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788 Suchergebnisse für "muss los"

Kleider machen Leute nicht

Sie sieht gut aus mit ihren geschätzten 45 Jahren. Sie trägt einen sehr edlen Hosenanzug, dazu gefährlich hohe Schuhe, die Haare sitzen perfekt bis auf den leicht verschnittenen Pony, aber nun gut. Das Make Up-Puder schließt ihre zu großen Poren im Gesicht, aber von weitem, als sie da noch mit zwei Kollegen steht und ihr breit aufgesetztes und charmantes Lächeln durch den Bahnhof schleudert, sieht man das nicht. Sie gackert auch ein wenig dabei. Das muss wohl so.

Als sie mit lautem Klacken den Tresen betritt an dem ich soeben meinen Kaffee bestellt hatte, sagt sie nicht, wie es die Bedienung sehr nett tut, “Hallo” oder “Guten Morgen” oder irgend so etwas. Sie sagt “Ich bekomme…”. Nicht “Ich bekomme bitte…”. Sie bekommt einfach immer nur das, was sie will. Wozu also mit Nettigkeitsfloskeln aufhalten, sie bekommt gefälligst. Dumm nur, das das was sie “bekommt” hier nicht zu haben ist. Milchkaffee haben die hier nicht, Latte Macchiato beendet das Angebot nach oben. Als ihr das freundlich gesagt wird, grunzt sie irgendetwas und zeigt mit ihren langen, gepflegten Fingern auf meinen Becher: “Dann eben sowas da, man!

Und alles verfliegt.

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Download: Das Kraftfuttermischwerk – Bärlin City

Ich bekam gerade eine Anfrage, ob es denn “Bärlin City” irgendwo zum Download gibt, da es in einen Podcast mit rein soll. Ich musste feststellen, dass dem nicht so ist. Ich weiß nicht mal, warum dem nicht so ist. Die Nummer ist schon etwas älter, gehört aber definitiv zu einem meiner Live-Lieblinge. Entstanden ist “Bärlin City” ursprünglich mal in einem Burger-Restaurant auf der Schlossstraße in Berlin. Da saß ich ganz alleine in der oberen Etage und da ich jede Menge Zeit hatte, hatte ich einfach mal was angefangen. Die Vocals, wenn man das so nennen kann, hatte ich über einen Kopfhörer, aufgenommen, den ich einfach zweckentfremdet in den Mikro-Eingang steckte. Und weil ich das Dingen so sehr mag, kann das auch hier rein, dachte ich.

[audio:http://kraftfuttermischwerk.de/stuff/das_kraftfuttermischwerk_-_baerlin_city.mp3]

Download: Das Kraftfuttermischwerk – Bärlin City (320 kbit/s mp3)

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Familiensamstag. Puh.

Gestern war es nicht mal 23.00 Uhr und ich war so alle, dass ich mich nicht mal mehr auf den Beinen halten konnte. Ich hatte nicht mal was viel getrunken und wollte nur noch in mein Bett. Was war passiert?

Die Tochter nahm an einem Tanzwettbewerb teil, wie das mal hieß. Heute heißt es Battle und genau so gefährlich wie das klingt, geht es da auch zu irgendwie. Ich dachte im Vorfeld, man fährt auf irgendein Dorf, sitzt mit dreizig anderen Zuschauern in einer ostarchitektonisch geprägten, nach altem Turnschuh riechenden Turnhalle vor einer plärrenden 1,6 KW-Anlage und hofft , das irgendwer gewinnt. Schnell gewinnt. Klar, vielleicht sogar die Tochter. Man fuhr um 7.45 Uhr los. In ein irgendein Dorf, in dem gut 400-500 Leute in einer neuen, streng nach Turnschuh riechenden Turnhalle ausflippten. Auch wegens ihrer Kinder. Klar. Anstatt der plärrenden Anlage jedoch gab es eine fette PA samt Lightshow, gefühlte 20 Tanzcrews, einen Veranstalter, der offenbar mit weitaus weniger Gästen gerechnet hatte, zur Halbzeit war alles, was man hätte zu sich nehmen können, irgendwie alle. Und zu guter letzt den wohl prolligsten Moderator, den rs2 zu bieten hatte. Reißerisch kündigte er alles und jeden an, machte aus seiner Vorliebe für die halbbekleideten jungen Damen auch keinerlei Geheimnis und als er endlich Feierabend hatte, verließ er mit einem Chevrolet, der übersät war mit Aufklebern in Form amerikanischer Flaggen, ganz fix den Parkplatz.

Es wurde getanzt und getanzt und getanzt. Nach vier Stunden wurde mir klar, dass ich im Vorfeld nicht genau wusste, worauf ich mir hier einlies. Ich dachte eher romantisch an meine sportliche Kindheit zurück, in der ich immer irgendwo ein Handballspiel zu gewinnen hatte. Da fuhr man dann hin, machte ein Punktspiel und fuhr wieder nach Hause. Hier aber wollte ein ganzen Bundesland mitspielen und es nahm scheinbar kein Ende. Es war auch irgendwie ein ganz schlechter Einstieg, für den die Veranstalter sorgten. Sie besorgten eine Teenager HipHop-Combo aus Blankenfelde, was ja der Credibility schonmal nicht zu gute kommen kann. Eigentlich hatte ich nach denen schon genug. Aber ich blieb. Wegen der Tochter. Da muss man eben durchhalten. So sah ich mir aufmerksam Mädchen mit Mickey Mouse-Ohren an und welche, die in neongrün-pinken Puschelkostümen – die locker wegen auslösenden Augenkrankheiten verklagenswert gewesen wären – einen modernen Ententanz aufführten. Mir wurde klar, dass der HipHop-Streetdance den die Gruppe der Tochter tanzt, hier schlechte Karten haben würde. Eine Erzieherin in der Jury mag es eben etwas kindlicher lieber. In den restlichen Kategorien, die sich alle nach Alter staffelten, gab es fast ausschließlich Streetdance, der immer gnadenlos die volle Ladung Mainstream-Hiphop als Beschallung mit sich brachte, was mir wirklich schwer zu schaffen machte. Aber ich musste durchhalten, es gab kein Entrinnen.

Als die Gruppe der Tochter im Halbfinale rausflog, war ich einerseits traurig, andererseits sah ich eine echte Chance, hier so schnell wie möglich wegzukommen. Denkste. Die wollten natürlich alle wissen, ob denn nun die Micky Mouse-Ohren oder die Augenkrebsler gewinnen würden, die nebenbei alle um einiges schlechter waren, als die Gruppe der Tochter. Auch klar. So blieben wir und blieben wir bis nach neun(!) Stunden HipHopserei endlich alles klar war. Ich hatte starke Kopfschmerzen und zu rein nichts mehr Lust. Kurz dachte ich darüber nach, dass es mir eigentlich lieber wäre, wenn die Tochter Handball spielen könnte oder so. Das aber verwarf ich schnell wieder – sie mag kein Handball. Für mich war sie und ihre Gruppe Gewinner. Klar, wer setzt auch eine Erzieherin in eine Jury, die die Fähigkeiten von Tanzenden beurteilen soll. Tzzzz. Highlight des Dorfes, war eine Pinte, die sich mit dem Namen “Erikas Bierstube” auslobt. Ich sah die nicht von innen, aber der Name macht schon ziemlich was her, dachte ich.

Neun Stunden HipHop! Vater sein kann eine furchtbar schwierige Angelegenheit sein.

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Marko Fürstenberg live @ Paysages Electroniques, Lille, 04.04.08

Es ist immer wieder ein Genuss, dem Mann bei der Arbeit beim Liven zuzuhören. Vielmehr muss man dazu auch gar nicht mehr schreiben. Ich glaube, ich hatte da in der Vergangenheit schon alle möglichen Superlativen benutzt. Hier würde ich auch nicht ohne auskommen. Deshalb einfach downloaden, sich fallen lassen oder hemmungslos austickern, was mir bei dem Sound ein Leichtes wäre. Frischster Dubtechno in Perfektion.

Download | Surphase.com

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Netaudio-Mixtape VI / Kaffeehausmusik

Es ist Sonntagmorgen, 6.00 Uhr. Alle die jetzt in der Stadt unterwegs sind, sind entweder die Übergebliebenen der letzten Nacht, so wie ich, jene die ohnehin immer keinen Schlaf finden oder
überzeugte Frühaufsteher. Die große Straße, auf der ich unterwegs bin, reicht geradelang bis zum Horizont. Da verschwindet sie im Sonnenaufgang. Sie ist nass, es muss geregnet haben – jetzt ist es warm. Dunst steigt vom sich langsam wärmenden Asphalt auf und verwischt das Bild der orangen Sonne. Ich habe Lust auf einen Kaffee. Auf einen guten Kaffee, so wie ihn das kleine Kaffeehaus im Stadtinneren den macht mit seiner Espressomaschine, die schon älter sein muss als ich. Vielleicht trifft man ein paar Bekannte, kann draußen sitzen, etwas reden und den Weinrausch der Nacht loswerden. Vielleicht gibt es ja auch wieder diesen Deejay, der die Leute in den Tag begleitet, sie den Stress der Nacht vergessen macht mit seiner ganz eigenen Definition von Musik, wie sie in ein Kaffeehaus gehört. Ambientes, Jazz, broken Beats, viel Organisches, Dub, Gitarren, Gesang und eine Priese Elektronika. Musik so warm, wie der leckere Kaffee von innen, und die aufgehende Sonne von außen. Ja, vielleicht habe ich Glück und er versüßt mit den Kaffee ganz ohne Zucker.

Ich kann ihn schon von draußen sehen. Er sieht besser aus als ich. Wahrscheinlich hat er letzte Nacht entweder geschlafen oder einfach weniger getrunken. Ich bestelle einen Latte macchiato, bitte um einen Aschenbecher und setze mich in den kleinen Garten im Hinterhof, wo auch andere schon sitzen. Die Anlage hat hier draußen hat eine angenehme Lautstärke. Ich nehme mir keine Zeitung. Ich will die Musik ganz bewusst genießen.

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Rotkreuzritter

Der Weg von der Tram in das Bahnhofsgebäude ist kein weiter und doch scheint er manchmal unüberwindbar. Eigentlich müsste ich nicht mal da rein, nur hin und wieder, wenn ich noch einen Kaffee holen will, ein Baguette oder Zigaretten, muss ich diese paar Meter gehen. Dann stehen sie da, als müssten sie das Gebäude bewachen und dürften keinen rein lassen, so wie damals die Grenzer an der Mauer. Sie nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. Keiner kommt unangesprochen dort durch. Sie wollen Zeitungsabos verkaufen, suchen irgendwelche arme Irren, die sich zu einem Video-Bestellservicevertrag hinreisen lassen oder sammeln Spenden für rettet die Wale, den Tierschutz, Greenpeace, und was weiß ich noch alles. Man muss acht geben, wenn man unbemerkt an ihnen vorbeikommen will. Es kommt mir vor wie in einem Computerspiel das im Kriegsgebiet spielt, wo es ums eigene Überleben geht. Das ist nur dann gesichert, wenn man an seinen Gegnern unbemerkt vorbei kommt. Der Vergleich hinkt – zugegeben -, aber so fühle ich mich dann tatsächlich. Ich will die nicht sehen, ich will nichts von denen haben und ich will nicht von denen angesprochen werden. Ich brauche kein Zeitungsabo, will keine Videos auf Bestellung und auch in keinen Verein eintreten, obwohl ich das durchaus mal tun könnte, nur eben nicht am Bahnhof. Jeden Tag sage ich „Nein. Danke“. Dennoch fragen sie mich am nächsten Tag wieder danach. Ich komm mir vor, wie Bill Murray in Und Täglich grüßt das Murmeltier, nur das da alles irgendwie lustiger zu sein scheint. Meistens reicht ein „Nein, Danke“ oder „Kein Interesse“. Manchmal muss man auch etwas mehr sagen, um die abzuschütteln. Im Regelfall klappt das auch gut. Ideal ist es dann, wenn man Kopfhörer auf hat und man so tun kann, als höre man sie nicht.

Seit ein paar Tagen allerdings ist alles noch viel komplizierter geworden. Zu den ohnehin schon kaum überwindbaren Torwächtern hat sich nun auch noch das Rote Kreuz gesellt. Und das mit einer Offensivkampfbrigade, die auch als SEK unter den Zahlscheinsammlern durchgehen könnte. Man erkennt sie an ihren Jacken mit dem roten Kreuz. Dazu haben sie immer eine Schreibunterlage auf dem Unterarm, wo neben den wichtigen Infos auch immer gleich Verträge und Überweisungsträger stecken. Außerdem haben die wohl die sympathischsten Studenten für diesen Job gecastet, die Deutschland her zu geben hat. Die meinen es echt ernst. Sie arbeiten nach dem Staubsaugerprinzip, wobei sie die physikalischen Prinzipien eines solchen umdrehen und nicht den Staub, in diesem Fall Passanten, einsaugen, sondern sie saugen sich an die Passanten ran. An jeden Passanten. Wenn sie einen dann gestellt haben, halten sie den fest. Fest, wie ein Falke, der seine frisch erlegte Beute mantelt. Es gibt kein Entkommen.

Dann reden sie auf einen ein, so dass es im Kopf klingelt. Die Menschen haben keine Zeit, das wissen sie und reden deshalb besonders schnell. Ein „Nein, danke“ oder „kein Interesse“ akzeptieren sie nicht. Zumindest nicht so lange, bis sie alle ihre Sätze losgeworden sind. Aber auch dann wird es nicht leichter. Ich habe es versucht mit: „Keine Zeit. Mein Bus fährt gleich.“ Darauf meinte er: „Kein Problem, ich komme mit.“ Ahhhh. Das machte mir ein wenig Angst, das geht zu weit, ich brauche keine Busbegleitung mit Schreibunterlage auf dem Unterarm. Ich will auch nicht beim DRK eintreten, obwohl ich weiß, dass das wichtig und wahrscheinlich sogar richtig wäre. Ich will es nicht! Schon gar nicht vor dem Bahnhofsgebäude. Ich bin ihn dann losgeworden mit: „Ich muss das erst mit meiner Frau abklären, wissen sie?“ Zufrieden war er damit nicht und wollte sich mit mir am Bahnhof verabreden, um alles fest zu machen. Ich sagte okay. Ich weiß, dass das nicht wirklich die feinste Art ist, aber was soll man machen. Ich habe heute überlegt, ob ich auf der anderen Seite in den Bahnhof gehe, womit man sie umgehen könnte. Nur, dass sind 15 Minuten Umweg, was mir dann doch etwas übertrieben erschien. Also war es der tanz auf einem Minenfeld. Ich bin ihnen entkommen. Heute. Man muss geschickt agieren und konzentriert, nur dann hat man eine Chance gegen die Rotkreuzritter. Ritter deshalb, weil sie ja wirklich was Gutes, was Ritterliches zu tun bemüht sind.

Bald trete ich in einen Verein ein. Nicht ins Rote Kreuz, was allerdings bedeutet, dass ich für den Weg von der Tram in das Bahnhofsgebäude auch weiterhin täglich eine Strategie auszuarbeiten muss. Und täglich grüßt das Murmeltier.

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Heute ein König – Morgen ein Arsch

Sie sitzen hinten im hinteren Teil des Busses, dort wo vier Leute sitzen können wobei man sich gegenübersitzt. Diese Viererplätze sind beliebt, weil man die Füsse auf die Sitzplätze gegenüber legen kann. Vorausgesetzt, der Bus hat keine Kameras. Die Fahrer nämlich tickern ausnahmslos alle aus, wenn sie hochgelegte Füsse auf ihre Monitore bekommen. Manchmal denke ich, sie seien nur dazu da, um Leute vollzuferzen, die ihre Füsse hochlegen, aber in den Zeiten, in denen in jedem Bus mindestens 37 Kameras das Geschehen zum Fahrer funken, werden auch die sich dann mal wieder aufs Fahren konzentrieren können.

Es sind zwei Männchen und zwei Weibchen, alle um die achtzehn Jahre jung. Es geht um ihre Perspektiven und darum, wie es denn nach der Schule weitergehen soll. Die Mädels wissen nicht so recht. Vielleicht FH, vielleicht Berlin, vielleicht gar keine Ahnung und erstmal gucken. Klingt nach kalkuliertem Nichtstun. Sehr sympathisch. Eines der Männchen hat sich für Tischler entschieden. Ja, geht. Tischler geht immer. Da kann man auch noch was draus machen, wenn man die Ausbildung fertig hat, denke ich mir. Warum er dafür nun dreizehn Jahre lang zur Schule gegangen ist, wird mir weder klar, noch wird es Thema der Runde. Das muss wohl heute so. Der angehende Tischler fragt das andere Männchen, wie viele Jahre es denn nun werden sollen als Uffz. „Machste acht, oder zwölf?“ fragt er den, der sich immer schon selber als den Kuhlsten der Runde betrachtete. Ich kenne die schon ein paar Jahre, ich fahre seit gut fünf Jahren diese Strecke, als sie noch Dreizehn waren und modisch genauso am Dorf orientiert, wie heute auch. Er war immer einer jener Männchen, die viel lauter vom Wochenende erzählen als nötig. So, dass auch der ganze Bus etwas von seinen Geschichten hatte. Das die keinen interessierten, interessierte ihn dabei kein bisschen. Alle sollten hören, was für ein unglaublich kuhler Typ er ist. Er machte jede Mode mit. Erst waren es Baggy-Jeans, dann der Softie-Iro mit Stränchen, später dann Jeans-in-die-Socken, Picaldi und Minikappe. Heute eben Berlin-Mitte Struwelschnitt und Pali-Tuch, wobei immer noch zu sehen ist, dass er eher vom Lande kommt.

Er also, der geile Typ, die alte Feiersau und seines Zeichens Schwerenöter hat sich beim Bund verpflichtet. „Für acht Jahre“, wie er sagt. „Es gibt einfach nichts anderes“, sagt er noch, was wie eine Rechtfertigung klingt, die er zu recht anbringt nur eben fälschlich begründet. Er sagt nicht, dass das der einfachste Weg für ihn sei, was ehrlicher gewesen wäre. Das alles andere schwieriger gewesen wäre, sparsamer, unsicherer sagt er ebenso wenig. Auch nicht, dass er nicht den Arsch in der Hose hat, sich durch die Jahre des Studiums zu beisen. Das könne „man da auch. Und zwar viel einfacher. Dazu noch werde das bezahlt. Die stecken einem alles in den Arsch und man bekommt noch Geld dafür.“, freut er sich. Ich sage ihm nicht, dass er bisher wohl eher versucht war, den Eindruck zu erwecken, als gehöre er nicht zu jenen, die sich gerne irgendetwas in den Arsch stecken lassen. Er versucht das so ziemlich Unkuhlste der Welt als kuhl zu verkaufen. „Nach ein paar Monaten könne er wieder in die Nähe.“, sagt er zwinkernd zu einem der Mädchen, die ihn eigentlich immer ein wenig anhimmelte. Bis heute. Sie will nach Berlin, vielleicht gar keine Ahnung und erstmal gucken. Kalkuliertes Nichtstun. Was soll sie auch mit einem Bundi? Er wird das nicht verstehen.

Draußen läuft R. vorbei, für den es wahrscheinlich weder zum Bund noch zur Ausbildungsstelle reichen wird. In diesem Moment erscheint selbst er mir kuhler, als der angehende Befehlsempfänger.

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Prinzipien

Ich bekam heute einen Anruf. Einen dienstlichen Anruf. Und das, obwohl ich im Urlaub bin. Das ist nicht weiter schlimm, ich bin da nicht so. Wenn sowas passiert, ist es meistens wichtig. Sehr wichtig. Es wurde eine Bitte an mich herangetragen, die zu erfüllen mir es so einiges an innerer Überwindungskunst kosten sollte.

Es gibt so Prinzipien die man sich im Leben selber auferlegt, um damit durchzukommen. Manche überwirft man, man wird ja älter, und ja, auch vernüftiger. An anderen hält man fest. Sehr fest. Weil sie zu einem gehören, weil sie einem zu dem machen, was man glaubt zu sein. Nicht in Diskotheken zu spielen zum Beispiel ist so ein Prinzip, was ich niemals nicht brechen werde. Sowas ist kulturlos, ohne jeglichen Reiz und generell etwas verdepptes. Sowas ziehmt sich einfach nicht. Auch wenn man weiß, dass es Leute gibt, die dieses Prinzip nicht haben. Das ist okay, das ist das Leben. Aber man selber muss ja da nicht zugehören. Das man als Gast in so einen Laden nicht gehen muss, erklärt sich von selber. Kultur impliziert auch immer Kunst, Subkultur und im besten Falle noch einen Tick Underground, aber das ist ein andere Kiste. Andere bisher nicht zu brechende Prinzipien sind eher pädagogischer Natur und gehören hier nicht hin.

Eines aber meiner festesten Prinzipien ever war immer die Baumblüte in Werder so lange nicht zu besuchen, bis ich unter irgendeinem Baum vergraben werde. Von mir aus auch namenlos. Das ist Dorfbums pur. Zugegeben ein großer Dorfbums, der selbst jede Menge Großstädter anzieht, die offenbar auf der Suche nach einem klassischem Dorfbumserlebnis sein müssen. Wohl eher die zugereiste Fraktion, aber immerhin. Das ist Faschotreffen, Komasaufen, Gepöbel bis zum Umfallen und Ostrock von längst Totgeglaubten, die dennoch Jahr für Jahr auf irgendeinem Friedhof wieder ausgegraben werden, um dann auf die Bühne gestellt zu werden. Nebenbei gibt es dort Wein, der diesen Namen nicht verdient hat, jede Menge Neonazis aus den Ostdeutschen Gefilden, die dort ihre Kameradschaftstreffen abhalten, aber das erwähnte ich ja schon. Außerdem jede Menge Teenager, die sich die Rübe mit allem zuknallen, was sie da in die Hände bekommen. Es ist ein wenig so, wie das Oktoberfest in Brandenburg. Nur eben im Frühjahr. Zur Baumblüte. Und was soll ich sagen? Ich werde da in diesem Jahr arbeiten. Rein dienstlich versteht sich. Ich werde alt. Älter, als mir lieb sein kann…

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Innerer Konflikt

Das kleine weißse Engelchen auf der linken Schulter zu dem kleinem roten Teufelchen auf der Rechten nebenan:

Die Weise: “Du kannst doch nicht schon wieder ein Video bringen”
Der Rote: “Wieso nicht?”
Die Weise: “Weil du seit Tagen in diesem Videogedöns festhängst und kaum was anderes schreibst.”
Der Rote: “Ja und, Weise: Ich habe Urlaub und da kann man doch mal, oder was?”
Die Weise: “Ja, Roter, aber doch nicht nur Videos.”
Der Rote: “Wieso nicht? Ich meine, das hier ist all das, was mich dazu bewegt mit dem Herrchen Musik zu machen. Du weißt schon: minimale Downbeats. Und hey, wir reden hier über Norman Feller, man. Den sucht das Herrchen schon so lange, wie es youtube gibt. Nun sagst Du, das ginge nicht? Was ist denn mit Dir los? NORMAN FELLER!”
Die Weise: “Ja, ich weiß. Da geht das Herrchen n büsschen drauf ab. Elektrolux und so.”
Der Rote: “Sag mal spünnst Du? “N Büsschen” sagst Du? Da dreht der voll durch! Das sucht der seit 3 Jahren! Auch wenn das Video eher sone Fan-Nummer ist. Der Sound in Bildern, man. Da dreht der durch. Norman Feller in Bildern. In echt schönen Bildern! Und dann noch mit dieser Nummer.”
Die Weise: “Ja, ich weiß ja… Aber muss das denn nun wieder hier vorne weg?”
Der Rote: “Ja, muss es. Weil er diese Nummer das soooooooooooo dermassen liebt, dass es gar nicht anders gehen könnte…”

Das Herrchen: “Jetzt hört auf zu streiten. Ich mach das jetzt nach dem Klick. Wer will, der kann, wer nicht will, lässt es eben bleiben, ist aber selber schuld, wenn er/sie es nicht tut. Ich meine, NORMAN FELLER in Bildern. Ich weiß, was denen entgeht die da nicht klicken. Und jetzt: RUHE, Ihr beiden Knallbirnen!”

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Manche Gesichter vergisst man sein Leben lang nicht. Nie. Ganz gleich auch, wie lange es her ist, das man sie das letzte Mal gesehen. Ernst hat so ein Gesicht. Er wohnte früher in der „Neuen Wohnstadt“, gegenüber der Kaufhalle, direkt neben dem kleinen Zeitungskiosk, bei dem ich als Kind immer meine Flieger-Revue kaufen ging und wo seit der Wende der Dönerladen drin ist. Ernst arbeitete in dem großen Reglerwerk, sowie Tausende andere in unserer Stadt auch. Er muss ziemlich mies verdient haben damals. In seiner Freizeit verdiente er sich deshalb noch ein paar Mark dazu, in dem er Fahrräder wieder „flott machte“, wie er das nannte. Ernst sammelte irgendwelche Rahmen ein und machte wieder funktionierende Gefährte daraus. Diese verkaufte er dann an alle möglichen Leute, die ein Fahrrad brauchten, aber billig dabei wegkommen wollten. Ich weiß nicht mehr, wie wir an den Typen geraten sind , ich weiß aber, dass wir irgendwann einen Deal mit ihm hatten: Wir sammelten auf den Schrottplätzen der Umgebung Fahrradteile jeglicher Art und wenn die noch brauchbar waren, bezahlte er uns ein paar Mark dafür. Irgendwo lag immer was rum, was noch verbaut werden konnte. Sattel, Lenker, Räder und all so ein Kram.

Er soff wie ein Loch, seine Familie hatte schwer darunter zu leiden, was ihm aber nichts wert war. Er hatte sich neben seinem Kohlenkeller eine kleine Werkstatt in die Sechziger Jahre-Mietskaserne gezimmert. Wahlweise konnte man darin auch prima feiern, was er regelmäßig mit seinen Freunden tat, wie er sagte. Obwohl ich mir nie sicher war, das er davon mehr als eine Handvoll hatte. Wenn Ernst mal nicht arbeiten war, verbrachte er seine komplette freie Zeit in diesem Keller. Dort stand ein Radio, sein Goldbrand und es roch immer nach Zigarettenrauch – er rauchte Kette. Wir fanden es spannend, unsere Samstagvormittage dort zu verbringen. Außerdem gab es meistens, wenn wir Teile mitbrachten, auch etwas Geld, dass wir sogleich in die Kaufhalle tragen konnten.

Ernst war nie sonderlich freundlich, so ein Brubbelkopp eher, der, zudem noch dazu neigte, ständig aufschneiderische Geschichten zu erzählen. Er könne Karate und all so einen Schmiss wollte er uns weismachen. Irgendwann rastete er im Keller aus. Keiner wusste so recht worum es ging, was auch egal war. Er flippte völlig aus, schrie uns an, drohte damit, uns zu verprügeln. Dabei drückte er einen von uns an die Wand und sah ihn mit so einem Irrenblick an. Er schrie und schrie und schrie. Wir bekamen es mit der Angst und flüchteten förmlich vor ihm. Danach gingen wir nie wieder hin. Über dreiundzwanzig Jahre muss das her sein. Dann zog er um und ich habe ihn seit dem nie mehr wirklich wahrgenommen und bin mir sicher, ihn zwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen zu haben.

Vorhin stand er mir gegenüber. Am Bahnhof. Viel kleiner wirkt er heute und sieht um Längen schlechter aus, als damals schon. Hager ist er, fast dürre. Eine dieser Billigzigarillos, für 2,30€ die Schachtel, steckte schlaff in seinem Mund. Das Gesicht ist faltig, die quallig teigige Haut ist untersetzt mit vielen roten Äderchen, die nach und nach alle aufzuplatzen drohen. Die Nase ist knallrot. Keine Frage: er ist immer noch ein Säufer, nur wahrscheinlich ist er das noch konsequenter als er es damals ohnehin schon war.

Ich habe ihn sofort erkannt. Er mich nicht.

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