haben. Er sieht blass aus und es scheint als ginge es ihm nicht gut. Auf die Nachfrage, ob alles okay sei, meinte er: „alles okay. Kein Grund zur Sorge.“ Nach nunmehr fast acht Stunden ohne Essen und auf dem Wasser, wobei wir wunderbare Lagerstellen hinter uns lassen, da die Kids eben ein anderes Ziel haben, erreichen wir Neu Zittau. Wir beschliessen, das Ganze hier abzubrechen und im Namen der Gesundheit die Regie zu übernehmen. Es ist 20:00 Uhr und es wird schwer sein überhaupt noch etwas einkaufen zu können. Es könnte nochmal zwei Stunden dauern, um ihr Ziel zu erreichen. Das ist für uns nicht tragbar und wir nehmen uns vor hier in der Nähe einen Lagerplatz zu suchen, nur um dort zu nächtigen.
Der Zustand des Jungen ist alles andere als „okay“. Ihm ist schwindelig, er hat Kopfschmerzen und fühlt sich allgemein unwohl. Also genau das Gegentei von dem, was er noch vor einer Stunde sagte. Wir vermuten, dass er einen Sonnenstich hat und hoffen, dass der Auslöser seiner Übelkeit nicht der heute Morgen gemachte Kaiserschmarn ist. Dann wäre es eine Sache von Minuten und es könnte den Nächsten umhauen. Wir rufen den Notarzt, der ihn mit Verdacht auf einen Sonnenstich mit ins Krankenhaus nimmt. Ein späteres Telefonat mit diesem ergibt, dass es erst am nächsten Morgen eine endgültige Diagnose und eine Empfehlung auf eine weitere Teilnahme geben wird. Wir müssen also genau hier die Nacht verbringen. An einer Brücke, über die eine Landstrasse führt. Mit elf Leuten müssen wir ein lagen in einer kleinen Gemeinde bauen. Na hoffentlich geht das gut. Einen uncharmanteren Lagerplatz hätte man auf der gesamten Strecke nicht finden können.
Die Kids besorgen wieder Essen und Trinkwasser und wir legen uns irgendwie nieder, ohne Feuer, was alle ein wenig runterzieht. Mich auch. Die Stimmung ist trotz des Vorfalls gut, was uns in der Annahme bestärkt, den richtigen Weg gewählt zu haben. Wir reden noch lange mit den Kids in dieser Nacht und schlafen in der Hoffnung ein, dass uns die Polizei hier nicht wecken würde.
Fortsetzung folgt.
Krass.
Wow.
Respekt.
[…] Fast zuviel für einen Tag – Der Morgen Punkt sieben schaue ich das erste Mal auf die Uhr. Sieben Minuten noch, ja, schlafen. Was man in sieben Minuten noch alles träumen kann, das glaubt ihr gar nicht! Ich habe Fische geköpft und ein Schwein gebraten, sind wohl die Nachwehen des Berichtes von Saints Ausflug, genauer gesagt der Stelle wo die Jugendlichen ein Huhn schlachten müssen, um etwas in den Kochtopf zu bekommen. […]
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