Ich persönlich habe es nie für notwendig empfunden, mich stechen zu lassen. Piercings hatte ich mehrere, aber Tattoos musste ich nie haben. Dennoch mag ich den kulturellen Weg, die die hier einst so verpönten Hautbilder gegangen sind.
Diese arte-Doku aus dem Jahr 2013 nähert sich dem Thema nicht nur geschichtlich und ist ziemlich interessant.
Tätowierungen waren einst ein Markenzeichen von Randgruppen, von Prostituierten, Sträflingen und Matrosen. Später nutzten Rocker, Hippies und Punks sie als Zeichen ihrer Rebellion gegen das Establishment. Inzwischen jedoch lassen sich Frauen und Männer aller Gesellschaftsschichten tätowieren. Hat das Tattoo also seinen subversiven, rebellierenden Charakter verloren? Was hat es zu bedeuten, dass dieses Symbol des Undergrounds zum Mainstream-Phänomen wurde? Und was steckt eigentlich hinter dem Wunsch nach einer Tätowierung?
Die Dokumentation führt hinter die Kulissen der Tattoo-Szene, stellt deren markante Persönlichkeiten vor und bietet neue Erkenntnisse über eine Praktik, die an der Schnittstelle von Ritual, Kunstwerk und gesellschaftlichem Phänomen anzusiedeln ist.
In den letzten 20 Jahren ist das Tattoo vom Markenzeichen gesellschaftlicher Randgruppen, seien es Sträflinge, Matrosen oder Angehörige des Rotlichtmilieus, zu einer Erscheinung der Alltagskultur geworden. Woher kommt diese bizarre Faszination, die Tätowierungen heutzutage ausüben? Warum wollen immer mehr und immer jüngere Menschen ihre Haut fürs Leben zeichnen lassen? Wie konnte sich das Tattoo aller Körperteile und der gesamten Gesellschaft bemächtigen? Und was sagen die Körperbilder über das Verhältnis zum eigenen Körper, zu anderen Menschen, zu Kultur und Gesellschaft aus?
Jenseits des Atlantiks werden inzwischen an einigen Universitäten im Fachbereich Kulturelle Studien Konferenzen zum Thema Tätowierung abgehalten. Die Hinterfragung der Tätowierkunst umfasst neben ihrer Ästhetik, ihren Ritualen, Künstlern und Interessenkreisen auch ihre traditionellen Ursprünge. Untersucht wird die gesamtgesellschaftliche Leidenschaft für eine Form des Körperschmucks, die noch vor wenigen Jahren Kriminellen und Randgruppen vorbehalten war.Elitär und populär, vergänglich und ewig, ästhetisch und verschandelnd, gefährlich und steril – die widersprüchlichen Aspekte dieser Kunstform findet man in der Gesellschaft und in jedem Einzelnen wieder. Eine Tätowierung verwandelt den menschlichen Körper in eine Leinwand, in ein Kunstobjekt und gleichzeitig in einen Künstler. Der Körper wird zum Schauobjekt oder ein Teil einer Performance. Und trotz wachsender Popularität ist es dem Tattoo gelungen, seinen Status als Symbol der Rebellion in zahlreichen Alltagskulturen – vom Rap über den Rock’n’Roll bis zum Sport und zum Film – zu verteidigen. In dieser geheimnisvoll verrufenen Welt, in der die Kunstwerke unauslöschlich und gleichzeitig vergänglich sind, wird ein zur Schau gestellter Körper zur Maske und die kreative Schöpfung mit Blut und Schmerzen bezahlt.
Die Dokumentation “Tattoo total!” erteilt den wichtigsten Tattoomeistern das Wort, beleuchtet sowohl überlieferte als auch radikal avantgardistische Tendenzen der Körperschmuckszene und stellt Intellektuelle und Künstler vor, die Tätowierungen für ihre Kreationen nutzen.
Die Werbung nervt ein wenig, aber da kann ich nichts für.
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