Andy Gawlowski ist 1980 in Polen geboren und ist im jungen Alter mit seiner Familie nach Deutschland ausgewandert. Nach rund 23 Jahren, die er wechselweise im Norden, Süden und Osten der Republik verbracht hat, zog es ihn 2009 ins schweizerische Zürich, wo er seitdem als freischaffender Fotograf arbeitet. Seine Fotografie versteht sich als eine Mischung aus klassischer Street-Fotografie und Reisefotografie. So regelmässig wie möglich bereist er dafür die Welt und erkundschaftet fremde Länder für sich. Aktuell befindet sich Andy auf einer sechsmonatigen Reise durch Lateinamerika und wird die kommende Zeit seine Eindrücke hier teilen.
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Am liebsten würde ich direkt wieder kehrt machen. Und am besten bleibe ich gleich ganz da, im umwerfenden Kolumbien. Gefühlt bin ich in den fünf Wochen, in denen ich durch das Land gereist bin, von einem Highlight ins nächste gestolpert. Willkommen zum dritten Teil meiner Bilderreise durch Lateinamerika.
Begonnen hat die Erkundungsreise in Cartagena, der Kolonialstadt an der nördlichen Karibikküste Kolumbiens. Die Altstadt ist eine der ältestens in Südamerika und gilt gleichzetig auch als eine der Schönsten. Es ist aber die Mischung aus Alt- und Neustadt, die Cartagena so ein besonderes Bild verleiht. Fühlt man sich in der historischen Altstadt beinahe in der Zeit zurückversetzt, ragen nur wenige Kilometer weiter, auf der Halbinsel Bocagrande, die modernen Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. Eine wie ich finde spektakuläre Kulisse. Dann ist dann noch die Streetart Szene im Getsami Bezirk, die weit über die Stadtgrenzen Cartagena´s bekannt ist. Ganze Häuserwände sind mit einmaligen Gemälden bedeckt und haben rein gar nichts mit dem Tagging-Geschmiere zu tun, die ich aus der Heimat kenne. Ein wahrer Augenschmauss.
Nach zwei Wochen Cartagena ging es für mich weiter in den Norden nach Minca und den Tayrona Nationalpark. Die koloniale Szenerie der Grosstadt wurde hier gegen urwaldbedeckte Hügellandschaften getauscht. Soweit das Auge reicht, alles grün. Saftig, leuchtend grün. Auch die zahllosen Spinnenaugen, die einem bei Nacht entgegenleuchten. Postkartenlandschaft deluxe. Die Region ist für die besonders robuste Palmenart (Baumaterial) und ihren Kaffeanbau bekannt. Allerdings werden nur die qualitativ besten Kaffeebohnen von hier aus in die westliche Welt exportiert. Die minderwertigen Bohnen, aus denen wir Westler keinen Machiatto oder Espresso zaubern würden, werden an die kolumbianische Bevölkerung oder das Nachbarland Venezuela verkauft. Klingt ungerecht ist aber aber die Realität und gilt für die meisten Exportgüter Lateinamerikas. Die B-Ware bleibt zu Hause. Gern hätte ich hier ein paar Fotos von der Region gezeigt, hatte sogar einige schöne im Kasten. Doch habe ich sie tatsächlich vergessen zu sichern. Weg, für immer gelöscht. Nur dieser LKW hat meinen Löschwahnsinn überlebt.
Von Minca ging es einige Tage später weiter ins atemraubende Medellin. Diese Stadt hat ihre Berühmheit zweifelsfrei der einflussreichsten Person im Drogenhandel des 20. Jahrhunderts, Herrn Pablo Escobar, zu verdanken. Wobei Dank wohl ein eher ungeeigneter Ausdruck ist. Ganze Generationen und tausende von Familien fielen dem Drogenkrieg zwischen Regierung, Druglords und Rebellen zum Opfer. Und das weit über die Ländergrenzen Kolumbiens hinaus. Die Blutspur zieht sich durch alle lateinamerikanischen Länder. In den frühen 90er Jahren wies Medellin rund 7000 Morde pro Jahr auf und galt als die gefährlichste Stadt der Welt. Die blutigen Kämpfe um ganze Stadtviertel hielten noch bis vor wenigen Jahren an. Zwar ist die Mordrate der Stadt heute noch sehr hoch, dennoch hat sich die Situation grundlegend zum Besseren verändert. Medellin wurde vor kurzem als innovativste Stadt der Welt ausgezeichnet und besitzt den modernsten Nahverkehr des Landes. In Bezirke wie „Communa 13“ hätte sich vor vier, fünf Jahren keine Menscheseele getraut. Heute werden in dem eins gefährlichsten Stadtteil der Stadt, diverse Führungen angeboten. Führungen, die ich unbedingt jedem empehle, den es in diese Gegend verschlägt. Ganze Strassenzüge und Häuser des Bezirks sind heute von grossflächiger Streetart überzogen. Buchstäblich jedes Haus ist auf irgendeine Art und Weise künstlerisch verschöner. Die Graffitis, die den Bewohnern schon beinahe heilig sind, erzählen die zahllosen tragischen Geschichten der Vergangenheit, zeigen aber auch eindrücklich die deutlich bessere Gegenwart und Hoffnung, die die Menschen vor Ort in die Zukunft des Viertels setzen. Mich jedenfalls hat der Bezirk und die ganze Stadt mächtig beeindruckt. Die rund 2,5 Millionen Metropole zieht sich wie eine Schlange auf 1500m durch die Anden und hinterlässt rein optisch schon einen unvergesslichen und einmaligen Eindruck. Ich komme gern wieder.
Nur eine Stunde entfernt von Medellin liegt der Stausee Penol – Guatape. Dazu wurden in den 1970er Jahren rund 6000 Hektar Land überschwemmt. Der Stausee wird heute insbesondere für die Wasserversorgung Medellins genutz. Klingt erstmal nicht besonders aufregend. Durch die Wassermassen ist jedoch eine einmalige Hügel- und Wasserlandschaft entstanden, die heute das beliebtesten Reiseziele der Stadtmenschen aus Medellin und Bogota ist. Die grösste Attraktion vor Ort ist der 220m hohe und 700 Stufen anstrengende, freistehende Monolith „Penon“. Von hier oben hat man einen beeindruckenden Panoramablick über die einzigartige Landschaft. Guatape liegt auf rund 2800m und gehört für mich zu den bisher schönsten Landschaften, die ich bei meinen bisherigen Reisen gesehen habe.
Meine letzten beiden Stationen in Kolumbien waren der Nationalpark in Salento und die Salsa-Hauptstadt Cali im Süden des Landes. Die Region um Salento ist das grösste Anbaugebiet für Kaffee des Landes und zeichnet sich auch hier durch wunderschöne, leuchtend grüne Hügellandschaften aus, von denen Kolumbien scheinbar unendlich viele besitzt. Die Besonderheit, die diese Region von den anderen unterscheidet ist die Palmenart „Palma de Cera“ (Wachspalme), die hier wächst. Der Nationalbaum der Kolumbianer kann bis zu 70m hoch werden und gehört somit zu den grössten Palmenarten. Dafür braucht so eine Palme jedoch mehrere hundert Jahre.
In Cali, meiner letzten Station, habe ich neben einen Spaziergang durch die Innenstadt nicht besonders viel gemacht. Auch nicht Salsa getanzt. Ist einfach nicht meins. Und ich finde, man muss auch nicht jeden Quatsch mitmachen. Die Stadt bleibt für mich als einziger Ort Kolumbiens in Erinnerung, in der ich mich sicherheitstechnisch unwohl gefühlt habe. Es ist zwar nichts spezielles passiert, dennoch hat die Stadt auf mich etwas unangenehmes versprüht. Vielleicht ist es die reine Tatsache, dass Cali zu den gefährlichsten Stadt weltweit gehört. Daher ging es für mich relativ schnell von Cali weiter nach Equador und von dort aus im Zeitraffer nach Peru, Bolivien und übermorgen Chile. Davon mehr im nächsten Teil meiner Bilderreise durch Lateinamerika.