Was war da wieder im Netz los, als das Zentrum für Politische Schönheit vor zwei Tagen die „Soko-Chemnitz“ ins Netz stellte, um die Öffentlichkeit einzuladen Kollegen zu identifizieren, die zuvor mit dem braunen Mob in Chemnitz durch die Straßen zogen.
Ein „Pranger“ wurde dem Zentrum vorgeworfen. Die AfD fabulierte von mindestens „Stasi“- wenn nicht gar „Nazimethoden“ und viele andere sahen einen Angriff auf die Grundrechte. Die meisten dieser Leute waren ziemlich ruhig, als nach den G20-Ausschreitungen die Gesichter hunderter linker Demonstranten durch die Polizei und durch den Springerverlag veröffentlicht wurden, um die Öffentlichkeit bei der Fahndung helfen zu lassen. Man hörte sie auch nicht, als die AfD ein Meldeportal für missliebige Lehrer installierte. Da scherte man sich wenig um die Grundrechte. Anders aber als es dann um Menschen gehen sollte, die mit Nazis marschieren gingen und die identifiziert werden sollten. Wenn es um die eigenen Kumpels geht, hat der rechte Rand überraschend glatt die Grundrechte für sich entdeckt. Und dann gab es von dieser Ecke auch direkt auf die Fresse. Ausführend unterstützend dabei mal wieder die Sächsische Polizei.
Es gab Kritik an der Aktion. Auch ich wusste sie für mich nicht sofort einzuordnen. Am Ende aber habe ich für mich entschieden, dass keiner rumopfern muss, der sich bei einer öffentlichen Demo gemeinsam mit Nazis in der Öffentlichkeit zeigt, wenn man daraufhin sein Gesicht auch öffentlich wiedergibt. Wer „Mut zur Wahrheit“ für sich reklamiert, sollte damit kein Problem haben. Oder halt nicht mit Nazis demonstrieren gehen. Punkt.
Allerdings gab es auch viel Lob. Auch weil man langsam das Gefühl gewinnen kann, dass der Staat sich um die Grundrechte der Bürger nicht mehr schert, es sei denn, es geht um die der Grundrechten. Da wird weggesehen, vertuscht und mitunter bewusst gar nichts unternommen. Also muss den Job jemand machen. In diesem Fall hier das Zentrum für Politische Schönheit.
Was die Aktion des ZPS wieder einmal mehr in die Augen reibt: es geht mitnichten primär um die eigentliche Aktion, sondern eher darum, was die macht, was sie auslöst. Und das hatten Montag nur die wenigsten auf dem Schirm. Ich auch nicht. Es war eine Explosion an verschiedenen Reaktionen.
Nun stellt sich raus: alles wieder etwas runterkühlen, das Zentrum für Politische Schönheit hat mit der Aktion einen „Honeypot“ aufgestellt, die Nazis und deren Freunde angelockt und sogar liefern lassen. Durchdachte Aktion.
Danke, liebe Nazis
6 Monate Gedanken, 3 Monate Recherche, 1 riesiges Team und am Ende nur eine Frage: Wer von Euch, liebe Nazis, war dabei. Mit 1.552 ermittelten Teilnehmerinnen und Teilnehmern konnten wir einen Großteil identifizieren. – Aber nicht alle.
Dann kam uns eine Idee…
Wäre es möglich, das bereits gewonnene Wissen als Waffe einzusetzen, um mit Eurer Hilfe an den Rest zu kommen? Wir arbeiteten mit Experten der Bilderkennung, künstlichen Intelligenz und Algorithmik. Und wir bauten eine Webseite mit einem einzigen Ziel: Ihr liefert uns Euer gesamtes Netzwerk selbst aus und zwar ohne es zu merken. Das wichtigste Element dieser Seite: die Suchfunktion. Über die Suche habt Ihr uns mehr mitgeteilt, als öffentlich zugängliche Quellen je verraten hätten.
Methode
Jedem Besucher der Seite wurde ein zufälliges Sample aus nur 20 Profilen pro Kategorie ausgespielt. Viele von Euch braunen Mobbern haben dann sofort die Suchfunktion genutzt und oftmals zuerst den eigenen Namen gesucht. Die Suchdaten wurden gemäß Datenschutzbestimmung wie bei allen Web-Suchdiensten mitgeloggt und einer pseudonymisierten Benutzerkennung zugewiesen. Als nächstes haben mehr als 62 Prozent der relevanten Besuchergruppe unsere Datenbanken nach Familienangehörigen durchforstet, bevor im Schnitt nach 6,72 Freunden oder Bekannten gesucht wurde.
Je nach Anfrage haben wir bei erneutem Besuch oder Reload (ja, deshalb haben wir nur 20 Profile ausgespielt und um Reload gebeten) ein neues Sample angezeigt. Die Suchanfrage förderte nicht nur jede Menge vollständiger Namen zutage, sondern auch Wahrscheinlichkeitswerte: wenn Du uns einen von 1.500 Namen gibst, die wir schon kennen (insbesondere, wenn er nicht ganz so prominent oder gar nicht bekannt ist), dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Du mehr von dem weißt, was wir wissen wollen. Die Datensätze boten die einmalige Möglichkeit, das „Netzwerk Chemnitz“ auszuleuchten. Mittels Netzwerkanalyse und Datenvisualisierung waren Freundeskreise, Knotenpunkte, Mitläufer relativ einfach auswertbar. Die Ausgangsprofile haben wir gescored und die Scoring-Werte färbten wiederum auf die Gewichtung der Gesuchten ab.
Danke für das vorzeitige Weihnachtsgeschenk!