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Rügen Rose

Ich erinnere mich nicht mehr, wie wir hin kamen. Da wir vor Ort mit einem alten Polo herumfuhren und am Ende in Stuttgart aus einem Intercity ausstiegen, nehme ich an, dass wir am Anfang bis Rostock mit der Bahn fuhren und uns dort ein Auto mieteten.

Ich erinnere mich an holprige Pisten. Ich erinnere mich an die riesige Ex-LPG mit dem winzigen Laden, in dem es Milch zu kaufen gab. An die Stoppelfelder, auf denen meine kleine Schwester Autofahren lernte, während ich mich zu doof dazu anstellte. Ich erinnere mich an das Ferienhaus, das uns Bekannte aus Stralsund vermietet hatten. Alles darin war in gelb und braun, es gab einen Riesenfernseher, der aber kaum Empfang hatte. Und ein Boot, mit dem wir auf den Bodden fuhren und im Schilf nackte Pärchen umschlungen entdeckten. Ich erinnere mich an den Italiener in Stralsund, der Ägypter war, aber immerhin gab’s Pasta statt Soljanka. Ich erinnere mich an das uralte, fast zerfallene, riesige Kino im Sassnitz, in dem wir einen Kinderfilm sahen. Am Strand waren wir auch. Muss nördlich von Binz gewesen sein. Und außer uns waren fast alle nackt. Auch die Mädchen.

Ich war 14 und war mit meinem Vater und meinen Geschwistern im Urlaub auf Rügen im Sommer 1992.

Und ich erinnere mich, dass an den allerschrägsten Orten, im schieren Nirgendwo abseits der Touristenströme aber auch mitten drin an Hauswänden, Gartenmauern, Plakatwänden, Stromverteilerkästen und überall, wo ein wenig Fläche war, eine Rose hingesprüht war. Eine einzelne, langstielige Rose mit etwas Blattwerk. Manchmal stand „DM“ dabei.

Während ich damals Beatles und die Prinzen hörte und R.E.M für eine Indieband hielt, wusste meine Cousine von der Schwäbischen Alb Bescheid. Sie hörte wie alle Provinzkids gefährlichen Gothicrock. Immer versucht, mich mit diesem Virus zu infizieren, gab sie mir hin und wieder einen Einblick in die neuesten Trends dieser Untergrundszene. Dadurch war mir klar, welch morbid-schaurigschöne Musik für Selbstmordkandidaten mit dem Rosenemblem gemeint war und fühlte mich eingeweiht und beängstigt zugleich. Was für krasse Musik die Kids im Osten hörten, während das lokale Radio an der Oststee von Roxette „Fading like a Flower“ rauf und runter nudelte.

2 Kommentare

  1. Ronny16. Juli 2010 at 18:47

    Vielen vielen Dank!

    Ich empfinde es immer noch als nicht kompensirbarem Verlust, dich nicht mehr bloggen zu lesen. Wirklich.

    Wenn ich am 24sten nicht auf einem Festival gebucht wäre, würde ich furchtbar gerne kommen. ;(

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