Wie es ja hoffentlich an keinem vorbeigegangen sein sollte, hat Ungarn gestern für ein paar Stunden seine Grenze nach Österreich geöffnet, so dass wohl tausende Flüchtlinge Züge erst nach Österreich und von dort aus nach Deutschland nehmen konnten. Offenbar, so zumindest die offizielle Lesart, basierte die Annahme, dass das so jetzt möglich sein könnte, auf einem Missverständnis.
Auslöser waren Medienberichte aus Deutschland über eine sogenannte Leitlinie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Diese besagt, dass Deutschland syrische Kriegsflüchtlinge fortan nicht mehr in jene EU-Länder zurückschickt, in denen sie zunächst angekommen waren.
Viele Flüchtlinge gewannen deshalb den Eindruck, dass Deutschland als einziges Land in der EU seine Tore öffnet. Offenbar war den deutschen Behörden nicht klar, welche Folgen die Nachrichten auslösen würden.
Die Lage auf dem Budapester Bahnhof, von wo aus die Züge nach Österreich und weiter nach München fahren, wurde im Verlaufe des Montags immer verworrener, irgendwann setzten die Behörden die Kontrollen aus. Die ungarische Regierung wiederum bat die deutsche Seite um Rechtsklarheit, wie deren Leitlinie mit dem Dublin-III-Abkommen zu vereinbaren sei.
Das Dublin-III-Abkommen regelt, dass Flüchtlinge ihren Asylantrag in jenem EU-Land stellen müssen, in dem sie ankommen. Dort sollen sie sich registrieren lassen, und dort sollen sie auch verbleiben.
Schade, so können Flüchtende wieder kaum eine Möglichkeit in betracht ziehen, auf legalem Wege nach Deutschland einzureisen, weil sie nach wie vor gezwungen sind, ihre Asylanträge dort zu stelle, wo sie zuerst die Grenzen der EU überquert hat. Für viele wäre das aktuell wohl Griechenland, die allerdings mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben, wie wir alle wissen. In diesem konkreten Fall wäre es Ungarn, das auch nur wenig Interesse daran zeigt, Flüchtlingen einen adäquaten Aufenthalt zu zu gewähren.
Gestern kamen also tausende Flüchtlinge über Ungarn in Österreich an und ein Teil meiner Wiener Twitter-Timeline war vor Ort um umgehend praktische Hilfe zu leisten. Danke dafür! Auch Vice Alps war vor Ort und hat die Geschehnisse wie folgt zusammengefasst: Was Montagabend am Westbahnhof mit Hunderten Flüchtlingen passiert ist, macht Mut.
Helfer haben gebracht, was sie hatten. Der Filialleiter des Merkur im Bahnhofsgebäude hat einen ganzen Wagen Getränke zu den Gleisen bringen lassen. Das Versagen der Politik bringt die Menschen zusammen, die helfen möchten. Es war ein Tag, an dem die Dublin-Verordnung vergessen wurde. Wir waren an diesem Tag alle Fluchthelfer. Nicht in dem Sinne, wie Innenministerin Mikl-Leitner das Wort versteht—als Schlepper und als Ursprung allen Übels—, sondern einfach im Sinne von Menschen, die nicht mehr zusehen können und die andere Menschen in Not unterstützen wollen, ohne sich daran zu bereichern. Und obwohl man kaum glauben möchte, dass sich solche Szenen an einem Bahnhof in Wien abspielen: Es war ein sehr guter Tag. Ein Tag, um Mut zu schöpfen.
Ähnliche Szenen spielten sich heute in München ab, wo die meisten Flüchtenden endlich ihr Ziel erreichen konnten: die Hoffnung auf ein nun endlich besseres Leben für sie und die Lieben, die ihnen auf dem Weg dorthin geblieben sind. PULS war vor Ort.
https://youtu.be/BkgLnIE2Nwk
(Direktlink)
Aktuell sind die Grenzen zwischen Ungarn und Österreich wieder dicht, die Dublin-Verordnung wieder in Kraft. In Budapest warten immer noch hunderte Menschen darauf, endlich über Österreich ausreisen zu können. Momentan gibt es für sie keine legale Möglichkeit, das zu tun. Es könnte sein, dass einige von ihnen ihr Leben auch dadurch Leuten anvertrauen, die heute von der Politik “Schlepper” genannt werden.