Sie sitzen hinten im hinteren Teil des Busses, dort wo vier Leute sitzen können wobei man sich gegenübersitzt. Diese Viererplätze sind beliebt, weil man die Füsse auf die Sitzplätze gegenüber legen kann. Vorausgesetzt, der Bus hat keine Kameras. Die Fahrer nämlich tickern ausnahmslos alle aus, wenn sie hochgelegte Füsse auf ihre Monitore bekommen. Manchmal denke ich, sie seien nur dazu da, um Leute vollzuferzen, die ihre Füsse hochlegen, aber in den Zeiten, in denen in jedem Bus mindestens 37 Kameras das Geschehen zum Fahrer funken, werden auch die sich dann mal wieder aufs Fahren konzentrieren können.
Es sind zwei Männchen und zwei Weibchen, alle um die achtzehn Jahre jung. Es geht um ihre Perspektiven und darum, wie es denn nach der Schule weitergehen soll. Die Mädels wissen nicht so recht. Vielleicht FH, vielleicht Berlin, vielleicht gar keine Ahnung und erstmal gucken. Klingt nach kalkuliertem Nichtstun. Sehr sympathisch. Eines der Männchen hat sich für Tischler entschieden. Ja, geht. Tischler geht immer. Da kann man auch noch was draus machen, wenn man die Ausbildung fertig hat, denke ich mir. Warum er dafür nun dreizehn Jahre lang zur Schule gegangen ist, wird mir weder klar, noch wird es Thema der Runde. Das muss wohl heute so. Der angehende Tischler fragt das andere Männchen, wie viele Jahre es denn nun werden sollen als Uffz. „Machste acht, oder zwölf?“ fragt er den, der sich immer schon selber als den Kuhlsten der Runde betrachtete. Ich kenne die schon ein paar Jahre, ich fahre seit gut fünf Jahren diese Strecke, als sie noch Dreizehn waren und modisch genauso am Dorf orientiert, wie heute auch. Er war immer einer jener Männchen, die viel lauter vom Wochenende erzählen als nötig. So, dass auch der ganze Bus etwas von seinen Geschichten hatte. Das die keinen interessierten, interessierte ihn dabei kein bisschen. Alle sollten hören, was für ein unglaublich kuhler Typ er ist. Er machte jede Mode mit. Erst waren es Baggy-Jeans, dann der Softie-Iro mit Stränchen, später dann Jeans-in-die-Socken, Picaldi und Minikappe. Heute eben Berlin-Mitte Struwelschnitt und Pali-Tuch, wobei immer noch zu sehen ist, dass er eher vom Lande kommt.
Er also, der geile Typ, die alte Feiersau und seines Zeichens Schwerenöter hat sich beim Bund verpflichtet. „Für acht Jahre“, wie er sagt. „Es gibt einfach nichts anderes“, sagt er noch, was wie eine Rechtfertigung klingt, die er zu recht anbringt nur eben fälschlich begründet. Er sagt nicht, dass das der einfachste Weg für ihn sei, was ehrlicher gewesen wäre. Das alles andere schwieriger gewesen wäre, sparsamer, unsicherer sagt er ebenso wenig. Auch nicht, dass er nicht den Arsch in der Hose hat, sich durch die Jahre des Studiums zu beisen. Das könne „man da auch. Und zwar viel einfacher. Dazu noch werde das bezahlt. Die stecken einem alles in den Arsch und man bekommt noch Geld dafür.“, freut er sich. Ich sage ihm nicht, dass er bisher wohl eher versucht war, den Eindruck zu erwecken, als gehöre er nicht zu jenen, die sich gerne irgendetwas in den Arsch stecken lassen. Er versucht das so ziemlich Unkuhlste der Welt als kuhl zu verkaufen. „Nach ein paar Monaten könne er wieder in die Nähe.“, sagt er zwinkernd zu einem der Mädchen, die ihn eigentlich immer ein wenig anhimmelte. Bis heute. Sie will nach Berlin, vielleicht gar keine Ahnung und erstmal gucken. Kalkuliertes Nichtstun. Was soll sie auch mit einem Bundi? Er wird das nicht verstehen.
Draußen läuft R. vorbei, für den es wahrscheinlich weder zum Bund noch zur Ausbildungsstelle reichen wird. In diesem Moment erscheint selbst er mir kuhler, als der angehende Befehlsempfänger.
Wie immer ne tolle Geschichte. Ich hab mit dieser Art von Geschichten, immer das Gefühl dabei gewesen zu sein. Danke dafür.
Aber die Füsse gehören verdammt nochmal nicht auf die Sitzpolster!
Nein. Der selben Meinung sind die Busfahrer ja auch. So wie ich. Manchmal. ;)