Gastbeitrag.
Oli ist ein guter Kumpel, Feiergeselle und immer Quell der Freude, wenn wir uns mal sehen. Jetzt ist er für ein Jahr in einer chinesischen Schule und macht dort was mit Kung Fu, Meditation und lernt Chinesisch. Ich habe keine Ahnung, was genau da passiert und bat ihn auch deshalb bei mir im Blog über seine dort gemachten Erfahrungen zu Schreiben. Hier finden sich alle seiner Texte.
Im Gegensatz zu vielen Orten in Europa derzeit, ist man in China als Ausländer sehr gern gesehen. Vor ein paar Wochen erst wurde eine kleine Gruppe von uns dazu eingeladen einem Vortrag beizuwohnen. Nur viel mehr wusste erstmal niemand. Also sind wir in Begleitung unseres Shifus und ohne große Erwartungen zu haben, nach Jiaouzuo gefahren.
Hoch oben in einem Bürogebäude warteten bereits viele Chinesen in einem Tagungsraum auf uns. Als wir den Raum betreten haben und uns setzen wollten, wurden wir mit großem Applaus empfangen. Es wurden sogar extra Stühle freigehalten und wir bekamen jeder eine Flasche Wasser gereicht. Dann hat uns irgendein Firmenchef von der App WeChat einen dreistündigen Vortrag gehalten, auf chinesisch.
Ich weiß nicht worum es genau ging aber der Vortragende sorgte dafür, dass keine Langeweile aufkam. Zumindest bei den Zuhörern die ihn verstehen konnten. Das Publikum wurde ständig dazu animiert im Chor irgendwas zu rufen, es wurde viel geklatscht und dann spielten wir eine art Spiel. Es hat sich dazu jeder von seinem Stuhl erhoben und dem linken Nachbarn die Schultern massiert. Der aus unserer Gruppe, welcher den Shifu hinter sich stehen hatte, hat das Spiel leider nicht so genießen können. Danach haben wir uns allerdings umgedreht und den rechten Nachbarn massiert. Anschließend gab es noch eine kleine Tanzeinlage. Es sind sechs Frauen auf die Bühne gelaufen und haben zu schrecklicher Musik eine art Choreographie vorgeführt. Sie haben dabei lediglich ihre Arme benutzt und sich nicht ein Stück vom Fleck bewegt. Das sei wohl ein traditioneller Tanz, ist aber schon ungewöhnlich, so als aussenstehender.
Letztlich waren wir wohl nur zur Dekoration da. Am Ende kam es dann trotzdem noch kurz zu unseren „Auftritt“. Dazu sind die wichtigen Personen von der Firma und wir, zusammen auf die Bühne gegangen um für Fotos zu posieren. Also einfach still stehen und lächeln. Und anschließend hat man uns für unsere „mühen“ noch zum Essen eingeladen.
Dafür mussten wir ein Stück aus der Stadt raus ins Grüne fahren. Uns erwartete so etwas wie ein Ferienresort in dem sich Bungalow an Bungalow reihte und dazwischen standen Obstbäume mit Pfirsichen, Äpfeln und Sträucher voll mit Weintrauben. Dort war für die gesamte Gesellschaft des Vortrages ein Bankett mit großer Bühne, Licht- und Tontechnik etc. aufgebaut. Als sich dann alle versammelt haben, ging das Programm los. Es wurde gesungen, getanzt, und es gab sogar einen Comedyauftritt.
Schon spät am Abend wurde dann das Buffet eröffnet. Dass man vor dem Buffet eine Schlange bildet ist wohl eher so´n westliches Ding. Es sind einfach alle in einem heillosem Durcheinander drauf los gestürmt. Das Essen war kalt und eben Chinesisch. Soll heißen, es war nicht so wie man es als Europäer erwarten würde. Zum Beispiel gab es Kuchen der halt nur so aussah wie Kuchen. Es war mehr krümeliger Pudding mit dem Geschmack von abgestandenem Wasser. Und dann sind die alle an den Pommes vorbei gelaufen. Da kann man nichts falsch machen, dachte ich mir und füllte mir großzügig den Teller. Nur waren die mit Zucker gewürzt, anstatt mit Salz. Habe ich zu spät herausgefunden.
Als Special wurden Fleischspieße gebracht. Die hat man am Rand des Buffets auf den Grill gelegt um sie nochmal warm werden zu lassen. Da bin ich dran vorbei gelaufen und dachte mir so, dass ich noch ein paar Minuten warte um dann wenigstens etwas warmes im Bauch zu haben.
Zu spät. Sobald sich rumgesprochen hat, dass dort Fleisch liegt, war es auch schon zerrupft und aufgegessen. Das hat keine fünf Minuten gedauert, ohne Rücksicht auf Verluste. Ist jetzt aber nicht ganz so schlimm gewesen. Wir wurden ja darüber hinaus den ganzen Tag lang bewirtet etc. Unser Shifu hat uns sogar erlaubt, dass wir uns zu zweit eine kleine Dose Bier teilen. Also, eigentlich gelbes Wasser mit etwas Schaum drauf. War nicht so der Hit.
Am nächsten Tag hatten wir alle Magenschmerzen, weil wir das wenige Essen nicht vertragen haben. Von daher war´s vielleicht auch gut, dass wir von dem Fleisch nichts abbekommen haben.
Eine andere Einladung haben wir von der Gesellschaft bekommen, welche die Yuntai Shan Berge verwaltet. Da wurde unsere gesamte Kung Fu Gruppe eingeladen einen neuen Teil des Glasswalk´s zu besuchen. Der Galsswalk ist ein am Rand einer Klippe hängender Pfad aus Glasscheiben. Ist ne menge Spaß darüber zu laufen. Für manchen, nicht für alle. Auf jeden Fall habe ich bereits vorher schon darüber geschrieben, dass wir mal auf dem Glasswalk waren. Allerdings der alte Pfad. Diesmal war das Wetter viel besser und wir waren die ersten, die den neuen Pfad betreten durften.
Natürlich nur um dort Fotos von uns machen zu lassen. Wir sollten uns in der Schuluniform breit aufstellen und haben dann verschiedene Posen aus dem Kung Fu und Thai Chi halten müssen, bis der Fotograf mit seiner Drohne alle einmal abgelichtet hat. Diese Posen mussten wir bei 34 Grad in der Sonne mehrere Minuten lang aushalten. War nicht ganz so viel Spaß, es sind aber sicher super Fotos geworden. Nur werden wir die bestimmt nicht zu sehen bekommen. Sind ja nicht für uns gemacht worden, sondern für Werbezwecke.
Danach hat man uns zum Mittagessen eingeladen. Scheint so üblich zu sein. In einem hübschen, kleinem Restaurant unterhalb der Berge war ein Buffet für uns vorbereitet. Ich hatte schon üble Vorahnungen aber diesmal war es echt super lecker und sogar noch warm. Eine willkommene Abwechslung zum Kantinenessen.
Letztes Wochenende kam dann die Anfrage bei einem Filmdreh mitzuwirken. Es durfte nur eine kleine Gruppe von uns mitkommen und ich war zum Glück dabei. Wir sind am frühen Abend ca. zwei Stunden nach Anyang gefahren, in ein 5-Sterne Spa-Resort-Hotel. Wenn man sich die Standards an unserer Schule vor Augen führt, bedeutet das 5-Sterne Hotel einen Jackpot. Und genau das war es auch.
Dort angekommen, wurden wir zum Buffet geführt und durften uns ordentlich bedienen. Das Essen in der Schule ist zwar nicht schlecht, aber leider ohne groß Nährstoffe und Abwechslung. Von dem Buffet träume ich heute noch manchmal.
Nach dem Essen haben wir zu zweit je ein Zimmer bezogen und sind dann nur mit Bademantel bekleidet zu den Pools gegangen. Dort hatten wir eine Stunde Zeit um in heißen Becken zu relaxen oder ein paar Bahnen schwimmen zu gehen. Könnte man sich dran gewöhnen.
Kurz nach 23 Uhr am Abend (in der Schule liegen wir zu der Zeit schon tot im Bett), wurden wir zu einem Teil der Filmcrew gerufen um die Anzüge anzuprobieren, die wir am Folgetag tragen sollten. Als jeder seinen Anzug hatte, haben wir den Abend noch mit einem Bier an der Bar ausklingen lassen. Ein hervorragender Abend.
Nach einer super Nacht im Hotelbett, wurden wir erst um 8 Uhr morgens unten zum Frühstück erwartet. Durch die Gewohnheit kurz nach 5 Uhr aufzustehen, sind wir jedoch schon um 7 Uhr zum Frühstück gegangen. Da gab es so gut wie alles. Richtiges Brot, war ein tolles Highlight. Darüber hinaus gab es Speck und Ei, Salate, Kaffee, Cornflakes, Joghurt etc. Man konnte sich sogar ein frisches Omelett zubereiten lassen. Das Frühstück war so gut nach zwei Monaten Kantinenessen, dass wir um 8e einfach nochmal zum Frühstück gegangen sind.
Nun aber zur Arbeit. Gegen 9 Uhr hat uns ein großes Taxi abgeholt und zu einem anderen Hotel gefahren. Dort in der Lobby haben wir unsere frisch gewaschenen Anzüge bekommen und wurden von einem Stylisten zurecht gemacht. Mancher mehr, anderer weniger. Nach knapp zwei Stunden warten traf die komplette Filmcrew ein. Das waren ca 30 Leute mit allem drum und dran. Die brachten sehr professionelles Equipment mit und zwei chinesische Schauspieler.
Wir Ausländer wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe, darunter war ich, hatte eine „Szene“ an der Hotelbar. Dort haben wir Martini getrunken und in eine Zeitung geschaut. Die zwei Schauspieler saßen neben uns. Wir sollten zu 3. lediglich in die Zeitung gucken, dort einen der Schauspieler entdecken um dann zu bemerken, dass er ja neben uns an der Bar sitzt.
Alles ganz easy im Hintergrund. Der Martini war echt, und als wir beim 3. Versuch fertig waren, hab ich den auch ausgetrunken. Mann muss nehmen was man kriegen kann. Und bis ich zurück in der Heimat bin, wird das sicher der letzte Martini gewesen sein den ich getrunken habe. Aber auch der leckerste. Nach dem Mittagessen, was wieder sehr gut war, sind wir ins nächste Hotel gefahren, um dort die für uns letzte Szene zu drehen.
Mittlerweile haben wir auch herausgefunden worum es im Film ungefähr geht. Es handelt sich wohl um einen Spielfilm über einen korrupten Politiker. Hätte nicht gedacht, dass man in China einen Film über dieses Thema drehen darf. Wann der wo ausgestrahlt wird oder ob wir je davon etwas zu sehen bekommen, bleibt ungewiss.
In diesem Hotel hat die zweite Gruppe von uns ihre Szene gedreht und dann durften wir auch schon wieder fahren. In deren Szene mussten sie einen Vertrag von dem „korrupten Politiker“ entgegennehmen, bis er dann ganz kurzfristig das Meeting verlassen musste. War auch nach zwei-drei Takes im Kasten.
Alles in allem haben wir vielleicht 30 Sekunden Screentime gehabt und durften dafür einen super Abend im Luxushotel verbringen und dreimal richtig gut Essen. Hat sich vollkommen gelohnt. Der ganze Drehtag ging von ca. 9-14 Uhr und die meiste Zeit davon haben wir schlicht gewartet. Und Martini getrunken.
So läuft das also in China, wenn man Ausländer ist. Die Leute glauben man bringt ihnen Glück und man wird eingeladen an Feiern oder Eröffnungen teil zu nehmen, um auf möglichst vielen Fotos zu sein. Manchmal ist sogar ein Filmdreh dabei. Dafür gibt’s halt immer mindestens etwas zu Essen. Und eine Abwechslung von der Schulkantine ist jedem willkommen.
Wir waren auch schon bei Eröffnungen von kleinen Shops dabei um für Fotos herzuhalten und der gleichen mehr. Nur will ich nicht über jedes einzelne Ereignis schreiben. Nicht immer ist es so aufregend, oft wartet man einfach nur den ganzen Tag auf einem Hocker und trinkt heißes Wasser. Am Ende gibt’s halt immer was zu Essen. Von daher lohnt es sich schon. Und darüber hinaus kann man solche Ausflüge auch nutzen um sich einen Tag lang vom Training zu erholen.