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788 Suchergebnisse für "muss los"

„Ihr könnt auch 2-3 Tage erstmal bei uns pennen, wenn ihr gar nicht wisst, wo ihr sonst hinsollt.“ sagte sie zu ihrer Kollegin, die nun langsam auch zur Freundin wurde. Diese hatte sich vor zwei Jahren in einen Mann verliebt, den sie vor ein paar Wochen endlich geheiratet hatte. Die beiden kannten sich schon sehr lange, aber gefunkt hatte es eben erst vor zwei Jahren. Das Pikante daran war, dass er im Knast saß – lange schon im Knast saß. Sie war eine der wenigen, die ihn seit dem Beginn seiner Haft regelmäßig besucht hatte und dabei entwickelte sich dann das, was beide „die große Liebe“ nannten. Eigentlich wollten sie warten, bis er entlassen werden sollte, die Sehnsucht nach den Schäferstündchen, die dort damals nur für Ehepaare gestattet waren, sorgte dafür, dass auch gleich noch während der Haftzeit geheiratet wurde. Verständnis dafür hatten die Wenigsten, schon gar nicht ihre Mutter. Ihre alten Freunde sowieso nicht. Uns konnte das egal sein, sie war sehr nett und ihn hatten wir noch nie gesehen. So schlimm wird der schon nicht sein, dachten wir.

Er war damals Mitte dreißig und sah aus, als sei er mindestens Ende vierzig. Er war überall dort tätowiert, wo man mit einer Tattoomaschine ran kam, auch am Hals, auch im Gesicht. Gemessen an dem, wofür er fast fünf Jahre gesessen, musste er ein ganz schön großes Arschloch gewesen sein. Immerhin wurde er, nebst kleinerer Vergehen, für eine Geiselnahme und eine Bombendrohung gegen den Berliner Senat verurteilt. So viel zumindest wussten wir von ihm. Vorurteile diesbezüglich hatten wir keine, wir waren jung, glaubten daran, dass sich Menschen ändern könnten. Außerdem hatte er ja seine Strafe abgesessen und würde daraus seine Lehren gezogen haben, dachten wir. Natürlich dachten wir das, es war Mitte der Neunziger, es war in Berlin. Da war nichts unmöglich, alles ging. Zudem mochte man seine Freundin.

Es hätte klar sein müssen, dass so ein Angebot auch angenommen werden würde, wohin sonst sollten die beiden auch. Die Wohnung die sie irgendwie anmieten konnten, war in einem äußerst miesem Zustand und irgendwo mussten sie ja pennen, bis das Loch bewohnbar war. Aber sie hatte es angeboten und dann kann man nur schlecht davon zurücktreten.

Geboren wurde er als Sohn eines SED-Funktionärs irgendwo in der Brandenburgischen Mark. Er war ein guter Schüler und hatte beste Chancen, in die Fußstapfen seines Vaters treten zu können. Dummerweise hatte er ausgerechnet als Freundschaftsratsvorsitzender im Vollsuff irgendwann gemeinsam mit einigen Freunden das Wappen aus der DDR-Flagge geschnitten und ist mit dieser grölend durch die Stadt gezogen, in der er lebte. Wie es dazu kam, konnte er im Nachhinein nicht mehr rekapitulieren. Als die Gruppe von der Volkspolizei in Gewahrsam genommen werden sollte, drehte er als einziger der Gruppe durch und leistete einen so starken Widerstand, dass dabei ein Vopo schwer verletzt wurde. Dafür fuhr er in Bautzen ein. Damit waren seine Zukunftsaussichten im Handumdrehen auf ein Minimum reduziert. Später tat ihm das leid, aber daran gab es dann auch nichts mehr zu ändern.

Mit der Wende konnte er als politisch Inhaftierter von einer Amnestie profitieren und ging nach Berlin. Gegen den Willen seiner Eltern. Er war seelisch schwer gezeichnet von seiner Haft und hatte ein enorm hohes Agressionspotenzial entwickelt. Er war gegen jede Form von Staatlichkeit und, vor allem, war er gegen alles, was anders zu sein schien. So kam er über Umwegen zu Beginn der Neunziger Jahre zu den Nazis, die in Lichtenberg, Ostberlin, ihre ersten Häuser besetzt hatten. Dort fühlte er sich geborgen, dort zog er ein, dort blieb er eine ganze Weile und lernte all jene kennen, die zu damaliger Zeit in dieser noch recht jungen, militanten Neonaziszene, Rang und Namen hatte: Michael Kühnen, Christian Worch, Ingo Hasselbach und auch ein Kay Diesner. Hier wurden diverse Übergriffe geplant und auch Waffen gelagert. Hier blieb eine Zeit lang und lies sich die ganze Theorie der Neunazis in die Birne hämmern.

Es kam dann eine Zeit, in der ihn „das alles nicht mehr ausfüllte“, wie er später sagt und er löste sich aus diesem Umfeld. Nicht ohne in dieser Zeit jede Menge Anzeigen, größtenteils wegen Körperverletzung und Verfassungsrelevanten Straftaten begangen zu haben. Er kam dann ohne große Umwege gehen zu müssen in einem Haus unter, was von Autonomen besetzt war. Er kannte dort jemanden und musste nur darauf achten, dass keinem dort klar werden würde, wo er eigentlich herkam. Er machte einen auf Skinhead und blieb so unerkannt. In dieser Zeit kam er zu den Drogen, auch zu den harten, was in dem Konsum von Heroin mündete. All das wurde uns im Vorfeld natürlich nicht gesagt. All das ergab sich erst später, als er dann bei uns wohnte. Man wusste wohl warum.

Als die beiden dann tatsächlich bei uns vor der Tür standen, gab es auch keinerlei Probleme. Er war betont freundlich, die Modalitäten waren schnell geklärt. Sie würden im Wohnzimmer pennen und wir im Schlafzimmer. Er wäre „ohnehin den ganzen Tag unterwegs“, (wobei mir damals nicht ganz klar war, wie ich das zu deuten hatte) und sie ging ja auch arbeiten. Alles was sofort auffiel war der Umstand, das er extreme Mengen an Haschisch rauchte. Aber das taten damals fast alle, die ich so kannte.

Es blieb natürlich nicht bei den „2-3 Tagen“. Wir hätten das wissen müssen. Erst lief alles so, wie es laufen sollte, wenn man Besuch hat. Sie räumten auf, sie hielten sauber und hin und wieder kochte er sogar. Nervend war nur der Umstand, dass sie überdurchschnittlich laut fickten – jede Nacht. Aber er kam frisch aus dem Knast, sie waren verheiratet und sie hatten was nachzuholen. Dafür hatten wir Verständnis. Das allerdings lies nach, als wir feststellen mussten, dass sie nach nun 3 Wochen weder aufräumten, noch einkaufen gingen. Sauber gemacht hatten sie da schon lange nicht mehr. Immer wenn er mir dann Abends erzählte, was für Dinge er in seinem Leben schon gedreht hatte, wurde er mir zunehmend unsympathischer, zumal mir sein latenter Rassismus und die damit verbundenen faschistoiden Aussagen immer mehr auf die Eier gingen. Er selber nannte sich „unpolitisch“. Ich wünschte mir, er hätte sich auch so verhalten.

Es war auch nicht so, dass, wie er ja sagte, er „ohnehin den ganzen Tag unterwegs“ gewesen wäre. Im Gegenteil. Er stand auf, kochte sich meinen Kaffee, nahm meine Milch, mein Toast, mein Nutella, meine Butter, benutze vor mir mein Klo. Das Wegräumen sollte seine Frau übernehmen, die aber erst abends von der Arbeit kam. Da ich so lange nicht warten wollte, übernahm ich das. Derweil setzte er sich vor meinen Fernseher und sah sich den ganzen Tag, das von mir bezahlte, Premiere an. Das Bewohnbarmachen ihrer Wohnung stand auf seiner täglichen Prioritätenliste ganz weit unter, was mich zunehmend nervte. Als wir dann eines Abends, direkt vor unserer Tür, Zeugen eines Autounfalls wurden, in den auch noch ein guter Freund von uns verwickelt war, begann das Ganze zu kippen. Ich bat ihn, nachdem ich die Polizei angerufen hatte, nicht mit raus zu kommen. Er sollte, von mir aus, das Fenster öffnen und zugucken, aber nicht mit rauskommen. Natürlich hielt er sich da nicht dran, sondern begann Streit mit der Polizei, was zu eskalieren drohte. Er war schwer angetrunken, unberechenbar und von uns nicht zu beruhigen. Glücklicherweise kam in diesem Moment sein Frau von der Arbeit und schaffte es irgendwie in in die Wohnung zu bekommen. Nachdem die Polizei weg war, wollte ich mit ihm reden. Er war dazu nicht mehr in der Lage.

Nachdem ich zwei Tage später vom Platten kaufen nach Hause kam -es war früher Abend-
sah ich, wie er sich auf meinem Wohnzimmertisch gerade eine Line Heroin legte. Er sah mich auf Verständnis hoffend an und sagte: „Ist nur mal heute. Ich will doch nachher zu Rammstein und wollte nur mal wieder gut drauf sein.“ Mir platze der Arsch, ich konnte diese Hackfresse nicht mehr sehen, ich wollte das er geht. Sofort! Nur sagen wollte ich ihm das nicht unbedingt. Er war eben einer dieser Irren, bei denen man nie weiß, womit sie nach dir werfen werden. Ich wartete auf den nächsten Morgen, und wir gaben den beiden genau fünf Tage um auszuziehen. Ohne jede Diskussion.

Er bat mich dann darum, seine Wohnung zu Malern, was ich tat. Er zahlte gutes Geld dafür. Dann waren sie weg. Später haben wir noch mal telefoniert. Es ging um eine Versicherungssache. Ihm wurde das Fahrrad gestohlen, ich hatte eine Versicherung. Nachdem die das Geld zahlte und ich es ihm gab, haben wir nie wieder von einander gehört. Ich bedauere das keinen Moment.

Letztens fragte mich jemand, ob er 2-3 Tage bei uns wohnen könne. Ich sagte „Nee, lieber nicht, wir haben nicht soviel Platz.“, dachte an diese Story und dachte: „Vergiss es!

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Ich habe nichts gegen die guten, alten Sachen auf Basic Channel, Chain Reaction, Maurizio, etc.: Im Gegenteil, ich finde, bis auf wenige Ausnahmen, das alles immer noch sehr hör- und vor allem spielbar. Keine Frage, ich stehe da echt drauf. Was mir allerdings momentan gehörig auf den Sack geht, ist der Umstand, dass sich mittlerweile ein Haufen Künstler anschicken, um eben genau jenen Sound zu kopieren. Immer und immer wieder. Das machen sie nicht mal schlecht, sondern sogar so gut, dass der vermeintlich neue Sound, bis ins kleinste Detail so klingt, als wären seit der M7 keine 13 Jahre vergangen. Wozu das alles, frage ich mich. Das alles immer wieder kommt und so bla, bla und blub, blub ist ja klar, aber muss es denn wirklich haargenau so klingen wie damals. Schonmal was von Entwicklung gehört? Ist ja super, dass die meisten davon gleich mal vorneweg platzieren: „only hardware used“, aber das macht den Sound ja auch nicht frischer. Super auch, dass sich die diversen VÖ´s sogar gut verkaufen – die Originale sind auch schwerer zu bekommen, teuer sowieso oder eben schon in 28ter Auflage nachgepresst. Wenn also wieder mal einer von jenen darauf hinweist, dass es alsbald eine neue Platte von ihm geben wird, weiß man selber auf jeden Fall schonmal, was da kommen wird. Chords in die Delayendlosschleife geschickt, bis es rauscht, Poti hoch – Poti runter, Kickdrum, Hi-Hat und mit ein wenig Glück noch eine Snare. Das ganze wabert dann im regelfall 8-10 Minuten vor sich hin und klingt, eigentlich, ganz nett. Nur eben hat man es schon 14547 mal gehört und um mal mit Herrn Fürstenberg zu sprechen: „Na schlafen kann ich auch ohne Musik.“ Das musste mal gesagt werden. Namen spare ich mir ganz bewusst – da kommt man ganz alleine drauf.

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Mein Bürorechner im regelmäßigen Selbstgespräch:

BIOS an Windows: “Los jetzt, hochfahren!”
Windows an BIOS: “Immer langsam. Diese junge Platinen sind immer so eifrig, wehe wenn sie auch in meinem Alter kommen!”
Gerätemanager an das Betriebsystem: “Ich habe was Komisches auf dem Schirm.”
Antwort von Windows: “Erstmal ignorieren.”
Hardwareassistent an Windows: “Der User macht Druck. Ich soll das Ding identifizieren, könnte eine ISDN-Karte sein!”
Windows: “Na so was, wieder so ein lästiges Gerät!”
Unbekannte ISDN-karte an alle: “Würdet ihr mich bitte rein lassen?”
Netzwerkkarte an Eindringling: “Du kannst Dich hier nicht einfach so breit machen!”
Windows: “Ruhe im Gehäuse, sonst entziehe ich beiden die Unterstützung.”
Gerätemanager: “Biete Kompromiss an: die Netzwerkkarte darf immer Montags mitmachen, die ISDN-Karte ist am Dienstag dran.”
Grafikkarte an Windows: “Mein Treiber ist gestern in Rente gegangen. Ich stürze gleich ab.”
Windows an Grafikkarte: “Wann kommst du wieder?”
Grafikkarte: “Na erst mal gar nicht!”
CD-Rom Laufwerk an Windows: “Äh, ich hätte hier einen neuen Treiber…”
Windows: “Was soll ich denn damit?”
Installationssoftware an Windows: “Lass mal , ich mach das schon…”
Windows: “Das hört man gern.”
USB-Anschluss an Interrupt-Verwaltung: “Alarm! Wurde soeben von einem Scanner-Kabel penetriert, erbitte Reaktion!”
Interrupt-Verwaltung an USB-Anschluss: “Wo kommst Du denn auf einmal her?”
USB-Anschluss: “Ich war von Anfang an im Rechner. Neben mir sitzt übrigens auch noch ein Kollege.”
Interrupt-Verwaltung : “Ihr steht eben nicht auf meine Liste”, an Windows “Sag Du doch mal was?”
Windows: “Hoffentlich taucht nicht noch ein Drucker auf!”
AOL-Software an System: “Da, jetzt komme ich …..”
System an Windows: “Ey, der macht sich aber ganz schön breit. Guck mal wo der sich überrall einpflanzt.”
Winodws an System: “Schöööön, ich liebe AOL, mehr AOL….”
Antivirus an Windows: “Aber erst muss ich überprüfen, ob der nicht verseucht ist. Mhmm, warte mal… ich prüfe, ob da ein Virus dabei ist. Kann nichts finden, aber irgend etwas stimmt doch mit ihm nicht.”
AOL an Antivirus: “Sei unbesorgt, ich bringe das System in Ordnung…”
Windows an Bildschirm: “Blauer Bildschirm, Blauer Bildschirm, Ausnahmefehler!”
CPU an Alle: Fuck you all!

Was bin ich froh, wenn ich den abends wieder los bin…

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Sein Name war Markus, er war kleiner als die anderen, auch irgendwie dünner und überhaupt machte er den Eindruck, dass das hier nicht seine Verananstalltung werden sollte – am ersten Tag schon. Wir waren im Ferienlager, so wie jedes Jahr im Sommer, seitdem wir sieben Jahre alt waren. Am Anfang hatte jeder so seine Probleme mit dem Heimweh, aber über die Jahre verlor sich das und man war eigentlich ganz froh, auch mal ohne seine Eltern ein paar Sommertage für sich und gleichaltrige Jungs zu haben, die von überall aus der Republik kamen. Außerdem waren die Betreuerinnen immer erste Sahne anzuschauen, wenn sie sich im selben 12-Mann Zelt umzogen, wie wir Jungs, wenn auch hinter Vorhängen, aber da gab es ja Mittel und Wege.
   Er war das erste Mal so lange von zu Hause weg und hatte schon auf der Hinfahrt im Bus großes Heimweh, er saß eine Reihe hinter mir und weinte ununterbrochen. Ich versuchte ihn zu trösten, sagte ihm, dass ich das Gefühl kenne, das sich das nach 1-2 Tagen wieder legen würde und das man dort verdammt viel Spass haben könne, so ohne die Eltern. Er hörte vorerst auf zu weinen, aber sein Gefühl, unbedingt wieder nach Hause zu wollen, blieb ganz offensichtlich bestehen. Er tat mir leid. So leid, dass ich versuchte, mit ihm in eine Gruppe und somit in das selbe Zelt zu kommen. Ich dachte, den kriege ich schon durch irgendwie. Ich mochte ihn. Er kam aus dem Berliner Umland, genau wie ich, nur aus dem nördlichen Teil und unsere Väter hatten die selben Posten. Das verband uns. Irgendwie gelang es mir dann auch, uns in eine Gruppe zu steuern.
    In den großen Armeezelten standen jeweils sechs Doppelstockbetten und wir teilten uns eines davon. Ich bot ihm sogar an, sich auszusuchen, ob er oben oder lieber unten schlafen wollte, was man eigentlich nie(!) tat, da man nie wusste, wer von den Jungs ins Bett nässen würde. Wenn die über einem schliefen, konnte es unangenehm werden. Man schlief immer oben und kämpfte bisweilen auch mit den Fäusten um diesen Schlafplatz. Er entschied sich für unten, was mich irgendwie beruhigte. Er hingegen beruhigte sich nicht. Bis auf die Zeit in der wir alle gemeinschaftlich aßen, weinte er ununterbrochen. Es war furchtbar traurig, ihm dabei zusehen zu müssen, ohne wirklich etwas für ihn tun zu können. Ein Großteil derjenigen, die mit in unserem Zelt lagen, konnten ihr Unverständniss zwar nicht verbergen, blieben aber höflich. Er wurde nicht gehänselt und auch sonst versuchte man, es für ihn nicht noch schwerer zu machen. Irgendwie mochten ihn alle, bis auf den Umstand, dass er natürlich mehr Aufmerksamkeit von der Betreuerin bekam, als der Rest der Gruppe, aber das lies man ihm durchgehen.
    Die erste Nacht muss nicht nur für ihn eine Katastrophe gewesen sein. Er schluchzte pausenlos in sein Kissen und in sein Kuscheltier, was zu verstecken ihm nicht gelang. Niemand im Zelt konnte in dieser Nacht schlafen und so versuchten wir, eine Strategie für ihn zu entwickeln, die dafür sorgen konnte, dass er wieder nach Hause käme – so bald wie möglich. Nichts wollte er mehr. Ich brachte die Idee ein, dass er den Inhalt eines Pfefferstreuers schlucken könnte. Das macht den Hals extrem rot und sieht derbe nach Halsschmerzen aus. Den Trick kannte ich von meinem Bruder, aus deren Klasse sich jemand auf diese Art um das Wehrlager zu drücken versucht hatte. Das dieser Versuch schief ging, und der Tüp einen Riesenärger bekam, verschwieg ich lieber. Ich dachte, die wären bei einem Jungen nicht so hart und das geht irgendwie beim Arzt durch, so das er nach Hause könnte. Der Vorschlag kam auch aufgrund mangelnder Alternativen in der Gruppe gut an und Markus entschloss sich dazu, das ganze am nächsten Morgen in die Tat umzusetzen. So saßen wir dann morgens im Essensaal und er schüttete sich unbemerkt den Inhalt eines Pfefferstreuers, der nicht voll war, in den Handballen, um das Zeug später zu schlucken. Nachspülen tat er mit dem ekelhaften Tee, der immer sauer roch. Wir verzogen uns ins Zelt und warten eine geraume Zeit, um zu sehen, ob sich was änderte. Ihm ging es nach einer halben Stunde ziemlich dreckig. Ihm war schlecht, er hatte glasige Augen und einen beängstigend roten Hals. Also ging er zum Arzt in der Hoffnung, dass er nun alsbald die Rückreise antreten könne.
    Als er zurück kam, war er sehr aufgelöst und weinte so sehr, dass ihm das Sprechen schwerfiel. Der Arzt meinte, dass es nur eine kleine Erkältung sei und das die schnell vorbei gehen würde. Der Versuch hatte also nicht zum gewünschten Erfolg geführt, was alle ein wenig mitnahm. Es musste eine neue Idee her, die sicher dazu führen würde, dass er nach Hause könne. Er fragte, ob jemand diesen Film mit Sylvester Stallone kennen würde, den in dem er sich einen Arm brechen lies, um aus dem Nazi-Lager zu kommen. Ja, jeder kannte den Film, es war Escape to Victory und ich dachte erst, dass er das, was er da sagte, nicht ernst meinen könnte. Er könne sich doch nicht seinen Arm brechen lassen, nur um 10 Tage vor uns nach Hause zu fahren. Er meinte, dass dies der sicherste Weg währe und er das unbedingt wolle, wie auch immer. Wenn ihm keiner helfen wollen würde, würde er das eben allein durchziehen. Die Hälfte der Gruppe stieg aus, das war ihnen doch zu viel der Solidarität. Er band sich mit einem Handtuch ein Stück Seife auf den Unterarm, weil es die Knochen weicher machen würde, wie er sagte, und dann nicht ganz so sehr schmerzen würde. Ich hoffte, dass er sich das bis zum nächsten Morgen überlegen würde und konnte in dieser Nacht wieder nicht schlafen. Nicht weil er wieder weinte und die ganze Nacht schluchzte, sondern weil ich fand, dass das ein absolutes Wahnsinnsvorhaben sei, dass in keiner Relation zur Sache stand.
    Am nächsten Morgen gingen wir essen und man entschied, die Sache nach dem Frühstück durchzuziehen. Keiner sagte was und zwei weitere Jungs stiegen aus. Ich konnte das nicht, ich wollte ihm irgendwie behilflich sein, auch wenn ich nicht auf seinen Arm springen würde! Dafür aber hatte sich der gruppenstärkste Junge angemeldet. Ich glaube, dem ging es nicht primär darum, Markus zu helfen, viel mehr wollte er mal sehen, wie das so ist, einen Arm zu brechen. Nachdem Frühstück gingen wir mit vier Jungs ins Zelt, räumten die Matraze von seinem Bett, nahmen eine Latte aus dem Lattenrost und er legte seinen Arm über diese Lücke. Ich gab an, draußen nachzusehen, ob denn nicht jemand kommen würde.
    Ich ging vor das Zelt, aus den Boxen, die im gesamten Lager montiert waren, plärrte “Tarzan Boy“. Ich konnte niemanden sehen, gab nach drinnen “grünes Licht” und konzentrierte mich auf “Tarzan Boy”. Dann hörte ich es krachen und kurz darauf hörte ich einen unheimlich klingenden und lauten Schrei.

Noch am selben Tag wurde Markus von seinen Eltern abgeholt. Ich habe nie wieder von ihm gehört.

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Netaudio-Mixtape V / Dubtechno

Wenn man über Netaudio spricht, ist es unausweichlich, dass man früher oder später auch auf das Thema Dubtechno kommt. Das zeigen nicht nur die aktuellen Diskussionen dazu bei Tanith, oder bei pEtEr. Auch wir sind über genau jenes Genre zum Netaudio gestoßen. Jahre nachdem uns Labels wie Basic Channel oder Chain Reaction mit ihren Releases regelmäßig in hellste Aufregung versetzen konnten, tat sich wieder was in der lieblichen Beziehung zwischen Techno und Dub. Der Vorteil daran war nun, dass es sich bei einigen Tracks nicht um eine schlichte Kopie der liebgewonnenen Klassiker handelte, sondern eben um Dubtechno der frisch klang und bereit war, neue Wege zu gehen. Es wurde quasi ein neues Zeitalter für Dubtechno ausgerufen und jede Menge Netlabels folgten diesen verlockenden Rufen. Manche setzten es mit Brillianz um, andere machten es weniger gut, und einige machten, und machen es noch immer, regelrecht schlecht. Dennoch ist es nicht zu verleugnen, dass aus jenem Subraum, des netlabelaffinen Dubtechnos ein ganze Riege von Ausnahmekünstlern den Weg auf diverse Vinyls gefunden haben und auch dort überaschend frische Musik in die Rillen bekommen. Kollektiv Turmstrasse z.B. haben ihren Sound zwar schwer endubt, machen aber immer noch großartige und vor allem tanzbare Musik. Marko Fürstenberg hingegen treibt seinen ganz eigenen Dubsound, auch auf den vielen Platten, die mittlerweile von ihm zu haben sind, immer noch kompromisslos und konsequent nach vorne. Und das als ganz großes Theater, ohne das Alte zu kopieren. Der Erfolg gibt ihm recht. Auch war er es, der sagte, dass "Der neue Basic Channel-Soundhype ohne die Vorarbeit, die die Netlabels in den letzten Jahren betrieben haben, gar nicht möglich wäre." Und da würde ich ihm ohne zu zögern beipflichten. Der nächste Abräumer aus dem Pool dürfte wohl Havantepe werden, der einen exorbitant geilen Sound raushaut.

Hier nun alles das, was uns in den letzten Jahren am meisten in den Ohren klingelte, wenn jemand mal wieder von Dubtechno im Kontext zu Netlabels sprach. Auch einen housigen Touch gibt es zwischendurch. Bleibt nur zu hoffen, dass sich nicht nach und nach alle der diesbezüglichen Ausnahmeproduzenten vom Netlabelzirkus verabschieden. Ansonsten muss das wohl zur Erinnerung an die “besten Jahre” reichen.

Spezieller Dank geht an More than you can Shake a Stick at, der dieses großartige Photo via CC-Lizens zur Verfügung gestellt hat.

Download: Zip File
(Dauert, da der Server gleich wieder ein wenig langsam sein dürfte.)
Download: Mp3 via Archive-Host.

Nr. Artist – Title Release Link
01.) Dubjack – Trebol 4 [groovear]
02.) Havantepe – Coral (reef dub) [kreatur musik]
03.) The B.keeper – 04 untitled [kyoto sound]
04.) Neurotron – Black skyline [no response]
05.) Das Kraftfuttermischwerk – Schachtelsatz [unreleased]
06.) Marko Fürstenberg – eastdub (version) [real audio]
07.) Kollektiv Turmstrasse – Light journey [no response]
08.) Laura Palmer – Evolve (Marko Fürstenberg rmx) [thinner]
09.) Nulleins – Emerge [thinner]
10.) Urban Force – untitled 1 [instabil]
11.) Freund der Familie – Cortex [cism]
12.) Martin Donath – Véranda [stadtgruen]
13.) Havantepe – 4o3 [cism]
14.) Tatsu – Ennui [bumpfoot]
15.) Liquid Level – F-KEY [deep in dub]
16.) Dolby – he0R [thinner]
17.) K.Fog – Way [musicartistry]

 

Länge: 01.29.38
Qualität: 192 kbs Mp3
Größe: 123,1 Mb
Stil: Dubtechno/Dubhouse

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Auf den Ziegeln lag der Frost der Nacht. Wenn es nicht windig war, lagen alle noch auf den Dächern und machten aus dem dunklen Rot, was doch immer grau schimmerte, weiße Zelte, die mächtig in den Himmel ragten und schon vom Winter erzählten. Wenn es doch mal windig war, fielen sie zu Hauf von den Dächern und lagen dann gebarsten auf dem Gehweg, den es zu gehen galt. Auch hier waren sie noch weiß bedeckt und man wusste, die warmen Zeiten sind vorbei. Man lief um sie herum, kickte sie hin und her und holte sich Anranzer, von allen Hausmeistern, an denen man, bis man den Weg zur Schule geschafft hatte, vorbei musste. Die Ziegel sollten ganz bleiben und irgendwie den Weg zurück auf die Dächer finden, um die nächtlich enstandenen Löcher auf den Dächern zu schließen. Ziegel gab es wohl nicht so viele und die, die den Weg nach unten noch halbwegs unbeschadet überstanden hatten, sollten wieder rauf. Rauf zu den weißen Zelten, um sie wieder dicht zu machen. Im Regelfall blieben sie dort dann bis zum nächsten großen Wind und fielen wieder auf die Gehwege. Von Glück konnte man sprechen, wenn sie dabei nicht die Säufer erschlugen, die nachts aus der Treffpunkt-Gaststätte ihren Weg nach Hause wankten. Tüpen wie Kutte vielleicht, die es auch damals zu Hauf schon gab.

Auf dem Schulhof ergab sich einem ein ähnliches Bild. Ziegel soweit man sehen konnte. Man musste dann immer schnell ins Gebäude, damit nichts passieren könnte mit den noch kleinen Köpfen. Da hätte auch das Pionierkäppi nichts ausrichten können. Soviel wussten sie. Man schlurfte dann durch das alte Schulhaus, was vor 1945 eine Kommandozentrale für den sich im Bau befindlichen Flughafen war, schaute bei den Hausmeistern vorbei, die unten im Keller die riesigen Öffen heizten, damit es wenigstens halbwegs warm wurde. Sie taten das schwitzend, mit freiem Oberkörper und großen Schippen. Schnell waren sie und gechickt. Sie ließen sich gerne dabei zusehen, es machte sie ein wenig stolz, so eine wichtige Aufgabe erledigen zu dürfen. Wenn mal einer der beiden nicht da war, merkte man das umgehend. Es war kälter in den Räumen. Wenn man genug davon hatte, ihnen beim Schuften zuzusehen, schlurfte man weiter. Zum Werklehrer vielleicht, der in seinem Raum eine große Karte an der Wand hängen hatte. Eine Karte, auf der Flugplatz komplett dargestellt war, so wie Adolf in bauen lassen wollte. Der Werklehrer war ein netter Mann und der einzige, der politisch nicht so verbrähmt war, wie fast alle anderen Lehrer. Er erklärte einem all diese Sachen vom Flugplatz und von dem, wie weit die damals kamen und warum sie nicht noch weiter bauen konnten. Er sammelte alles darüber und bewahrte es in seinem kleinem Raum auf. Nicht um es den Schülern zu zeigen, sondern um es bei sich zu haben. Manchmal lief er am Wochenende mit dem Spaten in der Gegend rum und buddelte irgendwelches Zeug aus der Erde. Man fand sowas spannend damals, man war klein.

Die Klassenräume waren groß, mitunter ziemlich kalt und rochen nach einer Mischung aus nassen Klamotten, Schulstullen, die noch irgendwo in den Bänken lagen, Qualm aus den riesigen Öffen im Keller und manchmal auch ein wenig nach Pisse. Der Gestank von den Toiletten kroch durchs ganze Schulhaus. Auch wenn die Türen alle zu waren. Die Fenster waren undicht und zog es einem immer kalt um den Nacken, wenn man da so saß. Die Jacken mussten auf dem Flur hängen bleiben, so das man sie nicht überziehen konnte. Das ergab ein lustiges Bild, wenn man mal wieder dem Unterricht vor der Tür beiwohnen musste, was ja hin und wieder mal vorkam. Da hingen dann auf einhundert Meter Flur massig viele Jacken zwischen den Türen und sahen so aus, als würden ihre Träger noch in ihnen stecken und alle brav an der Wand stehen. An guten Tagen, wenn man bis zum nächsten Klingeln noch Zeit hatte, verstauschte man einige von denen. Auch über die Etagen. So kam es vor, dass die Tüpen aus der Zehnten, die ganz oben im Haus untergebracht waren, ihre Jacken im Keller wieder fanden, wo die Ersten lernten. Wenn sie rausbekamen, wer dafür verantwortlich war, fanden sie das nicht zum Lachen. Wohl dem, der einen großen Bruder hatte.

Wenn es mal all zu kalt war, beide Hausmeister krank waren, so dass keiner heizen konnte, oder es eben sehr stark stürmte, wurde die Schule ganz geschlossen und man konnte den Weg, wieder mit den Ziegeln kickend, umgehend zurück gehen. Zu Hause wartete der Ofen darauf, dass man ihn fütterte. Asche raus, runter in den Keller, um die Kohlen zu holen anheizen und erstmal für eine halbe Stunde wieder ins Bett kriechen, damit es auszuhalten war. An guten Tagen hatten die Eltern das morgens noch gemacht. An schlechten, wenn auch sie schon weg mussten, war man dafür selbst verantwortlich. Für alle Zimmer wohlgemerkt. Asche raus – Kohle rein. Jeden Tag. Man hat es gehasst. Jeden Tag die Kohlen aus dem Keller schleppen – immer Abends vor dem Essen. Nach nach der halben Stunde unter der wärmenden Decke und dann, wenn die dick zugefrorenen Fenster endlich den Blick nach draußen zuliessen, verließ man das Bett und genoß die wohlige Wärme, die aus dem Ofen bullerte. Solange bis es wieder Nacht wurde und mit ihr die Kälte kam.

Wenn man morgens mal nicht soviel Geduld hatte und auf die Wärme warten wollte, setzte man sich in die Küche und machte alle Flammen das Gasherdes an, schloß die Tür und wärmte sich dort. Genau so, wie ich es heute tue.

Ein Kommentar

Stoiber, hau rein. Eine lange Zeit war es, in der man gar nicht um dein Gesabbel herum kam, so sehr man auch wollte, da war nix zu machen. Überall hast Du deine Hackfresse markanten Gesichtszüge ins Scheinwerferlicht gedrängelt. Wenn Du einen guten Tag hattest, hast Du sogar ein paar Sätze aneinander reihen können, so das man darin fast einen Sinn erkennen konnte. Warum man dich dennoch nicht verstehen konnte, mag daran liegen, dass Du du doch immer äußerst dämliche Ideen zu artikulieren versucht hast. So dämlich, dass man hier oben im Norden mitunter denken musste, dass jene die dich nun schon so lange gewählt haben allesamt ein gewaltiges Ding an der Klatsche haben müssten. Du hast von Familie geschwafelt und man musste sich fragen, ob denn so eine Familie, wie Du sie Dir vorstellen konntest, wirklich der gesellschaftliche Rahmen sein könnte, in dem man leben wollte.

“Du und dein Bayern – eine Erfolgsgeschichte” konnte man dich reden hören – immer wieder. Das ging einem irgendwann so gehörig auf den Sack, dass man gar nicht mehr hinhörte, wenn von Dir die Rede ergriffen wurde, hast Du doch am liebsten immer über dich geredet. Das ist bis heute ja so geblieben. Alles dreht sich immer nur um dich. Als Du irgendwann aber gemerkt hast, dass die Welt größer als dein Bayern ist und dich natürlich gleich aufmachen wolltest um auch dem Rest der Republik das bayerische Erfolgsrezept in die Wohnzimmer zu tragen, hat man es ein wenig mit der Angst bekommen. Echt jetzt, wenn auch nur ganz kurz. Ich meine, fast warst Du ja Kanzler geworden. Na das hätte ja was werden können. Stell Dir vor, Du hättest vor Herrn Bush gestanden und Dir so einen abgestammelt, wie Du es hier ja so gerne gemacht hast. Was war da eigentlich immer los bei Dir. War das weil Dir das hochdeutsch so schwer fiel, oder einfach um auch mal bei Youtube zu landen. Ich meine, wegen der Bürgerbindung – auch bei den jungen Menschen? Die wollten dich ja dennoch nicht. Eigentlich wollte dich ja keiner, außer deinen Bayern, was ich durchaus nachvollziehen kann. Irgendwie sahst Du ja auch immer ein bissl dämlich, wenn Du den verbalen Bierzeltterrorismus beflügelt hast, wie ein Hassprediger mit Gamsbart an der Mütze. Dann war die kein Witz zu flach und kein Vergleich zu dumm. Die Massstämmer fanden dich immer sehr lustig, aber mal ehrlich: Nach 2-3 Litern Bier kein Wunder, oder? Ich meine, da sollte man auch mal ehrlich mit sich selber sein, also Du jetzt. Aber das war ja nie Deine Stärke. Eher Deine stärkste Schwäche, aber über sowas soll man ja an so einem Tage nicht reden. Es soll ja was Großes haben, wenn Du nun in die Brüsseler Jagdgründe verschwindest. Schön wäre es, wenn man von dort von Dir genau soviel hören würde, wie von den anderen Europaparlamentariern. Nämlich nichts, denn da Du ja nun auch den Bundestag verlässt, bleibt uns Bürgern einiges erspart, auch wenn es eigentlich, den anderen Bundestagsabgeordneten gegenüber, nicht fair ist, hatten die doch immer was zu lachen. Ich glaube fast, dass deine eigentliche Bestimmung Komiker gewesen wäre, aber dafür ist es ja nun auch schon ein wenig spät. Du bist ja nicht mehr der Jüngste, obwohl ich dich neben Thomas Hermmans immer gerne mal als Duett gesehen hätte, gerne auch mit Kostüm. Das hätte sicher auch bei den Frauen eingeschlagen, mit denen Du ja doch immer deine Probleme hattest, außer mit deiner eigenen. Die Hast Du auch gerne mal Muschi genannt. Hallo? Muschi? Oh, oh. Aber sonst warst Du ja nicht so “der Stecher”, wie die jungen Leute sagen würden. Die eine hat Dir das Kanzleramt wegeschnappt, was dich heute immer noch ganz sauer macht – kannste auch ruhig mal zugeben jetzt. Die andere hat Dir ein Bein gestellt, über das Du knallhart gestolpert bist und irgendwie nicht mehr hochkamst. Nein, bei den Frauen hattest Du keinen Schlag. Klar, bist ja auch kein Harald Juhnke, auch wenn so manche Äusserungen von dem, in seinen alten Tagen, durchaus Analogien zu deinen in in den besten Tagen aufweisen. Da kann man nix sagen.

Eigentlich, ja eigentlich hast Du alles falsch gemacht. Du hast den Ossis abgesprochen, autark über ihre Wählerstimme entscheiden zu können. (Wegen Oskar damals , Du erinnerst dich?) Dafür hattest Du von mir den Spitznamen Sudel-Ede bekommen, nicht nur weil der Name bestens passte, sondern weil auch gegebene Umstand dazu einlud. Du hast dich regelmäßig blamiert, wenn Du versucht hast, so Dinge zu erklären. Es fiel Dir echt schwer, mal einen Text zusämmenhängend rauszubekommen, ohne dich ständig zu verhaspeln. Manchmal hast Du mir dann auch ein wenig leid getan. Echt jetzt. Ich dachte dann immer, nun gebt ihm doch endlich eine Maß Bier, so das er wieder geradeaus reden kann. Außerdem, und das war das mieseste überhaupt während deiner Herrschaft Amtszeit, hast Du Bruno zum Abschuss freigegeben, den armen Bären. Das werde ich Dir immer übel nehmen müssen.
Eigentlich, ja eigentlich hast Du alles falsch gemacht. Dennoch hast Du dich dermassen lange im Ring gehalten. Respekt! Entweder war das so, weil deine Wähler auch einen an der Klatsche haben, was allerdings ziemlich vermessen zu behaupten wäre, oder die hatten Angst vor der Alternative zu Dir. Wenn ich hier so schreibe, fällt mir nämlich ein, was nach Dir kommen könnte: Beckstein nämlich. Und der Tüp und ich sind alles andere als verliebt, wenn Du verstehst? Der ist ja wohl die absolute Härte, und das wortwörtlich. Aber der bekommt dann mal einen eigenen Beitrag, wird sicher auch gar nicht lange dauern, der macht nicht so lange wie Du. Das ist, in der Tat, Dein Vermächtnis. So einen Irren wie dich gibt es nicht wieder, denn Strauß ist ja nicht mehr.

Also Ede; Hau rein, mach es gut, grüß Brüssel, deine Bayern und deine Muschi.

Tschüssikowski.

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Vor dem Block lag der Wäscheplatz. Auf dem spielten alle Jungen immer “Ball über die Stange”, ein Spiel das sich mal irgendjemand hatte einfallen lassen. Der Ball musste dazu immer über eine Wäschestange gespielt werden um ihn dann im Tor zu versenken, das auch durch Wäschstangen als solches definiert wurde. Es gab sogar kleine Tuniere in der Disziplin. Immer vor dem Block. Die Jungen liebten das. Da war es auch, als ich mit dem großen Jungen in Streit geraten bin. Ich war acht, er mindestens fünfzehn. Es wollte mich schlagen, weil ich “frech war”, wie er meinte. Ich warf einen Stein nach ihm. Der landete auf seiner Stirn, die stark blutete und ihm eine anständige Narbe fürs Leben schenkte. Seine Mutter war nicht begeistert aber ich ich war viel zu klein, um Ärger zu bekommen. Insgeheim fanden das auch alle sehr mutig. Außer ihm und seiner Mutter natürlich. Hinter dem Wäscheplatz lag eine große Wiese, die durch zwei Blöcke gesäumt wurde. Geradezu konnte man die Hauptstraße sehen, die im Schatten der alten Kastanien durch die Stadt führte. Im Frühsommer fuhren jedes Jahr die Friedensfahrer durch. Wir bekamen dann schulfrei und konnten ihnen zujubeln, was wir immer voller Freude taten. Wenn im Herbst die Kastanien ihre Früchte verloren, haben wir sie eingesammelt und in die Schule gebracht, – für die Tiere im Wald. Wir schleppten säckeweise Kastanien und Eicheln dorthin. Es gab eine Liste, auf der gekennzeichnet war, wer schon am meisten Futter abgegeben hat. Wir standen oft auf dieser Liste.

Um die Wiese vor dem Block befanden sich so etwas, was man heute nicht mehr Straßen nennen würde. Es waren eher Wege. Parkplätze gab es keine. Jeder parkte sein Auto da, wo es eben hinpasste. Kreuz und quer – kunterbunt. Nur auf diese Wiese wagte sich mit dem Auto niemand. Im ganzen Neubauviertel gab es diese Wiesen, vor jedem Block aber auf keiner habe ich jeh ein Auto stehen sehen. Im Sommer saßen die Menschen mitunter auf diesen Wiesen und grillten. Ganze Familienfeste wurden dort im Schatten der Blöcke zelebriert. Die Mädchen spielten dann Federball, die Jungen Ball über die Stange und die Alten soffen. Manchmal sangen sie sogar. Am nächsten Morgen räumten alle gemeinsam auf.

Zwischen der Haustür und der Wiese war so ein Weg und dann standen dort noch die großen und verrosteten Mülltonnen, die manchmal, aus mir unerfindlichen Gründen – auf den Weg geschoben wurden. Wenn der Wind mal stark durch die Blöcke fegte, trieb er die Tonnen immer ein paar Meter, auf diesem Weg, vor sich her. Irgendwer musste sie dann wieder zurückschieben und schimpfte über die Bremsen, die an den Tonnen “mal wieder nicht funktionierten”. Wenn es sehr windig war konnte es auch passieren, dass in der Wohnung die Fenster aufsprangen, was mir immer ein wenig Angst machte. Die Haustür hatte keinen Türknauf, nur eine Klinke. Mann hätte sie abschliesen müssen, um sie zu veriegeln. In den allerseltesten Fällen war sie zu. Nur Schulzes haben sie hin und wieder zugesperrt. Vor der Tür stand ein Hasselnussstrauch. Neben dem planzten manche Bewohner ein paar Blumen. Die Eltern auch, “weil doch schon sonst alles so grau ist in der Neuen Wohnstadt.” Im Hausflur war dieser graue Granitboden, den immer alle “Terazzo” nannten. Die Wohnungstüren waren nach zehn Jahren schon vergilbt, – ebenso wie die lackierten Wände -, aber es war immer sauber. Die Türen hatten miserable Schlösser, die man ohne weiteres mit einem Schraubenzieher und einer Zange öffnen konnte, wenn sie denn nicht abgeschlossen waren. Das war zumindest dann praktisch, wenn man mal wieder seinen Schlüssel vergessen hatte. Die Nachbarin half dann immer mit dem Werkzeug aus und wenn doch mal abgeschlossen war, machte sie einem ein Käsebrot, manchmal einen Kakao und nahm einen auf, bis die Eltern kamen. Ober spielte Frau Schmidt immer am Flügel, was der ganze Block hören konnte. Frau Schmidt spielte sehr gut, fand ich. Manchmal begleiteten mich ihre sachten Anschläge in den Schlaf. Die Schmidts waren weit rumgekommen in der Welt. Er war Ingenieur, sie Pianistin. Sie fuhren gemeinsam in die UdSSR, nach Bulgarien, Rumänien, Ungarn und sogar in der Mongolei waren sie mal. Sie brachten uns dann immer kleine Geschenke mit. Die Schmidts waren sehr nett. Außerdem hatten die im Hausaufgang das einzige Telefon. Was erst bedeutungslos erschien, erwies sich dann später als “heißer Draht in die Zentrale”, aber über sowas dachten wir als Kinder nicht nach. Über den Schmidts lag nur noch der Dachboden, den wir immer überaus spannend fanden. Viel Zeug stand dort rum. Und wenn mal wieder eine Familie aus irgendeinem Altbau in den Block zog, verstauten sie alles, was keinen Platz mehr in der neuen Wohnung fand, auf jenem Boden. Er war aus jedem Treppenhaus im Block zugänglich und so konnte man das ganze Haus ablaufen. Sehr häufig spielten wir da oben und wühlten in den Sachen fremder Leute.

Am Anfang der Strasse, also drei Blöcke weiter, war die Kaufhalle an der fast immer Menschen aus dem Viertel anstanden. Wenn dem mal wieder so war, stellte man sich einfach mit an. Manchmal zwei, – dreihundert Meter lang. Es musste schließlich einen Grund haben, warum die da alle anstanden. Wenn man dann den Findling auf Höhe mitte der Strasse erreicht hatte, wusste man, es war nicht mehr lang. Meistens gab es dann Bananen oder Apfelsinen meistens waren die schon lange alle, bevor man endlich am Ziel war. Hinter der Kaufhalle befand sich ein großer Spielplatz, der größte des Viertels. Dort trafen sich immer alle Kinder und auch deren Mütter. Sie brachten Kaffee und Kuchen mit und versüßten sich mit diesem den sonst so grauen Alltag.

Letztens ist die Kaufhalle eingestürtzt. Sie stand schon zehn Jahre leer. Der Spielplatz dahinter wurde neu gemacht, es ist da jetzt nicht mehr soviel los. Aus den Wegen wurden Strassen, daneben gibt es Mieterparkplätze in Reihe und Glied, mit angepinntem Nummernschild, damit sich auch kein anderer darauf stellt. Die Mülltonnen haben nun so eigene Häuschen. Mit dach und abschliessbarer Tür. Damit auch niemand seinen Müll dort reinwirft, der nicht dort wohnt. Alle Türen sind neu, mit Knauf und Gegensprechanlage. Auf die Terrazzo-Böden wurde Linolium geklebt, die alten Haustüren wurden durch dunkelbraune Sicherheitstüren erstetzt und die Wände wurden mit Farbchips bedeckt. Alles sicher – alles sauber. Die Schmidts wohnen da schon lange nicht mehr, die Schulzes auch nicht und wir, sowieso, schon lange nicht mehr.

Alles was immer noch so aussieht, als wäre nie etwas geschehen, ist die alte Wiese. Mit neuem Wäscheplatz versteht sich.

Ich werde nie wieder in einem Neubau wohnen.

Ein Kommentar

Die alte Trinkerin, die bis vor einem Jahr, als ich noch an der Glienicker Brücke wohnte, dort jeden Abend saß um dann später, wenn der Abend in die Nacht verschwindet, unter dieser auch zu schlafen, sitzt immer wenn ich jetzt Nachts aus dem Studio komme am Platz der Einheit. Sie tut immer so, als würde sie auf die Bahn warten, die auch in meine Richtung fährt. Wahrscheinlich sogar wartet sie wirklich auf jene Bahn, die sie dahin bringt, wo sie in all ihren Träumen schon immer mal hinwollte. Wohin diese Bahn gehen müsste kann ich nicht wissen. Vielleicht weiß sie das selber nicht. Sie sitzt da. Vor ihr stehen zwei Ledertaschen und zwei Leinenbeutel und sie bewahrt Haltung. Sie hat Stil. Man sieht ihr nicht an, dass sie auch in dieser Nacht ein dachloses Quartier beziehen wird. Man sieht ihr auch nicht an, dass sie genau das schon seit Jahren so handhabt. Sie sitzt da und wartet auf eine Bahn, ohne in eine einzusteigen und trinkt diskret.
Immer aus einem Glas.

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