Ich lache gerade sehr, weil ich hier in den jeweiligen Kommentarsträngen keines dieser Argumente noch nicht gelesen habe. Und damit ist dann auch eigentlich alles von dem, was noch kommen wird, schon in stereotypische Quadrate geschrieben. Super.
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Was mich persönlich an der Frei.Wild- und ähnlichen Debatten stört, ist eine strukturelle Intoleranz vieler im linken Milieu oder plakativer gesagt die dort wahrnehmbare Einstellung „Meinungsfreiheit hört da auf, wo meine Meinung aufhört“. Eine lebende, pluralistische, liberale Demokratie ließe sich am besten mit „leben und leben lassen“ charakterisieren und an Letzterem scheitern viele: Wir haben (relativ) klare gesetzliche Grenzen, deren Überschreiten auch zu Recht verfolgt wird (Diskriminierung anch Hautfarbe, Holocaust-Leugnung, Volksverhetzung, Verwendung nationalsozialistischer Symbole,…). Alles, was sich meinungsmäßig klar innerhalb dieser Grenzen bewegt, sollte als (wenn auch stark von der eigenen abweichende) legitime politische Meinung respektiert werden. Dieser Respekt heißt nicht, dass man derartige Meinungen nicht auch öffentlich inhaltlich scharf kritisieren oder mit Mitteln wie Ironie oder Satire angreifen darf (wie o. g. Bullshit-Bingo). Diese Angriffsmöglichkeiten sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber ebenso ist es Teil der Meinungsfreiheit, diese Meinungen – sofern sie sich im gesetzlichen Rahmen bewegen – überhaupt erstmal in der öffentlichen Auseinandersetzung zuzulassen und daran scheitern viele im linken Milieu: Sie verweigern diesen abweichenden Meinungen Zugang zum diskursiven Raum und versuchen, sie damit mundtot zu machen. Und dieser Versuch von Zensur steht einer Demokratie einfach nicht gut; eine lebende Demokratie hält das nicht nur aus, sie kann auch durch derartige Auseinandersetzungen wachsen – mehr, als wenn einfach totaschlagartig einige Meinungen von vornherein ausgeschlossen werden. Diese Ausschlussversuche zeigen sich z. B. durch das meist stilloseste Mittel in einer Diskussion: Statt dem Argument wird die es äußernde Person kritisiert bzw. gleich diskreditiert. Wenn ich jemanden zum Nazi erkläre, werden alle seine Argumente hinfällig, das ist für den Diskussionsgegner nicht nur schneller, sondern auch bequemer als eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten… Aber eben auch der Tod jeder demokratischen Diskussionskultur.
Im konkreten Fall: Frei.Wild den Echo nicht zu geben und dabei juryseitig darauf hinzuweisen, dass die Texte den Jurymitgliedern nicht gefallen: Okay. Frei.Wild bei einer rein auf Verkaufszahlen basierenden Vor(!)auswahl gar nicht erst zuzulassen, obwohl sie dieses Kriterium klar erfüllen: Nicht okay. Die Texte von FW bewegen sich alle klar im Rahmen unserer Gesetze und sind nie auch nur in der Nähe der Illegalität oder des Rechtsextremismus (hier gilt es klar zwischen Nationalismus und Nationalsozialismus/Rechtsextremismus zu unterscheiden!). Ebenso gilt es die Tatsache zu berücksichtigen, dass FW eine Südtiroler Band ist. Hier sind es nicht wie in Deutschland rechte Elemente der deutschsprachigen Mehrheitsgesellschaft, die gegen so etwas wie „Überfremdung“ hetzen, sondern es ist eine deutschsprachige Minderheit, die sich in permanenter mal mehr mal weniger intensiv geführter politischer Auseinandersetzung mit einer italienischsprachigen Mehrheit in Italien befindet und um regionale Autonomie- und Selbstverwaltungsrechte kämpft, auch um den Erhalt eigener Kulturgüter wie z. B. der deutschen Sprache. Minderheiten haben es der Natur der Sache nach eher schwer, Gehör zu finden, so dass sie eher eine Wagenburgmentalität und ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln und pflegen: Durch Gründung von Interessenvebänden und Parteien, aber auch durch besonders ausgeprägte Kultur- und Brauchtumspflege. Das machen viele muslimische Türken in Detuschland nicht anders, die häufig bewusster „türkischer“ und „muslimischer“ leben als ihre Verwandten und Freunde in der Türkei – man verzeihe mir die schwammige Formulierung, ich hoffe, man weiß, was gemeint ist. Neben der politischen Situation gilt es auch die kulturell und geschichtlich bedingten Unterschiede zwischen Deutschland und Südtirol in sprachlicher Symbolik und deren Interpretation zu berücksichtigen. Hier hat Südtirol noch stärker als Österreich (die es verspätet dann doch in Angriff nahmen) nie so etwas wie eine konsequente Aufarbeitung des Nationalsozialismus durchgeführt – vor allem, da sie es als auch zu NS-Zeiten meist Italien zugehörig – nicht mussten bzw. in dieser Richtung kein gesellschaftlicher oder externer Drzuck ausgeübt wurde. Ähnlich wie in Östereich sind Begriffe wie „Heimat“, „Volk“, „Vaterland“ etc. daher nicht annähernd so negativ oder politisch konnotiert wie in Deutschland. Dass Südtirol und auch Österreich aus Sicht vieler Deutscher so etwas wie (z. T. auch rechts-)konservativen Mief verströmen, ist durchaus verständlich, da diese Länder deutschen Maßstäben nach tatsächlich konservativer sind. Trotzdem sollte man nicht den Fehler machen, sich von der gemeinsamen Sprache irreleiten zu lassen: Die Texte von Frei.Wild mögen die gleichen deutschen Worte verwenden, unterliegen aber nur bedingt der gleichen Semiotik, will sagen: Gleiche Sprache ja, aber nicht gleiche Bedeutung der gleichen Worte bzw. gleiches sprachliches Zeichensystem. Hier wird ungleiches gleich behandelt und damit ungerecht. Für die Beurteilung der Wirkung der Band und ihrer Texte in Deutschland spielt die Herkunft der Bandmitglieder keine Rolle (sollte sie auch nicht), da jeder deutsche Hörer die Textinterpretation naturgemäß nur mithilfe seines eigenen, in diesem Fall „bundesdeutschen“ (gemeint nicht als der rechte Kampfbegriff gegen die BRD, sondern in Abgrenzung zum rein sprachlich deutschen) Zeichensystems vornehmen wird. Wohl aber sind diese kulturellen Unterschiede zu berücksichtigen bei der Frage, welche Motive man den Bandmitgliedern unterstellt: Südtiroler mögen bei Heimat und Volk an Trachten denken, viele Deutsche sehen da im Kopf gleich wieder die SS marschieren… Die Bandmitglieder halte ich nach Ansicht einiger Text- und Video-Interviews für nur mäßig intelligent, mäßig kreativ und mäßig musikalisch begabt – aber auch nur mäßig politisch interessiert. Sie wirken eher wie (fast schon gefährlich) unpolitische Leute, die ohne groß nachzudenken ihre Texte schreiben und dabei kein besonderes Zielpublikum im Auge haben. Ihre auf öffentlichen Druck zunehmenden Distanzierungen von Rechtsradikalen sind deswegen nur z. T. authentisch: Authentisch ja, da sie selber nicht rechtsradikal sind und auch nicht als Band oder Menschen in diese Ecke gerückt werden wollen, aber auch wieder unauthentisch, weil es ihnen relativ egal zu sein scheint, wer sie hört. Weder würde ich ihnen jedoch Rechtsradikalität noch rein zielgruppen- und damit gewinnorientierten Opportunismus beim Texten unterstellen. Die Band wurde wahrscheinlich von der Debatte vor ein paar Jahren selber überrascht und reagiert inzwischen mit einer aus Genervtsein und fehlendem Unrechtsbewusstsein gespeisten Trotzigkeit, da sie die Distanzierungen von Rechten zwar wahrscheinlich inhaltlich richtig, aber aus ihrer Sicht krass unnötig findet. Zusätzlich erschwerend kommt neben dem unterschiedlichen kulturellen Hintergrund der Band auch noch das musikalische Genre hinzu: Musik aus dem – im weitesten Sinne – härteren Rockbereich klingt nicht nur aufgrund der Instrumentierung immer etwas martialischer und härter, auch sind die Texte meistens von einer martialischeren Rhetorik begleitet. Rammstein sieht sich auch häufig als rechts angefeindet und die fremdsprachige Texte aus dem Genre sind bei Übersetzung nicht weniger martialisch oder fragwürdig – nur macht man sich selten die Mühe, sie zu übersetzen und schon gar nicht macht man den Fehler, sie nach deutscher Semiotik zu lesen.
Zugegeben bleibt aber, dass man bei einer Band mit einem ehemaligen Rechtsrockbandmitglied und einer gelegentlich aggressiven Rhetorik in den Texten durchaus genauer hinschauen durfte, darf und auch weiterhin dürfen muss – umgekehrt kann die Band aber abgesehen von der für sie wahrscheinlich nicht in Frage kommenden Einstellung des Betriebs auch wenig mehr machen, als sich mehrfach, klar und öffentlich von extremistischem Gedankengut (bzw. der eigenen Vergangenheit eines Bandmitgliedes) zu distanzieren – was nicht nur verbal, sondern auch in Songtexten geschieht. Dass viele einem radikaleren linken Spektrum zugeneigten Personen Probleme damit haben, wenn sich Leute nicht nur explizit von Rechts- sondern von „jeglichem“ (und damit auch linken Extremismus) distanzieren, ist wieder eine andere Baustelle, kann der Band aber nicht zur Last gelegt werden sondern ist gesamtgesellschaftlich eher begrüßenswert – auch wenn dem nicht jeder zustimmen würde…
Was die Fans der Band angeht, so gilt hier wie so oft: „Guilt by association“ ist Mist weil ein derber logischer Fehlschluss. Weder muss eine Band, deren Fans (egal zu einem wie großen Teil) rechtsradikal sind, rechtsradikal sein, noch müssen Fans einer Band rechtsradikal sein, nur weil es andere Fans dieser Band sind. Omas Apfelkuchen wird auch vielen SS-Oberen geschmeckt haben, aber dafür kann Omas Apfelkuchen erstmal wenig. Dass man sich grundsätzlich kritisch hinterfragen sollte, wenn man selbst als Person/Politiker/Band oder etwas, das man selber gut findet, von Rechtsradikalen ebenfalls gelobt/gemocht wird, ist selbstverständlich. Wenn nach dieser Prüfung jedoch herauskommt, dass man dazu immer noch dazu steht bzw. es gut findet, so ist daran jedoch nichts auszusetzen, nur, weil zweifelhafte Subjekte es ebenfalls mögen. Im Parteiprogramm JEDER Partei finden sich einzelne Inhalte, die Rechtsradikale und die NPD ebenfalls unterschreiben würden – trotzdem ist das noch lange kein Grund, diese Inhalte über Bord zu werfen. Dass sich unter den Fans von Frei.Wild eine Menge Nazis tummeln, ist klar, und das sollte auch Frei.Wild dazu bringen sich und die eigenen Texte ständig kritisch zu hinterfragen – aber das macht weder aus der Band noch aus den anderen Fans, die die Band gerne hören (ich zähle übrigens nicht dazu…), automatisch Nazis. Frei.Wild – durchaus auch hart – zu kritisieren ist okay, die Band und ihre Fans zu stigmatisieren, ist hingegen nicht okay.
Und was das Bullshit-Bingo angeht: Nette Idee und durchaus auch gut gemacht. Da tut es auch keinen Abbruch, dass der gleiche Spaß übrigens auch politisch andersrum blendend funktioniert, dann würden dort u. a. eine Menge Rassismus-, Faschismus- und Sexismusvorwürfe zusammen mit Kritik am Staat und der Polizei zu finden sein von ähnlich zweifelhafter inhaltlicher Logik und Berechtigung. Und das Monopol auf Rechtschreibfehler ist ebenfalls keinem politischen Lager zuzuordnen, auch wenn einige das gerne hätten…
Idioten gibt es überall, aber man kann zumindest versuchen, sich nicht auf ihr Niveau herabzulassen! ;)
MfG
David
@David:
Im ersten Abschnitt ist Dir begrifflich etwas durcheinander geraten: Da Du von der rechtlichen Grenzen der Meinungsäußerung sprichst, willst Du offenbar den Begriff Zensur auch in seiner rechtlichen Bedeutung meinen. In diesem Zusammenhang bedeutet aber Zensur nur Vorzensur, also Zusammenstreichen/Schwärzen von Texten vor ihrer Veröffentlichung und dies im Übrigen auch nur, wenn es durch staatliche Stellen geschieht, da Grundrechte in allererster Linie nur im Verhältnis Bürger-Staat wirken. Insofern hat der Begriff Zensur in dieser Debatte in keiner Form etwas zu suchen.
Darüber hinaus würde mich wirklich interessieren in welcher Form Du erlebt hast, dass Linke in diesem Zusammenhang abweichenden Meinungen den Zugang vom Diskurs verweigert haben. Kritik an einer Meinungsäußerung kann unabhängig von ihrer Schärfe keine Zugangsverweigerung zum Diskurs sein, da sie denknotwendig Teil des Diskurses ist. Und es darf doch jeder, der die Band verteidigt seine Meinung sagen, n´est-ce pas? Kommt mir angesichts der vielen Postings hier und anderswo jedenfalls akut so vor.
Diese Argumentationsweise zieht übrigens sich durchgängig durch die neue Rechte, „der böse Linke Mainstream verbietet uns den Mund“. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein, angesichts des Umstands, dass Fleischhauer, Broder, Wagner, Sarrazin etc. ungebremst in den auflagenstärksten Publikationen der Republik veröffentlichen können. Ich sage es gerne noch einmal, es ist kein (KEIN) Maulkorb, wenn man für das Vertreten rechter Positionen als rechts bewertet wird. Dies stellt übrigens anders als Du behauptest keine ad-hominem-Argumentation dar. Ein ad-hominem bedeutet bspw. „Du bist so-und-so, deswegen ist Dein Argument Asche“. Hier hingegen wird begründet vorgetragen „Dein Argument ist ein nationalistisches, rechtes. Wenn Du derartiges vertrittst, begibst Du Dich selbst an den rechten Rand“. Es wird also nicht unzulässig das Argument wegen des Menschen verworfen, der Mensch wird wegen des Arguments kritisiert. Und ja, auch Positionen, die mit (historischem) Faschismus und Nationalsozialismus nichts zu tun haben, können ohne weiteres (extrem) rechts sein.
Deswegen hilft es nicht weiter, sich lediglich von Faschismus und Nationalsozialismus zu distanzieren, dafür aber andere klar rechte Positionen zu vertreten. Das ist nur die etwas artikuliertere Variante der brandenburgischen Dorfkinder meiner Jugend, die jede Meinungsäußerung eingeleitet haben mit „Ich bin ja kein Nazi, aber…(hier bitte rechtsextreme Position einsetzen)“.
Die Herkunft der Band ist auch nebensächlich. Nationalismus und Intoleranz wird nicht dadurch besser, dass man einer wie auch immer bestimmten Minderheit angehört. Selbst wenn man den Umstand, dass die Band diesbezüglich aufgrund ihrer Herkunft kein Problembewusstsein hat, milde als unreflektiert und enghorizontig abtun wollte, so muss klar sein, dass man als insbesondere deutscher Fan der Band diesen Luxus nicht hat. Allenfalls kann man sich mglw. herausreden indem man sagt,“ich mag die Mucke, auch wenn mir das Heimatsgedöns der Texte auf den Sack geht.“ Andernfalls identifiziert man sich mit den Texten und macht sich deren Aussagen zu eigen. Das ist ja letztlich -wenn man ehrlich ist- das Kalkül der Band, wer kauft denn schon Platten einer südtiroler Dorfkapelle, wenn die Texte nicht angenehm einfach übertragbar und in das eigene Weltbild einbaubar wären? Die Kritik hat also mit guilt by association nichts zu tun, die Band hat rechte Fans, weil sie rechte Positionen vertritt und mit rechten Klischees spielt; die Fans der Band sind unreflektiert, wenn sie den Texten keine Bedeutung beimessen und rechts wenn sie ihnen Bedeutung beimessen und sich damit identifizieren.
Und natürlich dürfen sie – rechtlich betrachtet – rechts sein, da wird niemand für eingesperrt oder mundtot gemacht. Nur wundern, dass sie dann als Rechte bewertet werden, brauchen sie sich bittschön auch nicht.
@jansalterego:
Meine Kritik würde ich als Folge Deiner begrüßenswert ausführlichen (danke dafür! :) ) Reaktion gerne nochmal „aufdröseln“ bzw. präzisieren. Ich fange mal mit der Formulierung „der böse linke Mainstream verbietet uns den Mund” an, da sich das als Aufhänger ganz gut anbietet. Dass man als Vertreter extremer politischer Positionen nicht ganz zu Unrecht einen Großteil der Restgesellschaft gegen sich wähnt – mitunter gepaart mit der Äußerung mal mehr, mal weniger abstruser Verschwörungstheorien wie dieser – ist bedauerlich, aber zumeist notwendiger Bestandteil des eigenen extremen Weltbildes, das ohne derartige Hilfskonstruktionen und Fantastereien in sich zusammenzufallen droht, wie ein Kartenhaus. Ein Beispiel radikal linker Seite in noch (durchaus dafür bewundernswerter) eleganterer Sloganform als das von Dir genannte wäre „Polizisten: Mörder und Faschisten!“. Nicht nur geht es weit über jegliche bewusst krass und provokant zugespitzte und zumindest diskutable Form der Kritikformulierung (wie z. B. bei „Soldaten sind Mörder.“) hinaus, sondern ist eine krasse Beleidigung und Schmähkritik; auch ist der dahinterstehende Gedanke, dass es diesmal nicht die vierte Gewalt, sondern die Exekutive ist, die sich als Folge einer Verschwörung geschlossen und natürlich vollkommen zu Unrecht dem eigenen Weltbild und seinen Vertretern entgegenstellt, ähnlich absurd. Wie unschwer zu erkennen ist, habe ich durchaus Sympathien für die Totalitarismus-Theorie und würde zur graphischen Veranstaltung des politischen Spektrum auch (mindestens) das zweidimensionale Hufeisen heranziehen wollen, da die meist medial undifferenziert verwendete eindimensionale Achse viel zu häufig versagt bzw. als Modell nicht annähernd so erklärungsmächtig ist wie bspsw. das Hufeisen. Jedoch würde ich den Thread hier ungern zur einer der zahlreichen generellen Debatten über Extremismustheorien „verkommen“ lassen oder mir am Ende noch den gern herangezogenen „Verharmlosung-durch-Vergleich“-Vorwurf einhandeln, sondern lieber näher am Fall bleiben. Will sagen: Ich kenne das von Dir angeführte Denk- und Argumentationsmuster der Neuen Rechten und hätte gehörige Bauchschmerzen in eine ähnliche Ecke einsortiert zu werden. Kritisieren wollte ich zwar sowohl die Linken als auch den „Mainstream“ bzw. die „Mainstream-Medien“, aber ohne in meinen unterschiedlichen Kritiken eine personelle Übereinstimmung zwischen beiden Gruppen zu behaupten, im Gegenteil: Diese Übereinstimmung dürfte fast gegen Null gehen. Gleich der schwammigen, weil auch nicht selten verschieden und als politischen Kampfbegriff gebrauchten „Rechten“ waren auch die „Linken“ von mir ähnlich unsauber abgegrenzt bzw. definiert. Mit den „Linken“ bzw. dem von mir erwähnten linken Milieu meinte ich eine zahlenmäßig relativ kleine, aber zumindest an Hochschulen und auf Demonstrationen relativ auffällige, lautstarke und präsente Personengruppe radikalerer Prägung und keinesfalls jeden, der die Selbst- oder Fremdzuschreibung „links“ in irgendeiner Form erfüllt. Ich meine solche Leute, die bei Veranstaltungen wie Vorträgen oder Buchpräsentationen (greifen wir hier mal beispielhaft die bestpassenden Fleischhauer in Göttingen und Sarrazin an mehreren Orten raus) schon vor dem Veranstaltungsort potentielle und tatsächliche Besucher der Veranstaltung (mindestens) verbal anmachen und einschüchtern und bei der Veranstaltung an sich dann laut pfeifen, klatschen, aufstampfen, dazwischenrufen, kurzum: alles tun, damit die Veranstaltung nicht regulär ablaufen kann. Derartiges Verhalten gibt dann zumindest von der verwendeten Methode her solchen Leuten Recht, die wie einer der Vor-Kommentatoren arg trollig-platt meinten „Anti-Faschsismus ist der neue Faschismus“. Das als das von Dir angefragte Beispiel, wo ich es gelesen, mitbekommen bzw. erzählt bekommen habe, dass Meinungen der Zugang zum Diskurs – bzw. hier passender: die freie Äußerung – verweigert wurde. „Kritik an einer Meinungsäußerung kann unabhängig von ihrer Schärfe keine Zugangsverweigerung zum Diskurs sein, da sie denknotwendig Teil des Diskurses ist“ – da sind wir komplett beieinander, ich dachte, das wäre schon nach meinem ersten Post klar. Die Unterdrückung einer Meinungsäußerung wie oben geschildert ist aber diese Zugangsverweigerung, zumindest wenn man den Diskurs eher nach Habermas und weniger nach Foucault sehen will.
Den Begriff Zensur wollte ich eher allgemeiner als Verhinderung, Nicht-Zulassung bzw. Ausschluss einer Meinung (bzw. einer Meinungsäußerung) verstanden wissen, nicht zwingend im engeren Sinne als staatliche Maßnahme. Nimmt man Institutionen wie die Deutsche Phono-Akademie (als die ECHO-Verantwortlichen) oder andere Institutionen die schon rein vom Namen her (Deutsche Gesellschaft für X, Deutsches Institut für Y, Deutsche Akademie für Z, Zweites Deutsches Fernsehen, etc.) für sich zumindest in einem einzelnen Feld einen gesamtgesellschaftlichen Vertretungsanspruch reklamieren und auch mehr oder weniger anerkannt bekommen, so werden diese sich auch meist staatstragend und überparteilich bzw. unparteiisch gebenden Institutionen von den meisten Bürgern schon als quasioffiziell wahrgenommen, so dass ich den Begriff Zensur im Fall von FW beim Echo zwar für bewusst hart formuliert, aber inhaltlich doch vertretbar halte. Zumindest sollte eine derartige Maßnahme wie der Ausschluss einer Band von einer rein nach Verkaufszahlen erstellten Nominiertenliste auch ganz klar öffentlich als bewusste politische Entscheidung kommuniziert – und damit zur Diskussion gestellt – oder unterlassen werden (mein klarer Favorit). Die gewählte Lösung ist mit Abstand die ungünstigste und dem Reaktionstext der Band auf ihrer Homepage kann ich in so ziemlich allen Punkten zustimmen, nicht zuletzt folgender Passage: „Das Zitat des Geschäftsführers des Bundesverbandes Musikindustrie Dr. Florian Drücke: “Um zu verhindern, dass der Echo zum Schauplatz einer öffentlichen Debatte um das Thema der politischen Gesinnung wird, hat sich der Vorstand nach intensiven Diskussionen dazu entschlossen, in die Regularien des Preises einzugreifen und die Band Frei.Wild von der Liste der Nominierten zu nehmen“, entlarvt sich selbst als widersprüchlich: Wie soll eine solche rein politische Entscheidung verhindern, dass der Echo zum Gegenstand eines politischen Themas wird? Politischer als geschehen geht es nicht mehr.“ Unabhängig vom Inhalt der Entscheidung ist zumindest die Methode ihres Zustandekommens äußerst fragwürdig: Jeder Mörder bekommt zurecht mindestens einen Prozess und wird angehört, auf eine Anhörung der Gegenseite bzw. der Band die Möglichkeit einzuräumen, sich zu erklären, hat man hier verzichtet. In einem Konflikt oder zu einem Thema nur eine Seite anzuhören oder darzustellen, ist vollkommen zurecht verpönt: Vor Gericht, in den Medien und eigentlich bei jeder Form der Konfliktdarstellung und -schlichtung.
Das als kurze Kritik am Vorgehen der Phono-Akademie. Nach der im ersten Absatz erläuterten Kritik am Verhalten einiger „Linker“ nun zu den „Mainstream-Medien“ (Mainstream ist als Begriff so negativ konnotiert, dass man alleine durch Verwendung des Begriffs schon das Etikett der Überheblickeit oder des Verschwörungstheoretikers angeklebt bekommt, daher hätte ich hier lieber nur „Medien“ und das auch ohne Anführungszeichen, aber des Zitats halber bleibt’s so): Diesen (vielen, nicht allen!) möchte ich generell wie auch erschreckend vielen ihrer Rezipienten eine unglaubliche Recherche- und Denkfaulheit unterstellen, wobei ich neben den in jeder zweiten Medienkritik zu findenden Argumenten leider nicht mehr viel neues anzubieten habe: Zu oft unzulässige Vereinfachung von Themen und Aussagen, keine weitergehende Recherche und viel zu oft die Arbeit mit Stempeln und Schubladen. Die Linken sind stets die SED-Nachfolgepartei, Klaus Ernst stets Porschefahrer, Peer Steinbrück der Fettnapfsucher, Obama stets cool (und kein Drohnenkrieger), Ahmadinedschad nur „der Irre aus Teheran“ (hier geht’s mir nicht um seine Charakterisierung, sondern um die falsche Darstellung von ihm als mächtigsten Mann Irans) und Frei.Wild die Nazis. Solche dabei der Schlagzeile und Bequemlichkeit halber erschreckend oft gegangenen und ausformulierten Dreischritte wie Nationalismus/(Rechts-)Konservatismus = Rechtsextremismus = Nationalsozialismus verbieten sich bei einer derart politisch und gesellschaftlich sowohl relevanten als auch brisanten Thematik, wo man gerade besonders penibel auf die Verwendung der richtigen Begriffe achten müsste.
Jegliche von mir geäußerte Kritik bezieht sich damit nicht auf Leute wie Dich oder andere, die die Texte (und nicht nur die stets gleichen zitierten drei Zeilen) von Frei.Wild gelesen haben und sich mit der Band und ihren Statements zum Thema (und nicht nur einer länger zurückliegenden Rechtsrockbandmitgliedschaft eines Bandmitglieds) beschäftigt haben und dann auf Basis einer eigenen gedanklichen Auseinandersetzung immer noch zu dem Schluss kommen, die Band aufgrund ihrer Texte abzulehnen und als zu rechts zu kritisieren. Einzig ein Plädoyer für eine eigene differenzierte Auseinandersetzung und Meinungsbildung zu dem Thema und eine niveauvolle und kritisierbare Artikulation dieser Meinung statt stumpfer Pöbelei wollte ich halten. Deine Meinung halte ich ebenso wie meine für durchaus legitim und vertretbar, da sie auch Resultat eines Denkprozesses und nicht bloß des stumpfen Wiederkäuens einer aufgeschnappten Schlagzeile ist!
Grundsätzlich empfehle ich das Durchlesen des Statements von Frei.Wild zum Thema ECHO-Ausschluss auf ihrer Homepage: Das ist das aufrichtige Statement einer durchaus enttäuschten und auch etwas angefressenen Band und keine politische Agitation oder aggressive Pöbelei.
Lustig, erwartbar halte ich es eher mit Foucault als mit Habermas und die Totalitarismustheorie für Mumpitz. Weder darauf, noch auf die durchaus zutreffende Medienschelte soll hier aber näher eingegangen werden.
Schön ist, dass wir bei anderen wichtigen Punkten schon Konsens erzielt haben; ich bin sicher, dass dies auch für die Beobachtung gilt, dass in der Frage „Frei.Wild beim Echo“ von linker Seite sicher kein dem von Dir gewählten Beispiel vergleichbares Verhalten gezeigt wurde.
Im übrigen muss ich Dich enttäuschen, das „Deutsch“ in „Deutsche Phono-Akademie“ ist kein bisschen staatstragender und Unparteilichkeit beanspruchender als dasjenige in „Deutsche Bank“.
Ich nehme denen sogar ab, dass die Entnominierung für die Akademie keine politische Entscheidung war. Wenn die Akademie mit Politik etwas am Hut hätte bzw. den Hauch einer Ahnung davon, hätte die Problematik schon vor Nominierung offenbar werden müssen. Bzw. bei/vor der letzten ECHO-Verleihung. Nein, für die Akademie war das eine rein betriebswirtschaftliche Entscheidung: Bei welcher Zielgruppe können wir es uns eher leisten sie zu verärgern, welche der beiden Varianten – also Verzicht auf entweder Frei.Wild oder DÄ, Mia. und Kraftklub – schlägt für die bottom line negativer zu Buche. Das wird man eilig durchkalkuliert und dem Ergebnis entsprechend gehandelt haben. Das ist natürlich vollständig amoralisch (im Kapitalismus nichts neues) aber eben auch unpolitisch (ein Begriff übrigens, dessen positive Konnotation unter frei.wild-Fans ich nicht im Ansatz nachvollziehen kann).
Der Umstand, dass ich die Akademie für kalkulierende Kapitalisten und zumindest Mia. für in dieser Angelegenheit glashausumbaut halte, ändert allerdings nichts daran, dass ich mit dem Ergebnis ganz gut leben kann.
[…] denn, dann packen wir jetzt bitte alle wieder das Frei.Wild-Kommentar-Bullshit-Bingo aus, streichen die jeweils passende Kästen ab und wer zuerst eine Reihe voll hat, der ruft laut […]