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Das Kraftfuttermischwerk Beiträge

Das Kraftfuttermischwerk Live @ 24c3 2007


Foto: Servando

Murdelta war so gut und hat aus dem ganzen Wust an Audiomitschnitten des letzten ChaosCommunicationCongress die Audiofiles herrausgefiltert, in denen wir für die Musik zuständig waren. Der erste Part davon war ein superslower Dubtechno-Mix, der fast ausschließlich aus einer LP bestand, der zweite Teil davon war ein Live-Set. Zugegeben nicht das beste, da Inge krank und ich alleine war. Aber immerhin das erste Live-Set von uns überhaupt im Netz.

Hier gibt es den Deejay-Mix, den ich nicht direkt linken mag.
Und hier den Download zum Live-Set:
Das Kraftfuttermischwerk live@24c3 2007

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Fotografien der untergehenden DDR

Im Netz ansehnliche Fotos aus DDR-Tagen zu finden, ist alles andere als einfach. Meistens werden die nur vereinzelt veröffentlicht, oder zeigen irgendwelche langweiligen Badeurlaube an der Ostsee. Anders bei Dietmar Riemann. Der hat allerhand ausdrucksstarke Fotos der letzten DDR-Jahre gemacht und diese als umfangreiche Galerie ins Netz gestellt. Zwangsläufig erinnern mich die Bilder auf wundersam schöne Weise an meine Kindheitstage und das überall allgegenwärtige Grau. Kurios, dass das selbst bei den Farbfotos so ist. Eine Kulisse mit kruder und längst vergessener Ästhetik. Die vielleicht schönsten Bilder des DDR-Alltags, die das Internetz herzugeben hat.

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Juli 2001, Genua

So manche Dinge vergisst man viel zu schnell. Vielleicht auch deshalb, weil man sie vergessen soll. Die Tage von Genua sind so ein Ereignis. Erinnern kann man sich noch immer an die Bilder, die Straßenschlachten zeigen. Auch einen Toten. Und immer wieder Gewalt. An was man sich aber nicht mehr ganz so genau erinnern kann, sind jene Umstände, die sich für diejenigen ergaben, die dort verhaftet und ins Gefängnis in Bolzaneto gesteckt worden sind. Jetzt, wo der Prozess noch nicht beendet ist aber doch sehr viele Geschehnisse ans Licht bringt, kommt die Frage auf, ob Italien tatsächlich ein Land in Europa ist.

…Am schlimmsten ist es in der einzigen Toilette. Sie hat einen Stehabort und wird zum Ort von Folter und Terror. Die Tür steht offen und die Häftlinge müssen sich vor ihrem Begleiter erleichtern. Einige der Frauen brauchen Binden. Als Antwort bekommen sie zerknülltes Zeitungspapier zugeworfen. M., eine Frau fortgeschrittenen Alters, zieht sich ein T-Shirt aus und „behilft sich so“. E. P. bekommt im Flur während des kurzen Gangs von der Zelle zur Toilette Hiebe, nachdem man sie gefragt hat, ob sie schwanger sei. Auf der Toilette wird sie beleidigt („Sau“, „Nutte“) sie drücken ihr den Kopf in die Toilette und sagen: „Was für einen schönen Arsch du hast“ und „Gefällt dir der Schlagstock?“ Wer im Saal ist, sieht die, die von der Toilette kommen. Alle weinen, einige haben Verletzungen, die sie zuvor nicht hatten. Folglich wollen viele nicht mehr fragen, ob sie zur Toilette dürfen. Sie machen sich in die Kleider, dort, in den Zellen, in der Sporthalle. Daraufhin werden sie im Krankenzimmer geschlagen, weil sie „stinken“, die Ärzte protestieren nicht.

(Giuseppe D’Avanzo, “Das Grauen von Genua”, Tagespiegel)

Mir ist übel.

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Prinzipien

Ich bekam heute einen Anruf. Einen dienstlichen Anruf. Und das, obwohl ich im Urlaub bin. Das ist nicht weiter schlimm, ich bin da nicht so. Wenn sowas passiert, ist es meistens wichtig. Sehr wichtig. Es wurde eine Bitte an mich herangetragen, die zu erfüllen mir es so einiges an innerer Überwindungskunst kosten sollte.

Es gibt so Prinzipien die man sich im Leben selber auferlegt, um damit durchzukommen. Manche überwirft man, man wird ja älter, und ja, auch vernüftiger. An anderen hält man fest. Sehr fest. Weil sie zu einem gehören, weil sie einem zu dem machen, was man glaubt zu sein. Nicht in Diskotheken zu spielen zum Beispiel ist so ein Prinzip, was ich niemals nicht brechen werde. Sowas ist kulturlos, ohne jeglichen Reiz und generell etwas verdepptes. Sowas ziehmt sich einfach nicht. Auch wenn man weiß, dass es Leute gibt, die dieses Prinzip nicht haben. Das ist okay, das ist das Leben. Aber man selber muss ja da nicht zugehören. Das man als Gast in so einen Laden nicht gehen muss, erklärt sich von selber. Kultur impliziert auch immer Kunst, Subkultur und im besten Falle noch einen Tick Underground, aber das ist ein andere Kiste. Andere bisher nicht zu brechende Prinzipien sind eher pädagogischer Natur und gehören hier nicht hin.

Eines aber meiner festesten Prinzipien ever war immer die Baumblüte in Werder so lange nicht zu besuchen, bis ich unter irgendeinem Baum vergraben werde. Von mir aus auch namenlos. Das ist Dorfbums pur. Zugegeben ein großer Dorfbums, der selbst jede Menge Großstädter anzieht, die offenbar auf der Suche nach einem klassischem Dorfbumserlebnis sein müssen. Wohl eher die zugereiste Fraktion, aber immerhin. Das ist Faschotreffen, Komasaufen, Gepöbel bis zum Umfallen und Ostrock von längst Totgeglaubten, die dennoch Jahr für Jahr auf irgendeinem Friedhof wieder ausgegraben werden, um dann auf die Bühne gestellt zu werden. Nebenbei gibt es dort Wein, der diesen Namen nicht verdient hat, jede Menge Neonazis aus den Ostdeutschen Gefilden, die dort ihre Kameradschaftstreffen abhalten, aber das erwähnte ich ja schon. Außerdem jede Menge Teenager, die sich die Rübe mit allem zuknallen, was sie da in die Hände bekommen. Es ist ein wenig so, wie das Oktoberfest in Brandenburg. Nur eben im Frühjahr. Zur Baumblüte. Und was soll ich sagen? Ich werde da in diesem Jahr arbeiten. Rein dienstlich versteht sich. Ich werde alt. Älter, als mir lieb sein kann…

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Diese Blicke

Wenn man mit vier Kindern in der Öffentlichkeit unterwegs ist, erntet man allerhand vielsagende Blicke. Es spielt dabei gar keine Rolle, ob es deine eigenen sind oder nicht, was auch nicht immer ginge, wenn z.B. drei davon im selben Alter sind, aber das nur nebenbei. Manche merken es halt einfach nicht. Die Menschen schauen einen an und vergessen offenbar den Grundsatz, dass “Nichts ist, wie es scheint”. Sie ordnen dir die Kinder zu. Alle vier. Oder fünf, oder sechs. Je nachdem. Manche schauen mitleidig, andere erfreut, was am Gedanken an ihre Rente liegen muss. Das sind meistens Frauen der älteren Semester. Einige schauen regelrecht angewidert, mit der Frage in den Augen: “Pfui, wie kann man nur heutzutage?”.
Es ist alles dabei, aber fast immer glaubt man in diesen Blicken lesen zu können: “O mein Gott.”

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Auf der Suche nach

Im Supermarkt, der kein ordinärer Discounter ist, schlürfen zwei Osteuropäer durch die Gänge. Einer von ihnen hält einen kleinen Zettel in der Hand, als sei es eine Trophäe. Es ist der Pfandbon, der offenbar den Lohn ihrer heutigen Mühe sammelt und ein Stück vom so bunten Kosumleben für heute sichern soll. Sie stehen eine halbe Ewigkeit vor jedem Artikel, der nur irgendwie essbar erscheint und eine bestimmte Summe, wahrscheinlich die, die der Pfandbon hergibt, nicht überschreitet. So debattieren sie über Senf, vergleichen den Preis vom Bautz’ner mit dem vom Dijon, sehen sich mit wollenden Augen die Auslage des Kühlfachs an, in dem das Eis in Einzelportionen liegt und bleiben endgültig vor dem Regal stehen, dass die Süßigkeiten beherbergt. Ununterbrochen reden sie miteinander in einer Sprache, die ich nicht kenne und immer wieder weisen sie sich gegenseitig auf den Betrag hin, der auf dem Bon steht. Nicht im Streit, eher sehr demokratisch geht es zu bei den Beiden. Sie müssen von soweit östlich kommen, dass man ihre Herkunft irgendwie schon erst einmal mit Armut verbindet. Sie werden auch nichts klauen, sie werden so lange suchen, bis sie etwas gefunden haben, was vielleicht noch ein paar Cent für morgen übrig bleiben lässt und sie sich dennoch für den heutigen Tag belohnen können.

Sie bleiben länger in dem Laden als ich und vielleicht sind sie auch immer noch da, sind auf der Suche nach etwas, wovon sie selber nicht wissen, was das sein könnte. Als ich gehe, muss ich an jenen Tag denken, an dem ich im Herbst 89 mit meinem 2DM-Stück stundenlang durch Karstadt am Hermannplatz gelaufen bin, auf der Suche nach etwas, was mich in dem Moment glücklich machen könnte. Ich kaufte damals einen Sechser-Pack Cherry Coke und einen Füllfederhalter. Ich hoffe, auch sie konnten sich heute eine ähnliche Freude machen, wie ich damals.

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