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Das letzte Mal war ich 1993 zum HerrenVatertag, den wir damals „Männertag“ nannten, nur um irgendwie zu rechtfertigen, dass wir 17-jährigen Spunte uns auch besaufen durften, obwohl wir nicht mal annähernd Männer waren, mit dem Fahrrad unterwegs. Nach drei Stunden kotzte mich der omnipräsente Gedanke an, ob ich es denn wohl wenigstens schaffen würde, diesen, meinen Körper, welcher ja auf meinem Rad saß wankte, auch nur irgendwie nach Hause zu bekommen. Wir fuhren durch die Dörfer, soffen in jeder Dorfpinte einen Schnaps und liesen uns dabei von den Alten auslachen. An einem Rad hing ein Anhänger, der eigentlich für die zu befördernden Bierkisten gedacht war. Insgeheim allerdings wusste jeder von uns, dass der nur dafür da war, jenen irgendwie nach Hause zu bekommen, der als erster vom Rad fallen würde. Wir würden keine Verwundeten zurücklassen – zumindest nicht den ersten davon, weil ja mehr nicht in den Anhänger passten. Es gab diesen. Natürlich. Ich war es nicht, aber ich wusste ziemlich sicher, dass ich dieser auch nie sein wollte.

Wir waren 25 Mann man und strandeten an einem See, direkt neben der Autobahn, in Ahrensdorf. Der Suff war alle, die Klarheit des Morgens definitiv Geschichte und alle wollten nur noch Richtung Heimathafen. Kaum einer konnte sein Fahrrad noch fahren. Mit den Birkenästen und diesem ganzen Shicezeug, welches erst am Lenker, jetzt aber im Vorderrad hing. Viele schoben.

Wir kamen irgendwie dann alle an diesem Swimmingpool in der Stadt an, in der wir wohnten. Die Eltern von einem, die sich Besitzer dieses Pools nannten, aber nicht da waren, hatten keine Ahnung, dass ihr Sohnemann an diesem Tag 20 besoffene Halbstarke dazu einladen würde, sich samt ihrer Klamotten in diesem Pool zu waschen, der danach auch genau so aussah. Irgendwann an diesem Tag pennte ich mit komplett durchnässten Klamotten und irgendeinem, dem letzten Drink in der Rechten auf einem Liegestuhl neben diesem Pool ein und wusste, diesen Schwachsinn werde ich mir nie wieder geben müssen und dachte so, „du Idiot – Ihr Idioten!“. Stunden später weckte mich meine heutige Frau. Ohne zu wissen, dass sie das Jahre später sein würde. Sie ist es heute noch.

Ich fuhr nie wieder an diesem Tag mit dem Fahrrad auch nur irgendwo hin. Ich werde es nie wieder tun.

10 Kommentare

  1. jens2. Juni 2011 at 00:27

    hahaha – geil geschrieben. so isses. so ähnlich wars auch bei mir. in den 80ern. heute bin ich, wie du, vater, aber das ganze so begehen muss ich nicht. können die machen, die noch nicht so unterwegs sind, wie wir. ;)

  2. muck2. Juni 2011 at 01:06

    Gehört wohl i-wie zur Selektion, heutzutage…
    wie das Pinkeln von Eisenbahnbrücken.
    Coole Geschichte! ^ف^-b

  3. steppn2. Juni 2011 at 01:38

    nice story!!!

  4. junk_f2. Juni 2011 at 02:28

    Wunderbare Geschichte. Ich selbst „übe“ für den Ernstfall des Vater-seins auch schon lange den Vatertag. Das Zusammensein mit Freunden ist etwas, was einem auch noch nach dem Aufwachen am nächsten Morgen bleibt. Übertreibung ist Kindergarten, lieber genießen und sich freuen, dass man zusammen ist.

  5. haralt2. Juni 2011 at 02:30

    (+_°)

  6. Julie Paradise2. Juni 2011 at 20:49

    <3

    (Unser "Papa" war zwar heute mit dem Rad unterwegs, ist aber extra nach Hause gekommen zwischendurch: "Ich muß doch die Kinder ins Bett bringen!")

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