Ich hatte hier schon allerhand zur Schließung des legendären Frankfurter Clubs im Jahr 1998. Diese Folge von Vivas “Berlin House”, die damals als Sondersendung gezeigt wurde, hatte ich hier allerdings noch nicht. Glaube ich. Deshalb ein Blick auf Frankfurt in den späten 90er Jahren. Inklusive der Werbeclips von damals. “The Power of Love” für 24,80 DM.
Als wir damals 1990 eines Tages, ein Jahr nachdem die Mauer gefallen war, in die von uns gewählte Schule gekommen waren und dort keiner so genau wusste, was genau diese neue “Freiheit” denn sein sollte, reizten wir den Versuch, das herauszufinden, voll aus. Natürlich.
In der DDR gab es keine Schulen, wie der des uns heute völlig vertrautem Schema der Grund- und Oberschule. Wir kamen mit sechs Jahren auf eine Polytechnische Schule und blieben dann dort bis zum Abschluss der 10. Klasse. Bis dahin erstmal alle. Mit Fahnenappell, Klassenwimpel, Gruppenrat und Freundschaftspionierleiterin. Für einige wenige ging es dann noch weiter auf eine Erweiterte allgemeinbildende polytechnische Oberschule (EOS). Die Bezeichnung Gymnasium war in der DDR nicht üblich. Der Besuch einer EOS war nur wenigen vorbehalten. Die Eltern mussten politisch gefestigt sein und sollten im besten Fall nicht aus kirchlichen Kreisen kommen. Das war dann schon immer ein wenig problematisch.
Wir gingen einfach zur Schule und irgendwann kamen dann halt irgendwelche alten Männer in Mänteln und erklärten uns, wie unsere, für jeden individuell, Zukunft am besten aussehen könnte. Sören, Thomas und Ronny sollten wohl am besten für den Rest ihres gerade noch jungen Lebens zur Armee gehen. NVA ginge, die Grenztruppen auch. Alternativ dazu Sport. Sören spielte Tischtennis – und das verdammt gut. Thomas war Fußballer – und der Beste im Sturm. Ronny stand für den “großen BSG” beim Handball im Tor und wurde damit Bezirksmeister. Schule fertigmachen, irgendwas lernen, was dich dann für den Rest deines Lebens festgenagelt hätte. Oder zur Armee gehen. Oder sich für den Sport entscheiden, was im Osten zwangsläufig bedeutet hätte, sich über Umwege für die Armee zu entscheiden. Weil es nirgendwo anders so viel Förderung für Sport gab, als eben bei der Armee. Schach wäre noch eine Option gewesen. Aber auch die hätte bei irgendwas mit Armee geendet.
Wenn das alles sportlich nicht drin war, dann eben Ausbildung zum “Facharbeiter”. In irgendeinem VEB. Fürs Leben lang. Oder halt Soldat.
Die Idee, dass die Mauer irgendwann mal fallen würde, gab es für mich in jungen Jahren nicht. Natürlich nicht. Die stand bis dahin ja mein Leben lang. Ich war verdammt gut im Tor. Aber ich war auch verdammt gut im Chor. Der einzige Junge, frische 13, nur Mädels um sich. Und dann die Frage, wohin es denn nun gehen sollte. Ich wollte Panzerkommandat werden. Wirklich. Der einfachste Weg. Mein Alter war Feldwebel und hätte da sicher irgendwas drehen können. “Vitamin B” und so. Das Ding mit dem Sport hatte sich recht schnell erledigt. Vier mal die Woche Training. Am Wochenende Punkt- und wenn keine Saison war, Testspiele. In den Ferien Trainingslager fernab der Familie. Das war schon fast Arbeit und so hatte ich keine Lust, mich beim ASV Frankfurt zum Leistungssportler ausbilden zu lassen. Schon damals fast alles gewonnen und ob dessen dennoch beide Knie komplett im Arsch.
Viel lieber wäre ich damals zum Thomanerchor gegangen, zu dem mich meine Musiklehrerin schicken wollte, was meine Mutter untersagte. Weil: “Wer Mathe nicht richtig kann, muss es auch mit dem Singen nicht versuchen. Singen hat keine Zukunft, Junge!” Okay und danke. Womöglich wäre ich dann einer der Prinzen geworden und das konnte ja keiner wollen.
Dann fiel die Mauer. Alles war anders. Alles war neu. Alles zurück auf Start.
Es ging auf einmal um so was wie “weiterführende Schulen”. Von einem Jahr auf das nächste. Wovon wir damals alle keine Ahnung hatten. “Abitur? Fürn Arsch! Was soll das schon bringen?” Lass uns mal lieber dort auf die Schule gehen, wo die besten Kumpels der Stadt auf die Schule gehen würden. Von etwaiger Zukunft und etwaigen Perspektiven hatten wir damals eh keine Ahnung. Primär sollte jeder Tag aufs Neue Spaß machen. Also sammelten sich die damals Beklopptesten auf der vermeintlich schlecht gewähltesten Schule der Stadt. Der Ruf der selbigen ist bis heute nicht gänzlich rehabilitiert. Ich bilde mir ein, dass wir dafür bis heute nicht ganz unverantwortlich sind. Gesamtschule.
Die Lehrer dort setzten sich aus denen zusammen, die im Osten irgendwie politisch “Dreck” am Stecken hatten, und jenen, die in Westberlin keiner mehr auf Kinder loslassen wollte. Aus dem Osten welche, die zweifelsohne Stasivergangenheiten aufzuarbeiten hatten. Aus dem Westen, Altlinke, die mit ihrem Marxismus oder gar Kommunismus an dortigen Schulen schon länger Probleme hatten. Nun konnte man sie von dort aus auch einfach mal ganz offiziell in den Osten abschieben.
Und so trafen wir uns dort alle. Manche jung, manche alt. Die Alten satt, die Jungen verdammt hungrig. Alle die, die keine Ahnung hatten, wie genau es für jeden von uns nun weitergehen würde. Wir versuchten das Beste daraus zu machen. Die Lehrer, die es noch über die ein oder andere “Überprüfung” schaffen mussten. Oder jene, die eh nur noch auf ihre Rente warteten. Wir, die Schüler, denen nichts wichtiger war, als herauszufinden, was genau denn diese neu gewonnene “Freiheit” für uns bereithalten würde. Wir als Schüler haben alles übertrieben. Wirklich alles. Ich hätte damals kein Lehrer von uns sein wollen. Aber es war halt schon wichtig, herauszufinden, wo genau diese neue Freiheit ihre Grenzen haben sollte. Unsere Schule hat das zu erfahren, nicht geschafft. Dafür haben wir damals viel geschafft. Die Grenzen für dortige Lehrer damals zu zeichnen, zum Beispiel.
Wenn wir dann mal Freistunde hatten, brachte Kramer VHS-Kassetten mit, die wir dann aus dem “Medienschrank” heraus der Klasse vorführen konnten. Ohne Lehrer. Die hatten ja auch keine Ahnung. Und so kam es, dass ich Chucky – die Mörderpuppe zum allerersten Mal in einer Freistunde in der Schule sah. Irgendwann gegen 10:30 Uhr. Die Lehrer wussten noch weniger darüber als wir selber und waren froh, wenn ihnen mal keiner gesellschaftlich zukunftsorientiert auf den Sack ging.
Danach warfen wir das komplette Klassenzimmer inklusive des Lehrertischs aus den Fenstern. Wissen wollend, wie weit diese neue Freiheit gehen darf. Es geschah: nichts. Keine Konsequenzen.
Ein paar Wochen später bekamen alle Schüler der Schule in dem Viertel tagsüber Hausverbot in dem benachbarten Rewe. Wir hatten das mit der neuen Freiheit dort wohl doch etwas überreizt – und der Supermarkt reagierte. Ganz anders als die Schule. Aber das ist nochmal eine andere Geschichte.
Das alles fiel mir gerade ein, als ich den Trailer für das Remake von Chucky sah. Chucky hat so etwas nie erleben können. Die Pfeife!
Heute vor 20 Jahren. Das waren noch “Erfolgsmeldungen”, die es bis in die Tagesschau schafften.
Ich habe beim letzten Umzug ein halbes Dutzend 100er CD-Spindeln weggehauen, die sich in den Jahren 2002-2008 bei der Nutzung von eMule angesammelt hatten. Ich weiß nicht, wie viele Dateien da tatsächlich so drauf waren und kannte damals Leute, die auf diese Weise noch sehr viel mehr Dateien “gesammelt” hatten.
Ein paar Jahre vorher waren 25.000 kopierte Videokassetten noch eine Nachricht.
“Schwerer Schlag gegen Video-Piraten: Polizei stellt bei Hausdurchsuchungen 25.000 illegale Spielfilm-Kassetten sicher.”
Schöner Supercut von Diane Bullock, die sich mal Kino-Trailer der 90er genommen und auf ihre damaligen CGI-Qualitäten abgeklopft hat. Lustig anzusehen, das alles, so rückblickend. Damals, allerdings, schon auch ein bisschen mindblowing.
Ich weiß noch, wie ich beim ersten Teil von Herr der Ringe bei den CGI-Momenten in den Sitz gedrückt wurde, was so lange ja gar nicht her ist. Heute schmunzle ich über die. Zeiten ändern Möglichkeiten. Und auch Sehgewohnheiten. Wird die nächsten mindestens 20 Jahre wohl so weitergehen.
Ich mag die Arbeit, die das DDR-Museum macht, wirklich sehr gern. Nicht nur im Museum selber, sondern und in letzter Zeit vermehrt und auch gerade im Netz (Blog, Instagram, Tumblr, Facebook, Twitter).
Heute mit diesem Zeitdokument.
Das Neue Forum warb mit diesem “Wahlzettel” für ein Kreuz bei “Bündnis 90” zur Wahl 1990. Später (1993) schloss sich das Bündnis mit den Grünen (die grüne Partei der DDR hatte bereits mit der aus Westdeutschland fusioniert) zusammen und bildete so die bis heute aktive Partei Bündnis 90/Die Grünen.
Keine Ahnung, ob ich die deshalb damals vielleicht gewählt hätte, aber darum geht es ja auch nicht. Eher um die Dokumentation von fast schon Vergessenem. Und das ist sehr viel wichtiger.
Dieses Video von Rebeka, die ich bis eben nicht kannte, ist ein Rückblick auf die Kindheit und Jugend in den 90er Jahren in Polen. Diese Jahre dürften denen in der damaligen Ex-DDR recht ähnlich gewesen sein, weshalb dieses Video wohl ein paar Erinnerungen in mir hervorruft.
Während wir hier bei 30°C schwitzen, erinnert die Tagesschau vor 20 Jahren auf Twitter mal eben daran, dass das im September durchaus auch schon mal anders ausgesehen hat. So wie heute vor 20 Jahren.
Zwei Tage nachdem damals “Nevermind” veröffentlicht wurde. Nirvana in einem kleinen Laden in New Haven, Connecticut.Jetzt im Netz aufgetaucht. Ohne auch nur ein einziges Telefon in der Luft.
“On September 26, 1991, Nirvana performed “Smells Like Teen Spirit” at The Moon, a small club in New Haven, Connecticut. This was two days after the release of Nevermind and moments before punk broke (down).”
1991, ich hatte mir gerade RUN DMCs “Tougher Than Leather” auf Vinyl gekauft, wir hörten 2 Live Crews “Banned in the USA” in Heavy Rotation und rundeten das mit Public Enemys “Fear of a Black Planet” ab. Und immer wieder “Paul’s Boutique” und Ice Ts “Power”.
Von Hip Hop hatten wir damals keine Ahnung, wir waren jung, die Mauer war gerade erst weg und in erster Linie feierten wir diesen Sound um des Sounds wegen.
MC Hammer und Vanilla Ice fanden wir schnell scheiße, weil das eben Pop und gar nicht so roh war, wie die von uns bevorzugten, oben genannten, Protagonisten. Dachten wir. Uns wurde klar, dass Hip Hop mehr als nur Rap war.
Zur selben Zeit diskutierten etwa gleich alte Kids in der Bravo darüber, ob Rap denn nun eher Fluch oder eher Segen war. Die Bravo lasen wir nicht, die war Pop. Das ist heute, nach 25 Jahren, ziemlich amüsant – also nicht, dass die Pop war, sondern was die Leute so schrieben. Irgendwie ja immer noch aktuell. Gerade im Kontext heutigen Deutschrap.
Christina P. aus Braunschweig äußerte sich in einer Bravo-Ausgabe 1991 wohl etwas kritisch zum Thema Rap, was andere zum Anlass nahmen, per Leserbrief auf Christinas Kritik zu reagieren. Aber es gab auch Applaus. Stilistisch erinnert das alles durchaus an heutige Kommentarspalten auf Facebook, nur das damals wohl etwas intensiver gefiltert wurde. Von Redaktionswegen.
Die ersten 25 Sekunden hätte kein Drehbuch echter schreiben können. “The sights, the sounds and the unmistakable aroma of New York City on July 18, 1990.”