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Ich bin dann mal da

Potsdam nimmt nicht nur den schon einmal Enteigneten die Grundstücke weg, nein, die machen auch noch andere Sachen, die irgendwie an längst vergangen geglaubte Zeiten erinnern. Potsdam schickt zu jedem Neugeborenen Stadtbewohner das Jugendamt vorbei. Da kommt dann eine furchtbar nette, viel zu alte Sachbearbeiterin vom Jugendamt vorbei – nach Terminvereinbarung wohlgemerkt – und beguckt sich die Lebensumstände des neuen Erdenbürgers. Angebotenen Kaffee oder Tee lehnt sie ab, vielleicht um sich unbestechlich fühlen oder so. Sie sagt da nichts weiter zu. Wenn sie denn da ist, erklärt sie den frischen Eltern, dass Kinder immer gerne in das Geschehen integriert werden wollen und nur ungern isoliert in ihrem Zimmer liegen. Aha, das ist mir jetzt nicht ganz neu. Irgendwann mal in den Sechzigern hatte sie vielleicht im Kombinatskindergarten Erzieherin gelernt, was sie immer noch zu einer fachlichen Größe macht, denkt sie. Über die Jahre hat ihr Kopf begonnen, immer ein wenig zu wackeln, wenn sie spricht. So wie es bei vielen Lehrern der Fall ist, die zu lange schon diesen Job machen. Sie bemüht sich wohl, Ratschläge zu erteilen, auch jene, auf die man gerne verzichten kann. Sie bemüht sich auch, nicht als Kontrollinstanz aufzutreten, das was sie macht nennt sich „Begrüßungsdienst der Stadt“. Sie bringt eine „superklassetolle“ Info-Mappe der Stadt mit, wie sie findet, wie sie immer wieder sagt. Fragen nimmt sie entgegen, Anliegen auch und irgendwie weiß sie offenbar auch nicht so ganz, was das Ganze überhaupt soll. Heute. Hier. Aber sie macht nur ihre Arbeit, wie sie sagt. Sie glaubt, sie macht sie gut. Auf die konkrete Frage, wie es denn im Herbst mit Kita-Plätzen in der Gegend aussehe, meint sie: „Das ist jetzt gar nicht mein Ressort, aber die Kita-Tante, die im Bürocontainer sitzt, die wisse das.“ Und das es im Schlaatz, im Stren und in Waldstadt freie Plätze gäbe, das wisse sie auch. Das überrascht mich nicht, denn wer bitte soll dort auch sein Kind abgeben. Ich nicht, soviel ist mal klar.

Als sie geht, weiß ich nicht so recht, wo ich diesen Begrüßungsdienst nun hinstecken soll. So mental meine ich. Ich weiß, dass ich kein Freund davon bin, wenn das Jugendamt mal so fix jemanden vorbei schickt, weil ein Kind geboren wurde. Ich weiß, das andere das anders sehen, aber das tut hier nichts zur Sache. Nicht das ich was zu verbergen hätte, im Gegenteil. Und genau deshalb kann sie auch gerne in ihrer Amtsstube bleiben, wenn es nach mir geht. Mir schnuppert das zu sehr nach DDR, sagt doch selbst meine Mom; „Och, ist ja wie früher.“

Eines jedenfalls hat sie sich über die Jahre abgewöhnt: Sie zieht sich ihre Schuhe nicht aus. Und genau das nehme ich ganz persönlich. Und gehen wollte sie auch wieder nicht, wegen „der äußerst entspannten Atmosphäre“, wie sie sagte. Na aber hallo!

8 Kommentare

  1. trulli5. Februar 2008 at 19:11

    *räusper* …und mit winzigen Blicken versucht sie das Umfeld, in dem das Neugebohrene aufwachsen soll, zu… *ah verflixt, jetzt fällt mir dieses blöde Wort nicht ein*…um sich dann eventuell ein Urteil zu erlauben.

    zum Schuhe ausziehen….. DIN A3 Schild an die Tür!!! vielleicht hilfts…oder auch nicht…

  2. mogreens5. Februar 2008 at 22:09

    hatte die ein durchsuchungsbefehl?
    generalverdacht nenn ich sowas und das mit den hasuschuhen hat sie bestimmt in einem lehrgang zum autoritärem auftreten beim klienten gelernt.

  3. trulli6. Februar 2008 at 10:11

    …na toll…kann mir mal jemand sagen, daß ich *Neugeborene* falsch geschrieben hab… wie doof ist Das denn…. naja war schon spät und ich hab Kopfschmerzen…

  4. Julie Paradise6. Februar 2008 at 11:04

    Sowas gibt’s in Berlin aber nicht, oder?

    Ich mag sowas auch nicht, und auch wir haben nichts zu verbergen. Aber so Amtsbesuch, ohne daß man wirklich „Nein.” sagen kann, riecht schon komisch.

  5. Saint6. Februar 2008 at 13:34

    Ähm, Trulli, Du hast Neugeborene falsch geschrieben. :P

    Nein, Julie, soweit ich weiß, ist das eine Potsdamer Erfindung. Kann aber gut sein, dass wenn man woanders der Meinung ist, damit etwas gegen Verwahrlosung tun zu können, dass dann dort nachgezogen wird.

  6. trulli7. Februar 2008 at 08:21

    @julie. Ich kann es bestätigen! In Berlin gibt es solche lustigen Damen auch…
    Das einzige was an denen etwas brauchbar erschien, waren die Mitbringsel und ProbeFläschen die sie in ihrem kleinen Köfferchen hatten.

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